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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

bemerkter Ueberrest vorhanden ist. Der Untere stellt ein von einem Graben umgebenes Parallelogramm dar, dessen Wände noch gegen fünfzehn Fuß hoch sind, und ist aus großen Bruchsteinen aufgeführt. Aehnliche Ringwälle finden sich auch auf dem Tönsberge und der Herlingsburg bei Schieder; sie gehören in die Reihe dieser an mehreren Orten Niederdeutschlands bis zur Meeresküste sich findenden sonderbaren Befestigungen (eine der bedeutendsten ist die Pipins-Burg im Lande Wursten), deren Ursprung bis jetzt völlig unaufgeklärt ist; hier auf der Grotenburg kommt hinzu, daß sich zugleich zwei derartige Befestigungen finden, von denen die eine sich förmlich wie ein Außenwerk zur andern verhält.

Die Schilderung des Denkmals unterlassen wir; sie hat seiner Zeit überall und auch in der „Gartenlaube“ ihren Platz gefunden. (Siehe Jahrg. 1853 S. 120; Jahrg. 1860, S. 605; Jahrg. 1872, S. 441; Jahrg. 1875, S. 357, 638.) Doch können wir nicht ohne ein Wort pietätvoller Erinnerung an dem Blockhäuschen vorübergehen, das zur Rechten des Weges im Schatten der Bäume liegt; hier schuf Bandel mit deutschem Idealismus und germanischer Zähigkeit an seiner patriotischen Lebensaufgabe, der Herstellung seines „Hermann“; wenn der Frühling in die Berge kam, dann stieg auch er zu seinem Berge hinauf – jetzt ist das Häuschen verschlossen; der hier den Meißel schwang, ruht für immer aus von dem Streben und Ringen seines Lebens, aber ihm war doch vor seinem Ende noch das Glück beschieden, sein Werk vollendet und von Kaiser und Nation gefeiert zu sehen.

Von der Gallerie des Denkmals genießt man einen außerordentlich schönen Rundblick; zu unsern Füßen nach Süden und Westen hin liegen die gewölbten Bergrücken und die dunklen Thäler des Gebirges, dessen malerischen Zug wir bis über Bielefeld hinaus verfolgen können; im Westen dehnt sich die westfälische Ebene, nördlich mit der Porta Westphalica beginnend, das ganze den Horizont umfassende Wesergebirge und näher heran das Werrethal mit Herford, Salzufeln und Lemgo. Oestlich erhebt sich der stattliche Köterberg, während weiterhin im Süden der Habichtswald in Hessen und südwestlich sogar die rheinischen Berge in bläulicher Ferne den Horizont abschließen.

Nach Westen die Grotenburg niedersteigend, gelangen wir in das von herrlichen Buchen bestandene Haidenthal, eines der schönsten des Gebirges, das sich nach Norden öffnet. Dieser Richtung folgend, zur Rechten das anmuthig am Abhange der Grotenburg gelegene Dorf Hiddesen, zur Linken einen den niederdeutschen Charakter stark hervorhebenden Haiderücken mit malerischen Sandstürzen, erreichen wir die von Eichen, Buchen, Tannen dicht beschattete Lopshorner Chaussee, die uns zu dem Donoper Teiche führt. Wem es jedoch auf einen kleinen Umweg nicht ankommt, ganz besonders aber derjenige, welcher, mit der Geschichte der Römerkämpfe vertraut, die Schilderung der Wälder und verhängnißvollen Sümpfe kennt, die das Grauen der Römer hervorriefen, der nehme unter Führung eines Hiddeser (denn sonst ist es gefährlich) den Weg quer durch das Bent, ein sumpfiges Moor, nach dem kahlen Eheberge; er wird sich plötzlich mitten in eine an jene Schilderung erinnernde Scenerie versetzt sehen – düsterer, braunschwarzer Moorboden, hier zwischen Sumpfgras und einem wilden Gewirr von Farren, Disteln und Wachholderbüschen in Sumpflachen hervortretend, dort dem Auge Massen eigenthümlicher beerentragender Höcker und kleine Teiche bräunlichen Wassers bietend, von haidekrautbewachsenen Sanddünen umgeben, zwischen denen nach Norden zu einige Hünengräber liegen.

Der Donoper Teich ist ein anmuthig in der Tiefe zwischen Nadel- und Laubholz gelegenes stilles Gewässer, das namentlich einen stimmungsvollen Eindruck macht, wenn auf dem nahen Bergrücken die untergehende Sonne ruht und im Glanz derselben die Grotenburg mit dem Hermanns-Denkmal herüberwinkt. In der Nähe des Teiches sprudeln Quellen, darunter eine eisenhaltige, aus dem Boden. Haben wir von hier aus eine Nadelholzwaldung durchschritten, so befinden wir uns plötzlich vor einer ganz anderen eigenartigen Scenerie – vor einer öden Haidelandschaft von wilder Großartigkeit; dunkle, von Sandstürzen zerrissene und von Sumpfstrecken umgebene Haidehügel steigen, allmählich zu kleinen Bergen anwachsend, nach dem Gebirge hinan, das in geschwungenen Linien den Horizont abschließt, dieses Terrain aber ist mitten durchbrochen von dem alten, größten und meilenweit einzigen Passe des Gebirges, der Dörenschlucht, welche wohl in den verschiedensten Zeiten der Schauplatz von Kämpfen gewesen ist und wo nach der Clostermeier’schen[WS 1] Ansicht Varus zurückgeworfen und seitwärts in das Gebirge gedrängt wurde, das er nicht wieder verlassen sollte. Auffällig ist es, daß man nicht, wie man vermuthen sollte, Befestigungen dieses wichtigen Passes findet; Nachgrabungen welche in den letzten Jahren stattgefunden haben, ergaben keine Resultate.

