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Adler.

Dieser Vogel fliegen am höchsten, scheint unmittelbar aus dem Aether zu kommen, hat die schärfsten Augen, ist der stärkste unter den Vögeln, daher ein Sinnbild der Allmacht und Allwissenheit, überhaupt des göttlichen Geistes. Im 2. B. Mos. 19, 4. spricht der Herr: „Ihr habt gesehen, wie Ich euch getragen habe auf Adlerflügeln und habe euch zu Mir gebracht.“ Vgl. 5. B. Mos. 32, 11. Bei Ezechiel 17. [32] bricht der Adler den höchsten dürren Zweig von der Ceder vom Libanon ab und pflanzt ihn auf den Berg Israel, dass alle Vögel unter ihm wohnen mögen; während umgekehrt ein Weinstock unter den günstigsten Umständen verdorrt, „auf dass alle Bäume erfahren, dass Ich der Herr den grünen Baum ausgedorrt und den dürren grün gemacht habe.“ Ezechiel (10.) erblickt in einem Traumgesicht Gott von vier mystischen Thieren getragen (Adler, Löwe, Stier und Mensch).

Der heilige Hieronymus bezog diese Sinnbilder auf Christus, und sah im Menschen dessen Geburt, im Stier dessen Opfertod (entsprechend dem Mithrasopfer), im Löwen dessen Auferstehung und im Adler dessen Himmelfahrt. Mehr davon im Artikel Cherubim. Die Vorstellung ist wohl aus den altpersischen und altägyptischen Flügelgestalten entlehnt, immer aber handelt es sich um Sinnbilder der göttlichen Urkräfte. Sofern die vier Thiere auch mit den Evangelien, als Offenbarungen Gottes, verglichen wurden, wurde der Adler Sinnbild des Johannes-Evangeliums und Attribut des Apostels Johannes. Auf alten Miniaturen (christl. Kunstsymbolik, Frankfurt 1839. S. 3. Twining, Symb. pl. 52.) kommt das Attribut seltsam nach ägyptischer Weise mit der Person verschmolzen vor, und man sieht den heiligen Johannes mit Adlerkopf, Adlerfüssen und Adlerflügeln, und da ihm der heilige Geist in Gestalt einer Taube aufs Ohr fliegt, kann der Adler auch hier nicht den heiligen Geist, sondern vielmehr nur die Macht und Thatkraft Gottes bedeuten. Im Mailänder Dom (Millin I. 78.) und auf Pariser Miniaturen (Waagen 380.) hält der Adler dem heiligen Johannes das Dintenfass. Giulio Romano malte den Johannes im Pallast Giustiniani schwebend auf dem Adler. Auf einem alten Bilde aus Schwäbisch Hall hackt der Adler neben dem federschneidenden Johannes einem Raben (dem Bösen) die Augen aus. Auch der heilige Augustinus hat zuweilen als Attribut den Adler bei sich, in demselben Sinne. Ebenso der heilige Ambrosius (Waagen, Paris 421.).

Sofern der Adler als wiederaufsteigend zum hohen Himmel, seiner Heimath, gedacht wurde, erscheint er als Sinnbild [33] der Verjüngung und Wiedergeburt. Im Psalm 103‚ 5. heisst es: „Lobe den Herrn, der deine Seele fröhlich macht und du wieder jung wirst, wie ein Adler.“ Bei Jesaias 40, 31: „Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler.“ Dass der altgewordene Adler den zusammengewachsenen Schnabel an einem Felsen wieder abwetzt und in einem Jungbrunnen sich verjüngt, erzählt der physiologus 6. des heiligen Epiphanius, desgleichen phys. Syrus ed. Tychsen 14, der deutsche Physiol. in Graffs Diutiska III. 35. und in Hoffmanns Fundgrube I. 33., Vincenz von Beauvais, Conrad von Megenberg und fast alle Physiologen des Mittelalters, eben so der Titurel (übers. von San Marte 269.). Als Symbol der Auferstehung Christi kommt der Adler auf einem Bilde in der Kathedrale von Lyon höchst eigenthümlich vor. Der junge Adler nämlich fliegt einer Sonne entgegen, in deren drei Hauptstrahlen drei alte Adler sitzen, welche die Dreieinigkeit bedeuten. Twining, symbols pl. 23.

Ein uraltes heidnisches Sinnbild, der gegen die Schlange kämpfende Adler (das Licht von oben, das gegen die Nacht von unten kämpft), wurde auch in’s Christenthum aufgenommen. Der heilige Ambrosius (II. de Salomone 2.) vergleicht Christum, der seine Kirche gegen den Teufel schützt, mit einem Adler, der sein Nest gegen die Schlange vertheidigt. (Doch wird der Adler als Raubthier auch mehrmals in der Bibel selbst mit dem Teufel verglichen. Die Stellen sind gesammelt bei Aldrovandi, ornithol. I. 65.) Nach der Offenb. Joh. 12, 14. bekommt die Tochter Zion, nachdem ihr neugebornes Kind vor dem Drachen von Gott gerettet ist, selber Adlerflügel, um sich aufzuschwingen. In Bezug darauf malte Rubens die Jungfrau Maria mit Adlerflügeln, wie sie mit ihrem Kinde gen Himmel aufschwebt und zugleich der Schlange den Kopf zertritt (in der Münchner Pinakothek).

Eines der erhabensten Bilder ist das in Dante’s Paradies 18, 9, wo die Seelen der Seligen im Fluge sich zusammenschaaren und am Himmel die Figur eines ungeheuren Adlers [34] bilden, sie alle durchdrungen vom göttlichen Geist, dessen Sinnbild im Adler darstellend. Im Titurel heisst es, auf jedem Kreuze des grossen Graalstempels habe ein goldner Adler gesessen, hier ebenfalls ein Sinnbild der Kraft Gottes in der Höhe.

In der Legende kehrt der Adler oft wieder als Sinnbild göttlichen Schutzes. Ein Adler brachte dem heiligen Vitus, als er noch ein Knabe war, in der Wüste zu essen. Eben so speiste er den heiligen Corbinianus. Dem heiligen Cuthbert brachte er einen Fisch. – Die Mutter des heiligen Ethelwald träumte, als sie mit ihm schwanger ging, ein goldner Adler fliege aus ihrem Munde. Ein Adler flog beständig über dem heiligen Medardus und heiligen Bertulf, und schützte sie mit seinen Flügeln vor dem Regen. Ein Adler hielt einen seiner Flügel über den schlafenden heiligen Servatinus und schützte ihn vor der Sonne, indem er ihm mit dem andern Luft zufächelte. Eben so die heiligen Lutwinus und Sabinus.

Ein Adler wachte bei der Leiche der heiligen Prisca, der heiligen Martina, des heiligen Florus, des heiligen Benedikt, des heiligen Stanislaus, und nahm von der Leiche des heiligen Severianus einen Blumenkranz, den er auf den Berg trug, wo die Leiche sollte begraben werden.

Der sogenannte Adlerfarren (pteris aquilina, Oken, Naturgesch. III. 1. 329.), auch Jesus-Christ-Wurzel genannt, hat eine Wurzel, welche, wenn man sie von einander schneidet, die Gestalt eines doppelten Adlers oder )( (Jesus Christus) zeigt.