Seite:Die Gartenlaube (1862) 567.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

gebracht, worauf es rasch mit dem wallfischartigen breiten Rücken über die Oberfläche sich emporschwingt und seine 64-Pfünder entladet. Die Luken schließen, das Schiff geht wieder in die Tiefe, ladet von Neuem und setzt so seine Angriffe fort, bis die Nothwendigkeit der Lufterneuerung es nöthigt, die sichere Entfernung unter dem Wasser zu gewinnen, wo es wieder auf dem Meere erscheint. Der Gewichtsverlust, den es durch das Verschießen seiner Munition erleidet, wird durch eine entsprechende Masse Wassers ausgeglichen, das in die Reservoirs zu den Pumpen tritt. Es ist keine Frage, daß ein solcher Gegner selbst einem Merrimac und Monitor unheimlich genug sein würde, um für den Küstenschutz Werth zu gewinnen.

Ebenfalls auf Veranlassung des Großfürsten Constantin construirte Bauer in sehr sinniger Weise einen Apparat, um den Schiffen (namentlich von der Newa und dem Petersburger Hafen aus) einen Weg in das Meer durch das Eis früher zu bahnen, als die Natur dies durch das Aufthauen desselben thut. Dieser Eisschneider oder Eiscanalbrecher, oder wie man ihn heißen will, besteht aus zwei auf einem eigens dazu erbauten Dampfboote wirkenden Kreissägen und einer Vorrichtung, durch welche die ausgesägten Eisstücke nicht nur abgebrochen, sondern zugleich zur Seite auf die Eisfläche hinausgeschoben werden. Die Maschine arbeitet sehr schnell und kann fähig gemacht werden, durch das dickste Eis und für die größten Schiffe in kurzer Zeit den nöthigen Canal herzustellen.

Das furchtbare Schicksal der mit der „Austria“ Untergegangenen lenkte Bauer’s Aufmerksamkeit auf die den Schiffen gewöhnlich mitgegebenen Boote, und er fand, daß selbst die sogenannten Lifeboats, Schwimmer und sonstigen Rettungsapparate nur wenig Vertrauen einflößten. Darum stellte er sich die Aufgabe, ein Rettungsboot zu bauen, welches „1) genügenden Raum für zwanzig Menschen biete, 2) Proviant für zwanzig Menschen auf zehn Tage erhalte, 3) wenn auch völlig mit Wasser gefüllt, dennoch weder untergehe noch kentere, 4) auf dem Deck des Schiffes nur für seine Höhe und Länge und 1 Fuß 6 Zoll Dicke Raum wegnehme, 5) beim plötzlichen Gebrauch ohne besondere Sorgfalt und nur nach vorangegangenem Aufschneiden der Bandage zum Behufe des Oeffnens über Bord geworfen werden könne, 6) sowohl leer als beladen unempfindlich gegen Stöße von Schiffen sei, 7) im Nothfall mittelst einer mit der Hand getriebenen Schraube fortbewegt werden könne und 8) Compaß und Steuer untrennbar besitze.“ Das Material dieses Bootes besteht aus einer Substanz, die vor der Hand noch Bauer’s Geheimniß ist; denn wie oft und günstig auch besprochen, blieb doch auch dieses Bauer’sche Werk bis jetzt unausgeführt. –

Auch der Zustand des deutschen Küstenschutzes mußte das Auge des Patrioten auf sich ziehen. Er führte ihn zu einer Erfindung, die abermals nicht aus der Luft, sondern aus eigener ernster Erfahrung im schleswig-holsteinschen Kriege gegriffen ist: zu seinen schwimmenden Revolver-Batterien. Ich habe schon bei der Schilderung des Kampfes zwischen dem Merrimac und Monitor (Nr. 18, S. 286) darauf hingewiesen, daß die deutsche Saumseligkeit oder vielmehr die vielen Vorurtheile, an welchen besonders in militärischen Dingen jeder Besserungsvorschlag, der nicht von stark Epaulettirten ausgeht, anstößt und in der Regel scheitert, es abermals verschuldet, daß eine deutsche Erfindung nicht zu der ihr gebührenden Ehre der ersten praktischen Ausführung und darum allgemeiner Anerkennung gekommen. Die rotirende Batterie, die den Sieg des Monitor entschied, war längst ausführlich in Plan und Beschreibung fertig und bereits der Prüfung deutscher Militärstaaten vorgelegt worden. Sie hatte alle möglichen Beurtheilungen gefunden, von begeisterter Würdigung, kaltem Anschauen über die Achsel bis zu grober Zurückweisung,[1] nur Anwendung fand sie in Deutschland nicht. Als aber der Ruhm des Monitor als einer englisch-schwedisch-amerikanischen Erfindung über den Ocean donnerte, da sandte man von gewisser deutscher Seite eine Commission nach Amerika, um eine Einrichtung zu studiren, die, neben der vollendeten Bauer’schen, die man kurz vorher fast mit Hohn zurückgewiesen, noch im Zustand der Kindheit ist! –