Neben der Dörenschlucht ersteigen wir den großen Eheberg, und aus dem Schatten des Buchenwaldes heraustretend, genießen wir einen überraschenden Anblick – zu unsern Füßen senkt sich das Gebirge in eine endlose Ebene hinab, in eine Steppe, die erst in weiter Ferne angebautem Lande Platz macht: die Senne, welche ein Theil der bis an die Ufer der Elbe sich hinziehenden niederdeutschen Haidelandschaft ist. Als verschluckte der Boden das helle Sonnenlicht, so streckt sich die düstere Haidefläche, im prachtvollen Contrast zu den grünen Waldbergen, weit, weithin, bis allmählich die dunklen Farben milder und lichter werden und endlich die Ebene, zu bläulichem Dunst sich anflösend, in den Aether übergeht.

Südwärts führt uns die Straße nach Lopshorn einem Jagdschlößchen mit Meierei, das als Mittelpunkt des berühmten (in Wort und Bild in Nr. 14 dieses Jahrg. dargestellten) Sennergestütes lebhaftes Interesse erweckt. Schon ehe man zu den Gebäuben selbst gelangt, zieht sich ein weiter Kamp der Stüterei neben der Straße hin, von einzelnen alten, mächtigen Eichen bestanden.

Von Lopshorn wenden wir uns über Hartröhren, ein einsames Forsthaus, schattige Waldwege entlang nach dem Winfelde, einer mächtigen Grasfläche, welche, sich vom Kamm des Gebirgs bis zur Senne hinabziehend, dem von Westen Herankommenden schon weithin in’s Auge fällt; von der Höhe derselben hat man einen weiten Blick über die westfälische Ebene nach Münster hin. Vor uns liegt das Quellengebiet der Lippe und der Ems. Weiter nach Südwesten erblicken wir Paderborn, die Bischofsstadt, näher am Gebirg Lippspringe, den für Brustleidende wunderthätigen Badeort, zu Füßen des Winfeldes wieder die Senne.

Nach links den Berg hinuntersteigend, gelangen wir in das Thal der Berlebeck, deren Quellen dicht am Wege, von prächtigen Buchen umstanden, aus einem Felsenschacht hervorsprudeln. Nicht weit davon erhebt sich isolirt der Bergkegel, welcher einst die Falkenburg trug. Dem Laufe der Berlebeck folgend, gelangen wir in das Dorf gleichen Namens, welches, an der Mündung des Thales anmuthig auf den beiden Berghängen gelegen, viel als Sommerfrische benutzt wird. Von Berlebeck wenden wir uns, die Große Egge überschreitend, nach den Externsteinen, oder, wie sie im Volksmunde schlechtweg heißen, „den Steinen“, einer Gruppe von durch Ausspülung grotesk gestalteten Sandsteinkegeln, wie sie die sächsisch-böhmischen Gebirge in großen Massen und von mächtiger Höhe aufweisen. Am malerischsten nehmen sie sich von dem an ihrem Fuße liegenden Teiche aus. Was diesen Felsen in den Augen auch des Fremden einen außerordentlichen Werth verleiht und weshalb sie von Jedem, der den Teutoburger Wald bereist, aufgesucht werden sollten, das sind die berühmten Sculpturen, welche sich an dem einen Felsen befinden. (Eine Ansicht von der Landseite her, sowie eine Abbildung der Sculpturen brachte die „Gartenlaube“ bereits im Jahrg. 1862, S. 380 f.)

Von den Externsteinen sich südlich wendend, gelangt man durch frische, schattige Waldthäler nach Velmer Stoot, der, wie schon gesagt, höchsten Erhebung des Gebirges, und von da zu den bei Veldrom gelegenen drei Höhlen dem Lukenloch, dem Bielstein und dem Hohlenstein, welch letztere Höhle die sehenswertheste ist und bei der sich gleichfalls jene Eigenthümlichkeit der Volkssage wiederholt, welche Höhlen deren Endverlauf man nicht kennt, mit den nächstliegenden bedeutende Orten, Burgen u. dergl. in Verbindung bringt. Bei dieser Höhle hat sich die Sage sogar das ferne Paderborn als Endpunkt ausgewählt.

Für Sommerfrischler, welche in alljährlich zunehmender Anzahl den Teutoburger Wald aufsuchen, bietet derselbe Vorzüge, wie sie sich nur bei sehr wenigen anderen Sommerfrischen finden – erstens eine prächtige Wald- und Gebirgsnatur, zweitens große Billigkeit, und endlich drittens die Vortheile einer Stadt, da Detmold unmittelbar am Fuße des Gebirges liegt.

Es sind überhaupt nur zwei Dörfer, Hiddesen und Berlebeck,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Clostermayer’schen
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 494. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_494.jpg&oldid=- (Version vom 30.7.2023)