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Adam.

Der ersterschaffene Mensch erscheint in der Genesis als das Ebenbild Gottes, bestimmt zu ewigem Leben ohne Schmerz und Sorge. Auch die ihn umgebende paradiesische Natur war in tiefem Frieden, noch kein Thier feindete das andere an. Erst als Adam sündigte, verlor er das Paradies und fiel der Sorge, dem Schmerz, dem Tode anheim, sowie auch die Harmonie und der Friede in der äussern Natur aufhörten. Doch wurde ihm und seinen Nachkommen die Erlösung verheissen. Sie empfingen zuerst das Gesetz als Schranke und Regulator ihres freien Willens und endlich die Gnade durch die Niederkunft des Herrn. – Demgemäss hat die kirchliche Tradition und Lehre in Adam vor dem Falle den wahren natürlichen, mit sich selbst und der ihn umgebenden Natur in vollkommener Harmonie befindlichen Menschen erkannt, seinen Zustand nach dem Falle aber (der uns jetzt als der gewohnte und somit scheinbar natürliche erscheint) als einen Fall in die Unnatur bezeichnet.

Abweichend von der Kirche, stellten die jüdischen Kabbalist und christlichen Gnostiker den idealisirten Adam über die Schranken des Menschlichen hinaus, und machten ihn zum Träger pantheistischer Begriffe im sogenannten Adam-Kadmon, während umgekehrt Luther den Adam nach dem Falle zu tief herabwürdigte, ihn zu einem durch und durch verdorbenen [21] Menschen machte, und ihm sogar den freien Willen zur Besserung absprach, alles Heil für ihn und seine Nachkommen der von aussen kommenden Gnade allein anheimstellend. Der Rationalismus des vorigen Jahrhunderts schwächte wieder den Begriff der Erbsünde, und stellte den Menschen als solchen wieder so hoch, dass nur noch Schwächen an ihm haften. Endlich leugneten die Naturforscher, dass es überhaupt ein erstes Menschenpaar gegeben habe, und nahmen deren so viel an, als es Menschenracen gibt.

Auf den ältesten Kirchenbildern sind Adam und Eva vor dem Falle noch insofern als Ebenbilder Gottes idealisirt, als sie (die nicht geboren, sondern geschaffen wurden) keinen Nabel haben und auch geschlechtslos erscheinen. Didron, manuel p. 78. Das Letztere scheint gerechtfertigt, sofern Jehovah der Eva erst nach dem Falle Kinder verhiess, und sofern Adam und Eva vor dem Falle zu einem ewigen Leben berufen waren. Die Geburt der Nachkommen und der Tod der Eltern setzen einander voraus. Im Paradiese war indess schon vorher den Thieren Fortpflanzung geboten.

Adams Erschaffung aus dem Erdenkloss ist nur selten und nur von naiven Anfängern in der Kunst gemalt werden. Gewöhnlich zeigen ihn die Kirchenbilder schon fertig. Michel Angelo hat in einem berühmten Bilde der sixtinischen Kapelle in Rom den Augenblick gewählt, in welchem der eben fertig gewordene Adam nur noch mit der Fingerspitze die Fingerspitze Gottes berührt, so dass alles grobe Formen aus Lehm vermieden und die Schöpfung nur wie eine elektrische Berührung erscheint.

Auf Bildern des Sündenfalls steht der Baum mit dem Apfel in der Mitte, um ihn windet sich die Schlange, Adam steht zur Rechten, Eva zur Linken; umher Thiere des Paradieses, die häufig von den Künstlern im symbolischen Sinne ausgewählt sind. Vgl. Heller, A. Dürer II. 2. 342. Gewöhnlich finden sich eitle, schlaue und lüsterne Thiere (Pfau, Papagei, Fuchs, Katze, Tiger etc.) auf Eva’s Seite; gutmüthige, dumme Thiere (Ochs, Kameel etc.) auf Adams Seite.

