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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)


3) Ohne Scheu und Selbsttäuschung an der Thatsache der allseitig vorhandenen Gefahr festzuhalten; demnach die zur Abwehr angewiesenen Mittel von vornherein als unzulänglich zu betrachten und daher bei jedem Falle den strengsten Maßstab bezüglich des Zutreffens einer der beiden ersten Bedingungen anzulegen.

Die Berichterstattung über Schul- und Sprachverhältnisse an den bedrohten Punkten des Reiches geschah von etwa vierhundert über alle Theile der deutschen Provinzen zerstreuten Vertrauensmännern, und ihre gewissenhaften und fachkundigen Mittheilungen bürgten für eine gründliche Vorberathung der zu ergreifenden Maßregeln.

Das Feld der Vereinsthätigkeit scheidet sich einerseits in eine nördliche Zone, die Böhmen, Mähren sowie Schlesien umfaßt und wenig über die galizische Landesgrenze hinausgreift, andererseits in eine südliche, die in Tirol anhebt und bis an die südungarische Grenze reicht. In der Mitte dieser beiden liegt eine compacte deutsche Landmasse, doppelt werthvoll für das Vereinsleben, weil sie großmüthig spendet, ohne für sich etwas in Anspruch zu nehmen. Während des abgelaufenen Halbjahres hat nun der Verein an jenen bedrohten Punkten folgende Resultate erzielt: In Böhmen wurden zehn Schulen mit Lehrmitteln und Schulbibliotheken versehen, eine Fabrikschule zu Iserthal mit Unterstützung des dortigen Fabrikherrn neu errichtet, sowie die Eröffnung zweier deutscher Kindergärten zu Prag und Pilsen vorbereitet. Die Eröffnung einer deutschen Schule in der Festung Josefstadt dürfte zunächst den dortigen Militärkindern zugute kommen, und eines freundlichen Entgegenkommens Seitens der Heeresverwaltung ist der Verein bereits sicher.

In Mähren konnte die von der Regierung vorgenommene Schließung der deutschen Parallelclassen am Gymnasium zu Walachisch-Meseritsch paralysirt werden, indem durch die Unterstützung des Vereins in der Höhe von 2000 Gulden die Stadtgemeinde in die Lage gesetzt wurde, auf ihre Kosten die Classen fortzuerhalten. In demselben Kronlande wurde auch zu Lettowitz eine Fabrikschule errichtet, die Eröffnung eines Kindergartens und einer Volksschule zu Trebitsch, sowie einer Volksschule zu Butschowitz in Angriff genommen und an fünf Schulen Lehrmittel und Unterstützungen gewährt. Ebenso wurden in Schlesien und Galizien zehn Schulen dotirt und zu Oderberg eine vierte Volksschulclasse errichtet.

Im südlichen Gebiete erstreckte sich die Vereinsthätigkeit auf jene den Alpenbesuchern so bekannten herrlichen Thäler der Etsch und Eisack, so wie auf die deutschen Sprachinseln in Wälsch-Tirol. Auch hier erhielten viele Gemeinden Schülerbibliotheken, Lehrbücher und Schulrequisiten, während in Proveis die Erbauung eines Schulhauses ermöglicht wurde.

In jenen Thälern, „wo germanische Völker der Väter Sitte und Sprache treu und unverfälscht erhalten haben“, wird es Aufgabe des Vereins sein, den Riegel bei Salurn fest zuzuschieben, um es dem Nachbar fortan in's Gedächtniß zu rufen, wessen Gutes König Laurin's Rosengarten sei.

An nahezu siebenzig bedrohten Punkten war demnach der Verein bemüht, zum Besten der deutschen Schule zu wirken, und das emsige Streben des Ausschusses und die Kräftigung des Stammesbewußtseins unter den Deutschen Oesterreichs haben eine immer mehr wachsende Theilnahme für ihn hervorgerufen. Die im abgelaufenen Jahre abgehaltenen deutschen Parteitage in Oesterreich stellen die Förderung des Schulvereins als Pflicht jedes Deutsch-Oesterreichers hin, und den begeisterten Worten des Reichstagsabgeordneten Freiherrn von Walterskirchen auf dem Wiener allgemeinen deutsch-österreichischen Parteitage am 14. November vorigen Jahres folgte stürmischer Beifall der dreitausend Theilnehmer aus allen Theilen des Reiches. Und so konnte der Ausschuß in der Generalversammlung unter allgemeiner Zustimmung aussprechen: „Keine Liebesgabe mehr, für den man Dankesworte ernten darf, der Pflichtgulden ist es, den wir von allen deutschen Stammesgenossen einfordern.“

Es regt sich auch in den weiten Gauen des deutschen Reiches warme Theilnahme für den Verein. In den größeren Städten haben sich Agitationscomités gebildet, welche Aufrufe erließen und in den letzten Wochen bereits einige tausend Mark an die Vereinsleitung absandten. Auch die deutsche Presse leiht dem volkstümlichen Unternehmen ihre Unterstützung.