Ueber das Wesen dieser Batterien selbst hier nur wenige Worte. Bauer, der den Werth des Wassers ganz besonders zu schätzen weiß, hat es auch zum Träger seiner Batterien gewählt, daher sie schwimmende sind. Auf dem runden Schwimm- und Tragkörper von Holz erheben sich Krönung und Brustwehr von Erde mit leichter Blechbekleidung. Brustwehr und Traversen decken die Geschütze und Mannschaft vor Horizontal-, Front- und Defilirfeuer; hinter ihrem Kranze liegt, den Kern des Ganzen bildend, das bombenfeste Blockhaus mit einzelnen von einander abgeschlossenen Casematten. Die Munition ist in den Handmagazinen unter der Brustwehr gesichert und durch das Blockhaus vor Rückenfeuer geschützt. Auf dem Blockhaus ist eine Ringbatterie angebracht, welche die mit Kleingewehrfeuer das Terrain beherrschende Infanterie und die Raketengeschütze deckt. Die ganze Batterie wird in dem für sie ausgegrabenen Bassin mittelst Propeller oder Zahngestänge um eine feststehende und von einem starken Roste umgebene Achse bewegt, einem Schafte, auf welchem auf dem Deck des Blockhauses ein fester Standpunkt für den Commandirenden (den Richtmeister) und die Visirröhre bestimmt ist. Von hier aus kann sowohl die Umgegend, die etwaige Annäherung eines Feindes, als auch der Rundgang der Geschütze ruhig beobachtet werden. Das Eigenthümlichste und Interessanteste bei dieser Batterie ist aber das, daß nicht der Kanonier sein Geschütz zu richten und zu entzünden hat, sondern daß dieser wichtigste Theil des Dienstes einzig Sache des Richtmeisters ist. Die Zündung geschieht nämlich durch eine elektrische Batterie, deren Funken der Richtmeister zu dem Punkte hinleitet, wohin er das Feuer und so lange er dies für nöthig hält. Das Feuer kann gegen zwei und drei Objecte im Halbkreis zugleich gerichtet werden. Ueber die großen Vortheile dieser Batterie, das Genauere ihrer Einrichtung, die Stärke ihres Erdwerkes, die Befestigung des Schwimmkörpers in Flußmündungen, Lagunen und Meeren u. dergl. muß ein besonderer Artikel berichten, in welchem wir, unterstützt von einer Illustration, näher in die technischen Einzelheiten eingehen können.

Nur eine Bemerkung, die finanzielles Gewicht hat, können wir unsern Lesern nicht vorenthalten. Bauer thut mit überzeugender Klarheit dar, daß bei einer entsprechenden Vereinigung von seinen Batterien 500 Kanonen mehr leisten, als bei den Festungsbauten und Strandbatterien nach alter Art 2000 in allen Winkeln festgebannte Geschütze. Das ist ein Rechenexempel auch für Volksvertreter. Wer die Summen beachtet, welche ein großer Staat nur für die Waffe der Festungsartillerie verausgabt, und zu der Einsicht kommt, daß Tausende der kostspieligen Geschütze wie verwunschene Einsiedler auf ihrem Flecke stehen und warten müssen, bis sich vielleicht nach Jahrhunderten einmal ein Feind in ihren Schartenwinkel verirrt, der wird einer „Neuerung“ nicht abhold sein, die auch in diesem Punkte eine bedeutende Ersparniß oder wenigstens eine zweckmäßigere Verwendung der Staatsgelder möglich macht.

Zwei andere Erfindungen W. Bauer’s, das Schiffheben mittelst sog. unterseeischer Kameele und die Taucherkammer haben wir unsern Lesern (Nr. Nr. 4 u. Nr. 21 dieses Jahrg.) bereits in Wort und Bild vorgelegt.

Mit den drei nächsten Erfindungen, dem Kabelschneider und hauptsächlich dem Kabelträger und der Kabelauslege-Maschine, kommen wir zur großartigsten Anwendung von Bauer’s unterseeischen Apparaten, die ihren Triumph einst selbst um die Erde zu tragen bestimmt ist. – Da unsere nächste illustrirte Mittheilung über Bauer’s Erfindungen gerade sein „telegraphisches Kabel“ behandelt, so können wir uns hier auf wenige wesentliche Andeutungen über den Kabelschneider beschränken. Wenn nach der bisherigen Weise der Kabellegung, d. h. auf den Grund des Meeres, ein Kabel die Leitungsfähigkeit verlor und man den Fehler untersuchen wollte, so mußte man an einer Stelle das ganze Kabel an das Niveau emporheben oder vielmehr emporzerren, emporreißen, und man brach ihm, nach Bauer’s drastischer Ausdrucksweise, noch ehe es wieder an’s Licht kam, das Rückgrat. Um diesem Uebelstand abzuhelfen, construirte Bauer ein aus zwei Theilen zusammengesetztes Instrument, an deren jedem ein Tau befestigt ist. Dieses Instrument wird an den nöthigen Verbindungsmitteln auf den Meeresboden gelassen und vom Schiffe aus auf ihm hingezogen.

  1. Jede Erfindung hat ihre Geschichte, aber wenige werden von dem besondern Interesse sein, welche fast jede der Bauer’schen Erfindungen auszeichnet – durch die Persönlichkeiten, welche im Schicksale derselben eine Rolle spielen. Diese Geschichte wird noch geschrieben, und ich glaube das reichste Material dazu zu besitzen. Es steht darin mancher große Herr in nicht besonderem Glanze. Aber gerade das Verhalten der höheren Kreise in dieser Angelegenheit muß mit aller Strenge der Wahrheit hingestellt werden, nicht etwa in irgend welcher unbilligen Absicht, sondern damit man dort vielleicht einsehen lerne, daß jeder Zusammenhang mit einer öffentlichen That Jedermann dem öffentlichen Urtheil unterwerfe, und damit eine solche Lehre künftigen deutschen Erfindern vielleicht zu Gute komme.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 567. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_567.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)