[22] Gar seltsam ist eine plastische Darstellung des Sündenfalls in der alten Templerkirche zu Schöngrabern in Oesterreich. Der Baum spaltet sich hier, so wie er aus der Erde kommt, in zwei Stämme; Adam, an dessen Schulter sich ein Hund lehnt, ist ityphallisch, und statt der Schlange ist nur ein unförmliches Zerrbild mit grossem grinsenden Kopfe zugegen. Dieses Bild eröffnet eine Reihe anderer, in denen dieselben Figuren wiederkehren, und die den Kampf des guten und bösen Princips im Menschen auszudrücken scheinen. Doch sind die Allegorien dunkel und die Bilder selbst zum Theil durch Alter und Beschädigung undeutlich. Beschreibung der Gotteshäuser in Oesterreich und Bayern, 1821. II. 121.

Ein ityphallischer Adam kehrt öfter in den Bildern des Sündenfalls wieder, die in den Vorhallen der Kirchen gemalt wurden.

Die Vertreibung Adams und Eva’s aus dem Paradiese wurde ehmals mit den Büssern in den Kirchen wiederholt. Am Aschermittwoch zogen die Büsser barfuss im Sack in die Kirche, wurden hier mit Asche bestreut und über ihnen gebetet; dann aber wurden sie mit der Kreuzfahne aus der Kirche und erst am Gründonnerstag wieder eingelassen. Jamin, Gesch. der Kirchenfeste S. 101.

Zu Halberstadt war es ehmals Brauch, einen mit Lumpen bedeckten Mann, der sein Haupt verhüllt hatte, unter dem Namen Adam von Fastnacht bis Gründonnerstag im Namen der ganzen Stadt Busse thun, unstet umherirren, nur vom Almosen leben und endlich absolviren zu lassen. Flögel, Gesch. des Groteskkomischen 178.

Adam nach dem Falle als Vorbild der Büssenden. Die gemeinste Vorstellung ist Adam mit der Harke den Acker bauend, Eva spinnend. Im Halberstädter Dom hat der Tod Adam und Eva an einer Kette und der Teufel geigt dazu. Fiorillo II. 159. Tod und Teufel befinden sich auch hinter Adam auf einem Bilde in der Nürnberger Morizkapelle. Kugler, Gesch. der Malerei II. 136. – Nach einer alten Legende sollten Adam und Eva jedes abgesondert vierzig Tage lang [23] im Flusse Jordan Busse thun und, wenn sie das aushielten, wieder in’s Paradies zurückkehren. Adam hielt treulich aus, aber Eva liess sich durch den Teufel in Engelsgestalt bereden, zu früh hinauszugehen, so dass sie abermals durch ihren Vorwitz das Heil verscherzte. Chronik des Rudolf von Hohenems.

Adam-Kadmon ist die Bezeichnung für den mit Christo identificirten Adam. Diese Vorstellung ist pantheistisch, ursprünglich indisch‚ dann in die sogenannte kabbalistische Weisheit der Juden eingedrungen und endlich auch von häretischen Christen adoptirt. Wie nach indischer Lehre in der Urzeit Brahma mit der Maja (seiner Einbildungskraft) die Welt zeugte, so ging nach der jüdischen Kabbala aus Gott unmittelbar Adam-Kadmon als Mannweib hervor, theilte sich aber in den männlichen Logos (Christus) und in die weibliche Sophia (Weisheit, heiliger Geist). Ferner gingen aus ihm hervor die zehn Sephiroth, welche Erzengel und höchste Weltkräfte, aber auch die Zonen des Raumes und insofern nur Glieder seines, des Adam-Kadmon, eignen Leibes sind, denn er ist die Einheit alles Geschaffenen, die Welt selbst. Gfrörer, Jahrhundert des Heils I. 332; dessen Kirchengesch. I. 121. v. Meyer, das Buch Jezirah 1830; dessen Blätter für höhere Wahrheit IV.