Und doch bedarf es noch reichlicher Theilnahme.

„Es wäre eine Schande für uns Deutsche, wenn wir für die deutsche Schule nicht freiwillig aufzubringen vermöchten, was die Delegationen für sechs Küstengeschütze votiren mußten,“ hatte Freiherr von Walterskirchen gesagt - und doch haben wir für die so wichtige Sache bisher nicht die Kosten auch nur eines einzigen Küstengeschützes zusammengebracht.

Darum - weil die deutsche Schule eine Waffe für die Erhaltung der Nationalität ist - darum müssen die Bestrebungen des deutschen Schul-Vereins in Oesterreich allseitig unterstützt werden. Und so konnte denn der Redner am 14. November seinen Appell mit den Worten schließen: „Was unsere Väter waren, sollen auch unsere Kinder bleiben: deutsch! Deutsch im Sinne Anastasius Grün's:

Deutsch sein, heißt: off’ne Freundesarme
Für alle Menschheit ausgespannt,
Im Herzen doch die ewig warme,
Die einz'ge Liebe: Vaterland!
Deutsch sein, heißt: sinnen, ringen, schaffen,
Gedanken sä’n, nach Sternen späh’n,
Und Blumen zieh’n – doch stets in Waffen
Für das bedrohte Eigen steh’n.“




Der entweihte Stammtisch. (Abbildung S. 269.) Dieses ausdrucksvolle Bild des wackeren Kötschenreiter hat im Leben schon Vielen vor Augen gestanden, aber immer wieder wird es gefunden werden; denn nichts ist conservativer, als der Rangdünkel und die Standeseitelkeit in abseits gelegenen, beschränkteren Lebenskreisen, wo das Triebrad des großen Verkehrs sie nicht abreibt. „Herrenstübchen“ und Stammtische der „Honoratioren“ sind die beliebten Brutkästen des Sicherheitsbehagens vor der geselligen Vermengung mit dem, was man ehedem „Volk“ nannte. Dieses Behagen verlangt, daß man in der bestimmten Stube nicht nur seinen bestimmten Tisch, sondern an diesem auch seinen bestimmten Stuhl habe, dem das Subordinationsgefühl für jeden Stammgast von selbst die rechte Stelle anweist; denn der Stadtschreiber kann unmöglich neben dem Herrn Amtmann oder der Organist gleich neben dem Herrn Superintendenten sitzen. Wo aber die Ordnung einmal feststeht, da ist jede Störung derselben ein Gräuel.

Wann und wie der biderbe Bauer oder Viehhändler an diesen Tisch kam, wissen wir nicht. Jedenfalls grüßte er die Gesellschaft, als er nach dem Stuhl griff, und da ihm – offenbar vor Staunen ob der unerhörten Frechheit – Niemand dankte, so nahm er seinen Sitz in der brutalen Weise ein, welche seinen Wunsch für seine Nachbarschaft deutlich ausdrückt. Unser Bild stellt uns vor den kritischen Augenblick, wo der Herr Hofrath, der Höchste im Orte, zum Tische tritt, er, dessen Stuhl der Fremde mit so breitem Beschlag belegt hat. Jetzt bricht’s los – ob aber zuerst über, ob unter dem Tische, ist noch die einzige Frage; denn wie der Explosion des Zorns über dem Tische die anbohrenden Blicke voraufleuchten, so weckt unten demselben das Gebell des „vornehmeren“ Kläffers das verächtliche Grollen des Fleischerhundes. Drohend hängen die Wolken des Sturmes hernieder, während der einzige Engel des Friedens in diesem Raume, die Kellnerin, mit dem leeren Seidel davongeht. Wer Zeit hat, muß eben abwarten, was aus der Scene noch werden wird: wir wissen’s selber nicht.




Zur Todtenliste der „Gartenlaube“. Abermals haben wir den Verlust eines unserer Mitarbeiter zu beklagen: In Oldenburg starb am 5. März der Bankdirector Ludwig Strackerjan. Er hing mit warmer Liebe an seinem Heimathlande, war ein gründlicher Kenner von Land und Leuten in Oldenburg und stets ein Förderer des Wohls von beiden, besonders durch seine nationalökonomische Thätigkeit. Als wahren Volksfreund lernt man ihn in seinen Schriften kennen, in den „Heimischen Kinderreimen“, in „Aberglauben und Sagen aus dem Herzogthum Oldenburg“ und in den „Oldenburger Spaziergängen und Ausflügen“. Auch die von ihm der „Gartenlaube“ gewidmeten Artikel behandelten oldenburgische Sehenswürdigkeiten. Hätte jedes deutsche Land solche treue Pfleger der Heimathkunde, so wäre damit zur Vervollständigung des Gesammtbildes unseres Vaterlandes viel gewonnen.




