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Philon: Über das Zusammenleben um der Allgemeinbildung willen (De congressu eruditionis gratia) übersetzt von Hans Lewy

Krug geweiht hatte, hinzu: „Das Omer ist der zehnte Teil der drei Maße“ (2 Mos. 16, 36).[1] Denn in uns existieren offensichtlich drei Maße: die Wahrnehmung, das Wort und die Vernunft; und zwar für die wahrnehmbaren Dinge die Wahrnehmung, für Hauptwörter, Zeitwörter und das Gesprochene das Wort, für die intellegiblen Dinge die Vernunft.[2] 101 Von jedem dieser drei Maße soll man gleichsam einen heiligen Zehnt weihen, damit das Reden, das sinnliche Wahrnehmen und das logische Begreifen in Hinblick auf Gott fehlerlos und rechtschaffen geprüft werde. Denn nur dieses ist das wahre und [534 M.] gerechte Maß,[3] während die menschlichen Maße unwahr und ungerecht sind. [19] 102 Auch bei den Opfern soll ein Zehnt von dem Maß Weizenmehl mitsamt den Opfertieren auf den Altar gelegt werden (2 Mos. 29, 40), dagegen die anderen neun Teile, die nach Abzug des Zehnten übrigbleiben, bei uns verbleiben. 103 Hiermit stimmt auch das Ganzopfer der Priester überein. Es ist nämlich befohlen, ihnen jedesmal den Zehnten von dem Maß Weizenmehl abzugeben (3 Mos. 6, 20). Denn sie haben es gelernt, über den neunten, nur durch Mutmaßungen wahrnehmbaren Gott[4] hinauszugehen und den zehnten und wahrhaft Seienden zu verehren. 104 Denn neun Teile besitzt die Welt: am Himmel acht, und zwar den unbeweglichen Teil und die sieben beweglichen und in den gleichen Ordnungen wandelnden Teile, sowie als neunten die Erde[5] nebst Wasser und Luft; denn diese (drei), die mannigfache Wandlungen und Veränderungen erfahren, gehören zusammen. 105 Die Masse[6] verehrt nun diese neun Teile und die aus ihnen zusammengefügte Welt, der vollkommene Mensch aber nur den über diese

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Philon: Über das Zusammenleben um der Allgemeinbildung willen (De congressu eruditionis gratia) übersetzt von Hans Lewy. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloCongrGermanLewy.djvu/030&oldid=- (Version vom 10.12.2016)
  1. Das biblische אֵיפָה‎–Maß wird hier von der LXX, der Philo wie immer folgt, mit τρία μέτρα übersetzt.
  2. Auch diese Unterscheidung zwischen ‘Wort’ und ‘Vernunft’ geht auf die stoische Lehre vom λόγος ἐνδιάθετος und προφορικός zurück, über die oben § 33 Anm. 3 und: Über die Trunkenheit § 70 Anm. 3 gesprochen wurde.
  3. Gemeint ist das μέτρον κατὰ θεόν.
  4. Gemeint ist die Erde, der neunte Teil des αἰσθητὸς κόσμος (vgl. Anm. 6).
  5. Die Himmelssphären, die aus acht Teilen bestehen, werden von den sieben Planetenkreisen und dem äußersten Kreis des Fixsternhimmels (ἀπλανής) gebildet, der sich um die Erde dreht. Vgl. Platon Timaios 36c; Philo Über den Dekalog § 103 Anm., Über die Cherubim § 22 Anm. 1 und quaest. in Gen. IV § 110.
  6. Das sind die chaldäischen Sternanbeter, während Abraham sich zur Schau des supranaturalen Gottes erhebt. Vgl. oben § 49 und: Über die Wanderung Abrahams § 176ff.