Noch phantastischer fassten die Manichäer das Bild auf. Mani lehrte, als Gott die Sonne erschaffen habe, um überall in der Welt himmlisches Licht und Segen zu verbreiten und die höllische Macht zu besiegen, seyen die Teufel in Zorn und Bitterkeit ergrimmt, und Saklas, der Oberste der Teufel, habe die Kinder aller andern Teufel gefressen, um sich mit ihren sämmtlichen Kräften zu stärken, und dann mit der Teufelin Nebrod ein Kind gezeugt, das alles Feuer der Hölle in sich vereinigen, zugleich aber auch alle noch in den Teufeln, als gefallenen Engeln vorhandene Keime des Lichts wie in einem Kerker in sich fassen sollte, um sie jeder sympathetischen Berührung mit dem himmlischen Lichte zu entziehen, ein aus der Tiefe geschöpftes Gegenbild der aus der Höhe geschöpften Sonne. Und dieses Teufelskind war der erste Mensch, Adam. Doch Gott sah vom Himmel herab und erkannte [24] in dieser Zeugung des Teufels, durch welche die in den gefallenen Engeln zerstreuten Lichtkeime alle in ein neues Wesen hinübergeführt wurden, ein Mittel, eben diese Keime der Dämonenwelt zu entziehen und zum verwandten Lichte des Himmels zurückzuführen. Er wollte also nicht dulden, dass diese Keime künftig im Menschen wie in einem Kerker verschlossen würden, sondern ihnen einen Weg zum Himmel offen halten. Darum nahm er selbst auf magische Weise Theil an der Zeugung Adams und fügte, dass die Nebrod im Momente der Empfängniss in die Sonne sehen und in derselben das reine Urbild der menschlichen Gattung, die strahlende Schönheit Jesu Christi erblicken musste. Sein Abbild ging nun in ihr Kind über und Adam trug, obgleich von teuflischem Samen erzeugt, die Signatur des Gottmenschen, und das menschliche Geschlecht wurde dadurch fähig, sich über die teuflische Welt zu erheben und die in ihm aus der Hölle geretteten Lichtkeime zum Himmel zurückzuführen. Dies kann der Mensch aber nur, lehrte Mani, wenn er aller Sinnlichkeit gänzlich entsagt, daher auch die Fortpflanzung hemmt und das ganze in Sünde erzeugte Geschlecht möglichst bald aussterben macht.

Eine andere christliche Sekte, die der Gnostiker, die sich wieder in mehrere Sekten theilte, versenkte sich in nicht minder staunenswürdige Phantasien.

Die Valentinianer lehrten: Gott schuf dreissig Aeonen oder Urgeister, je einen männlichen und einen Weiblichen. Aber nur der erste männliche Aeon, Nus, hatte volle Einsicht in die ewigen Dinge. Darüber wurde der letzte weibliche Aeon, Sophia, neidig, trennte sich von den andern, suchte in der Finsterniss ausserhalb des Himmels unruhig umher und gebar die Achamoth, welches eben der in ihr wohnende Geist der Unruhe und Finsterniss selbst war. Dieses dunkle Wesen trachtete nach dem Lichte und Gott schuf ein neues vollkommen reines Lichtwesen, Christus, der sich der Aechamoth erbarmte und mit ihr den Demiurg, den Schöpfer der irdischen Natur, erzeugte. Dieser schuf in seiner neuen Welt auch [25] den Adam, aber weder Schöpfer noch Geschöpf waren so vollkommen, dass sie nicht abermals der Nachhülfe bedurft hätten, die ihnen durch die zweite Erscheinung Christi als Jesus auf Erden wurde.