Den Schluß des Carus Sterne’schen Artikels „Charles Darwins neue Beobachtungen über das Bewegungsvermögen der Pflanzen' (vergl. Nr. 14) können wir wegen mangelnden Raumes in dieser Nummer leider nicht zum Abdrucke bringen. Wir gedenken dieses Versäumniß in Nr. 17 nachzuholen.




Kleiner Briefkasten.


Ed. St. in L. Bitte sehr! Einen eingehenden Artikel über die Boers und ihr Land haben wir unseren Lesern bereits in Nr. 11 des Jahrgangs 1880 geboten. Derselbe orientirt über die gesammten Verhältnisse unserer südafrikanischen Stammverwandten.

Consul H. in L. Sie hatten die Güte, uns Nr. 70 und 71 des Berner „Bund“ zu übermitteln. Ein Anonymus polemisirt daselbst in dem Artikel. „Wider deutsche Ueberhebung“ mit großem Feuereifer gegen unsern Aufsatz „Die frommen Landsknechte“ (vergl. Nr. 7 und 8). Wir verstehen nicht, wie der eidgenössische Nationalstolz sich durch diese historische Studie beleidigt fühlen konnte. Jedem aufmerksamen Leser der „frommen Landsknechte“ wird es einleuchten, daß jene Abhandlung nichts weniger beabsichtigt, als aus „deutscher Ueberhebung“ den Ruhm der eidgenössischen Waffentüchtigkeit zu schmälern; sie gedenkt nur mit Entrüstung des verkauften tapferen deutschen Blutes, um unseren Lesern auf Grund eines Vergleiches zwischen Sonst und Jetzt die Errungenschaften des heutigen politischen Fortschritts zu veranschaulichen. Was wir bei dieser Gelegenheit in kurzen Worten und nur nebenbei über die schweizerischen Söldner gesagt haben, ist nicht, wie der „Bund“ glauben machen möchte, eine willkürliche Geschichtsfälschung, auch nicht die Stimme eines Einzelnen, sondern vielmehr die Meinung hervorragender Historiker, wie Ranke und Berthold. Im Uebrigen können wir Ihnen versichern, daß wir für das schweizerische Volk und seine ruhmreiche Vergangenheit von den wärmsten Sympathien durchdrungen sind und uns zu unmotivirten Angriffen gegen die Schweiz niemals hergeben würden. Diese unsere Antwort gilt jedoch nur Ihnen, Herr Consul. Angriffe des Berner „Bund“ lassen wir unerwidert, da diese Zeitung uns jüngsthin in einer Weise angegriffen hat, die jede anständige Polemik ein für alle Mal unmöglich macht. Wir haben dabei jenen sehr ungenirten Reclame-Artikel des Berner Blattes im Auge, welcher bei Anpreisung eines politisch völlig farblosen belletristischen Journals die „Gartenlaube“ der Gesinnungslosigkeit bezichtigt, um jenem Blatte, dem wir jedoch mit diesen Zeilen keineswegs unfreundlich begegnen wollen, dadurch ein größeres Relief zu geben - ein Vorgang, der uns um so mehr jeder Auseinandersetzung mit dem Berner anonymen Scribenten überhebt.

C. S. in W. Die Zinsen des zu sammelnden Fonds der Martini-Stiftung in Hamburg (zu Ehren des dort vor Jahresfrist verstorbenen genialen Arztes Dr. Erich Martini) sollen in Form von Stipendien für Studirende, in Preisen für die beste wissenschaftliche Verwerthung der in Hamburger Krankenanstalten gemachten Beobachtungen und in Unterstützungen junger tüchtiger Aerzte bei ihrer Niederlassung in Hamburg verwendet werden, und nimmt die dortige Reichsbank- Hauptstelle für die Martini-Stiftung Beiträge gern entgegen, deren recht zahlreichen Eingang wir im Interesse der guten Sache nur wünschen können. Ein Dr. Martini-Monument hat auf dem Grabe des Verstorbenen als ein Ehrendank der Bürgerschaft Hamburgs seinen Platz gefunden.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 272. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_272.jpg&oldid=- (Version vom 26.6.2023)