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verbannt, kehrte aber später nach Ephesus zurück und starb hier in ruhigem Alter, indem er sich in die zuvor gegrabene Grube selbst hineinlegte und nicht mehr erwachte. Die nach seinem letzten Willen zugedeckte Grube wurde nach einigen Tagen wieder geöffnet und die Leiche nicht mehr gefunden. Daher die Sage, er lebe noch. Auf einem altdeutschen Holzbilde in der Abel’schen Sammlung zu Stuttgart sieht man das leere Grab unmittelbar unter dem Altar, das Grab aber ist mit runden Scheiben gefüllt, die wohl Geld oder Brodt bedeuten und sich auf die an dem Grabe geschehenen Wunder beziehen mögen.

Des Evangelisten Johannes Attribut ist vor Allem der Adler (vgl. die Artikel Adler, Cherubim und Evangelisten). Unter allen Evangelisten schwang sich Johannes in der That am höchsten auf. – Sein zweites Attribut ist der Kelch, über dem sich eine Schlange windet. Das bezieht sich auf die Legende, nach welcher er einmal einen Becher voll Gift ohne Schaden trank; die Schlange ist ein Sinnbild des Gifts. Man hat es aber auch aus der alten Symbolik des Heilgottes Aesculap herleiten wollen, denn die Schlange galt als Sinnbild der geheimen Lebenskraft unter der Erde oder auch als Sinnbild der sich schlängelnden Sonnenbahn, der unzerstörlichen, auf der die Sonne immer neues Leben schafft. Die Heilsschlange wurde auch von den Aegyptern verehrt. Sie war hier also ein nur aus dem ältern Heidenthum entlehntes Sinnbild für das Heil des Evangeliums. Doch darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass der Tag des Evangelisten Johannes, der 27. Dezember, genau drei Tage nach der Wintersonnwende, wie der Tag des Täufers (24. Juni) drei Tage nach der Sommersonnwende festgestellt ist. In dem erstern erneuert sich das Jahr, nachdem das alte abgestorben ist. — Man bezieht den Kelch auch auf das Mundschenkenamt des Evangelisten Johannes, sofern er das letzte Abendmahl für den Heiland besorgt habe. Der Kelch in des Evangelisten Hand erklärt auch die mittelalterliche Sitte des St. Johannistrunkes oder der St. Johannisminne. Man trank nämlich

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 450. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_450.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)