Die Ophiten lehrten: Gott Vater und der heilige Geist (als Göttin) zeugten einen Sohn und eine Tochter, Christum und die Sophia-Achamoth. Die letztere verirrte sich aus dem Himmel, indem sie nach Unabhängigkeit trachtete, und gebar den Jaldabaoth oder Demiurg, schämte sich aber nachher, wollte zum Himmel zurück, konnte nicht mehr und blieb als Aether zwischen Himmel und Erde in der Mitte. Unterdess erschuf der Demiurg den Menschen Adam nach seinem Bilde. Die Sophia aber erbarmte sich Adams und gab ihm ohne ihres Sohnes Wissen etwas von ihrer himmlischen Lichtnatur. Dadurch erhob sich Adam über den Demiurg. Dieser aber ergrimmte, dass das Geschöpf mehr seyn sollte als der Schöpfer, blickte in die Tiefe der Finsterniss unter der Erde, spiegelte seinen Zorn und Hass darin ab, und dieses Bild des Hasses wurde ein selbstständiges Wesen, Satan. Der Teufel rieth nun dem Demiurg, was er zu thun habe, damit Adam dem Einfluss der Sophia entzogen werde. Sie schufen die Eva, hielten sie ihm als lockendes Bild vor und sperrten sie zusammen in’s Paradies ein. Aber Sophia schickte die Schlange (ein heilbringendes, daher von den Ophiten als Symbol des guten Geistes verehrtes Wesen), welche die ersten Menschen lehrte, vom Baume der Erkenntniss zu essen. Dadurch wurden sie abermals des himmlischen Lichts theilhaftig, aber vom zornigen Demiurg aus dem Paradiese verstossen‚ und mit des Satans Hülfe in so viel Trübsal und neue Verlockung gestürzt, dass nur die Wiederkunft Christi auf die Erde sie wieder erlösen konnte. Neander, gnost. Systeme S. 262.

Unter den abweichenden Lehren anderer Gnostiker zeichnet sich noch eine durch eine eigenthümliche Vorstellung aus (Neander S. 216): Gott schuf zwei Söhne, den Demiurg, der die irdische Welt formte, und den Adam, der das Werk seines Bruders durchforschen wollte, in der Natur aber wie [26] in einem Spiegel sein eigenes Bild erblickte, und sich (gleich dem Narcissus) so sehr darein verliebte, dass er ganz in dasselbe überging, und sein himmlisches Wesen mit dem irdischen vertauschte.

Die idealistische Auffassung, die in Christo einseitig die göttliche Natur hervorzuheben liebte, fiel nicht selten in die pantheistische Erklärung zurück. Der Satz: „Das Wort ist Fleisch geworden,“ wurde nicht blos auf die Menschwerdung des Logos gedeutet, sondern man rechtfertigte auch damit die Identificirung der ganzen Schöpfung und sichtbaren Welt mit Gott dem Sohne, indem man sagte, aus Gott dem Vater sey ausgegangen der Sohn, ursprünglich nur als Wort, das aber zu Fleisch, d. h. zu Materie, zur sicht- und greifbaren Welt geworden sey. Um sich den Ausgang der Schöpfung aus Gott und die Rückkehr in ihn zu erklären, meinte Scotus Erigena, die ursprüngliche Einheit im Schöpfer sey durch Adams, des ersten Geschöpfes, Sünde zur Vielheit entartet, und Christus habe kommen müssen, um den Adam, wie er vor der Sünde war, herzustellen, und dadurch auch die Vielheit wieder zur Einheit zurückzuführen. Baur, Dreienigkeit II. 324. Auch schon Johannes Damascenus, de fide orthod. III. 18. 241, behauptete, Christus habe als das Urbild Gottes das in Adam entstellte Ebenbild desselben erlösen müssen, und in diesem Sinne sey Christus nicht ein besonderes menschliches Individuum gewesen, sondern habe das Wesen der ganzen Menschheit an sich genommen, wie auch schon in Adam die ganze Menschheit concentrirt gewesen sey. Vgl. Dorner, die Person Christi S. 115.

Adam als Mikrokosmus, als kürzester Auszug der sichtbaren Natur, folgt aus obigen pantheistischen Vorstellungen. In der Kabbala erscheinen die Zonen des Raums als Glieder des Adam-Kadmon. So dachten die Inder sich die Welt den Gliedercomplex des Brahma; so die Skandinavier als den auseinander gefallenen Riesen Ymer. Die Herleitung des Staubes oder Thons, aus dem Adam geformt wurde, aus allen Elementen, als ein Auszug der ganzen Natur und Mikrokosmus [27] (ganz so wie in der indischen Lehre) kommt auch in der deutschen Volkssage öfter vor. Nach einer altfriesischen Sage nahm Gott zu den Knochen, aus denen er den Adam machte, Steine, zum Fleische Erde, zum Blut Wasser, zum Herzen Wind (!), zum Hirn Gewölk, zum Schweisse Thau, zum Haare Gras, zum Auge die Sonne. Haupt, Zeitschrift für deutsches Alterthum 1841. I. S. 1. Vgl. Richthofen, altfriesische Rechtsquellen 211. Grimm, deutsche Mythologie (2te Ausg.) S. 531, wo aus einem altenglischen Rituale dasselbe beigebracht wird. Die Zusammensetzung Adams aus acht Theilen der Natur kommt auch in einer Pariser Handschrift vor. Paulin, mss. fr. 4. 207.

Insbesondere werden alle Menschenracen von Adam hergeleitet, mit Bezugnahme auf seine mikrokosmische Bedeutung. So soll nach der muhamedanischen Auffassung (bei Herbelot) der Todesengel Azrael den Staub geliefert haben, aus dem Gott den Adam formte, und dieser Staub war aus den vier Weltgegenden und hatte viererlei Farben, welche in die Menschenracen übergingen. Die Juden aber fabelten, Adam habe in allen sieben Zonen der Erde Kinder gezeugt und in jeder eine andere Menschenrace, nicht zu vergessen auch die Riesen, Zwerge und Dämonen. Eisenmenger, entdecktes Judenthum I. 459.

Ziemlich beliebt war auch die Vorstellung, nach welcher die Racen, oder alle die verschiedenen Stände der Menschen, ihren Ursprung einer mütterlichen Scham und Eitelkeit der Eva verdanken sollen. Als Gott sie einmal besuchte, schämte sie sich, schon so viele Kinder zu haben, und versteckte die hässlichen. Nun begabte Gott die schönen, die er sah, und für die versteckten blieb nichts übrig, als die schwarze Farbe des dunklen Volkes und die Armuth oder das Verbrechen, die sich verbergen müssen. Hans Sachs, Werke 1560. II. 4. 83. Grimm, Hausmärchen, 5te Aufl. Nr. 180. Eine isländische Sage in Keightley, Feen I. 263. — Auch diejenigen Neger, die schon mit dem Islam und der Bibel bekannt sind, glauben noch an die doppelte Entstehung der weissen und schwarzen [28] Race, und fabeln, Hauve (Eva) habe zu viele und darunter dunklergefärbte Kinder geboren, was ihr Gott vorgeworfen; darauf habe sie sich aber dennoch vom Manne nicht enthalten können, sondern abermals und wiederum dunklere Kinder geboren, und dieselben aus Scham vor Gott in einen Ofen verborgen, in diesem aber seyen sie vollends ganz schwarz geworden und geblieben. Pallme, Kordofan S. 1114.

Adams kirchlich anerkannte Beziehungen auf Christus haben eine reiche Symbolik hervorgerufen. Mit Adam kam die Sünde und der Tod in die Welt, Christus brachte von beiden die Heilung. In Adam sterben, in Christo leben wir alle, 1. Korinth. 15, 22. In diesem Sinne gilt der Kirche Christus als der „neue Adam“, der wieder in’s Paradies zurückführt, aus dem der erste herausgeführt hat. Daher auch in jedem Menschen wieder der Gegensatz des alten Adam (des sündigen Fleisches) und des neuen in Christo wiedergebornen Menschen. Uebrigens wird in der echten christlichen Symbolik Adam mit Christo immer contrastirt und nur in den Häresien identificirt.

Sehr alt und von den Kirchenvätern selbst, namentlich vom heiligen Hieronymus, beglaubigt ist die Sage, dass Adam auf Golgatha begraben wurde, da wo Christus den Tod litt. Ueber die mehrern Gräber, die dem Adam zugewiesen werden, vgl. Paullini, erbaul. Lust S. 1008. Die Muhamedaner glauben, Sems Sohn Melchisedek habe Adams Leiche mit in die Arche Noä genommen und später auf Golgatha begraben. Herbelot, bibl. Orient, s. v. Cods. Hier habe man später noch den Schädel Adams gefunden, daher den Ort Schädelstätte genannt. In der Pariser Bibliothek befindet sich ein Manuscript, welches ein Gespräch Christi mit dem Todtenschädel des Adam enthält. Herbelot, s. v. Cranion. Es ist wunderbar, sagt auch Epiphanius im Panarion 46, dass Christus grade an derselben Stelle gekreuzigt wurde, an der Adam begraben worden ist, und dass Christi Blut auf das Grab des ersten Menschen floss, um sowohl ihm als seiner ganzen Nachkommenschaft die Hoffnung des ewigen Lebens zu erwirken. Aehnlich drückt sich der heilige Ambrosius ad Luc. 23. aus. [29] Daher auch der Glaube, hier auf Golgatha sey der Mittelpunkt der Erde. Auf alten Bildern fängt zuweilen Adam das aus der Seitenwunde des Gekreuzigten spritzende Blut auf. Waagen, Kunst in Deutschland I. 56. Rathgeber, Gothaer Mus. 130. Alt, Heiligenbilder S. 128. Als der Heiland sterbend das Haupt neigte, fiel sein letzter Blick auf den Todtenschädel Adams, ein im Judas des P. Abraham a St. Clara (I. 455. und H. 145.) schön ausgeführter Gedanke. Auf einem Glasfenster der Kathedrale zu Beauvais steht, durch Christi Blut geweckt, der unter dem Kreuze begrabene Adam auf und bewundert anbetend den eben verscheidenden Heiland. Didron, manuel p. 197.

Zu Valencia befindet sich ein wunderbares Bild der Kreuzigung von einem unbekannten spanischen Meister. Unterhalb des Golgatha mit seinen drei Kreuzen sitzt die heilige Jungfrau, das Schwert im Herzen, einsam da und hält mit der Rechten auf ihrem Schoosse einen Todtenschädel, unendlichen Schmerz im Gesichte. Es ist Nacht, nur von ferne dämmert Morgenroth. Kunstblatt 1823. S. 35. Der Berichterstatter sagt kein Wort über den Schädel, der hier höchst übel angebracht scheint, da die göttliche Mutter nicht um irgend einen fremden Schädel trauern oder in allgemeine Todesbetrachtungen beim Anblicke eines Schädels versinken kann, sondern nur ihres Sohnes gedenkt. Allein der Schädel auf dem Schoosse Marias erhält eine ganz andere Bedeutung, wenn man annimmt, wie es auch nicht anders angenommen werden kann, es sey der Schädel Adams. Maria scheint ihn zu ihrem Troste aufgenommen zu haben, wenn ihr gleich das Wehe, welches sie, um Adams Schuld zu sühnen, leiden muss, wie ein Schwert durch die Seele geht.

In Calderons Auto: „Der Maler seiner Schande,“ malt Gott den Menschen als sein Ebenbild. Der Teufel aber nimmt sich vor, dieses Bild so zu verunreinigen, dass Gott nur seine eigene Schande gemalt haben soll. Es gelingt, und der Teufel ist im Begriffe, den Menschen aus der Welt hinweg in seine Hölle abzuführen. Da klagt die Welt bitterlich, dass sie den [30] Menschen verlieren soll, und bittet den Maler, ihr ein Bild des Menschen zu malen, mit dem sie sich in ihrer Einsamkeit trösten könne. Da kommt Gott als Maler und mit Christum am Kreuz und versetzt sich selber in dieses Bild, und besiegt vom Kreuz aus den Teufel, dass er niedergeschmettert daliegt, während der Mensch erlöst wird. Derselbe schöne Gedanke erscheint wieder anders gewendet in desselben Dichters Auto: „La vida es suenno“ (das Leben ist ein Traum), aber nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Drama desselben Dichters. Satan und der Schatten (Symbol der Sünde) verschwören sich gegen den ersten Menschen, verlocken ihn, die verbotene Frucht zu essen, und wollen ihn dann im Schlaf ermorden. Aber die ewige Weisheit rettet ihn, indem sie selbst seine Gestalt annimmt. Satan und Schatten binden nun die Schlafende und schlagen sie an’s Kreuz, wo sie verscheidet. Aber im Augenblicke ihres Todes bebt die Erde, Satan und Schatten sinken todt zu den Füssen des Kreuzes hin. Der Mensch erwacht, und die Weisheit, wiederauflebend, löst sich vom Kreuze, und enthüllt dem Menschen die Gnadenmittel der Zukunft.

Eine sonderbare Darstellung zeigt sich auf einem altchristlichen Sarkophage der Paulskirche in Rom. Hier steht eine langbekleidete weibliche Gestalt mit Aehren in der Rechten und einem Böckchen in der Linken zwischen Adam und Eva. Auf drei andern Sarkophagen zu St. Sebastian in Rom ist es eine männliche Gestalt. Man hat die Aehren auf den Ackerbau, das Böckchen auf das Spinnen bezogen, zu welchen Geschäften unser erstes Elternpaar verurtheilt worden sey. Piper I. 353. Vgl. Didron, ic. 100. Doch scheint mir eine mystische Beziehung auf das Abendmahl (Brodt des Lebens und Blut des Lammes) darin zu liegen.

Alt ist die freilich nur im apokryphischen Evangelium Nicodemi beglaubigte Vorstellung von der Erlösung Adams und Eva’s und aller alten Patriarchen durch Christus aus der Vorhölle, worin sie bis zu seiner Erscheinung auf Erden hatten warten müssen. Aber die Kirche und namentlich die [31] kirchliche Kunst haben häufig diese Vorstellung adoptirt. Vgl. Augusti, Denkw. II. 168. Auf Raphaels berühmten Tapeten sucht sich Eva vor dem Glanze zu verbergen, der vom Heiland ausstrahlt. In A. Dürers grosser Passion trägt Adam, indem er aus der Vorhölle scheidet, allen andern Patriarchen das Kreuz voran.

Oefters auch kniet Adam vor dem Kreuze. Waagen, Kunst in Deutschland I. 56. Rathgeber, Gothaer Mus. 132. 172. Adam und Eva knieend vor einem ganz aus Blumen gebildeten Kreuze zu Monza. Millin, Lombardei I. 603. Beide knieen vor dem Kreuze auch in den Miniaturen des Herrad von Landsberg.

Der Sündenfall findet sich öfter als kleines Wandbild auf Bildern der Verkündigung, um anzuzeigen, auf was sich die Geburt des Erlösers beziehen soll. Auf einem Bilde des Königs René, auf dem ein Engel dem Moses im feurigen Busch die heilige Jungfrau mit dem Kinde zeigt, trägt der Engel den Sündenfall in einer kleinen Camee als Agraffe des Mantels. v. Quandt, Reise in’s mittägl. Frankreich S. 401. Wegen des Heils, das aus dem Erlösungswerke hervorgeht, wurde sogar der Sündenfall selbst, ohne den es keine Erlösung gegeben hätte, gepriesen. Sogar St. Augustinus brauchte den Ausdruck: Felix culpa! und Notker sang in einem Hymuus: O culpa nimium beata! Königsfeld, lat. Hymnen S. 94. – Auf Bildern des Weltgerichts stehen Adam und Eva zur Rechten Maria's allen andern Seligen voran.