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Titel: Seeminen und Torpedos
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aus: Die Gartenlaube, Heft 48, S. 798–799
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1878
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Seeminen und Torpedos.

Die ersten Versuche mit Seeminen und Torpedos sind älter, als man gewöhnlich annimmt; sie datiren über hundert Jahre zurück. Der amerikanische Capitain Bushnel baute bereits 1776 ein unterseeisches Torpedoboot. Das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit desselben war jedoch von vornherein nicht groß, und als sich dieses Boot bei dem Angriffe gegen ein englisches Schiff nicht bewährte, ließ man damals die Sache gänzlich fallen.

Nachdem sich auch Anfangs dieses Jahrhunderts Fulton, der Erfinder der Dampfschiffe, vergeblich bemüht, seinen verbesserten Torpedos und Seeminen Eingang zu verschaffen, gerieth diese mörderische Waffe der Neuzeit fünfzig Jahre hindurch in völlige Vergessenheit; jedenfalls hörte man ihrer nur noch sehr selten Erwähnung thun. Von besonderem Interesse für uns dürfte es deshalb sein, daß gerade Deutschland es war, welches zuerst wieder 1848, im Feldzuge gegen Dänemark, Seeminen zur Verwendung brachte. Einem unserer jetzt hervorragendsten Männer, dem Dr. Werner Siemens, der damals preußischer Artillerielieutenant war, gebührt, in Gemeinschaft mit seinem Schwager, dem Professor der Chemie Dr. Himly, die Ehre dieses ersten erneuerten Versuchs.

Um das Naheherankommen dänischer Kriegsschiffe, und somit das von diesen beabsichtigte Bombardement der Stadt Kiel zu verhindern, sperrten beide den dortigen Hafen durch Seeminen ab. Wasserdicht verpichte Fässer, später mit Kautschuk überzogene Säcke, die eine Sprengladung von je 20 Centnern Pulver enthielten, wurden circa 20 Fuß unter die Oberfläche des Wassers versenkt und verankert. Durch Leitungsdrähte standen dieselben mit einer galvanischen Batterie auf dem Lande in Verbindung. Wenn nun auch diese Seeminen nicht zur Action kamen, erfüllten sie doch indirect ihren Zweck. Eine derselben explodirte aus Versehen, und zwar im Gesichtskreise des vor dem Hafen kreuzenden Feindes, und hielt durch ihre gewaltige, weithin vernehmbare Wirkung die dänischen Kriegsschiffe fortan von näherem Herankommen ab. Auch zum Absperren des Hafens von Venedig bediente man sich während des Feldzugs 1859 ähnlicher Seeminen. Doch erst in ihrer ursprünglichen Heimath, in Amerika, fanden sie im Laufe des Krieges von 1861 bis 1865 bleibende Verwendung- und fortgesetzte Vervollkommnung.

Es sei hierbei erwähnt, daß die stationären Vertheidigungsminen, welche zur Absperrung der Häfen, Landungsplätze etc. dienen und somit vor Anker liegen, allgemein als „Seeminen“ bezeichnet werden. Die anderen Zerstörungswaffen dieser Gattung, welche, sei es zum Angriff, sei es zur Vertheidigung, bewegende Kraft erhalten, also in beiden Fällen offensiv wirken, nennt man Torpedos; sie zerfallen, je nach ihrer Construction und Verwendungsweise, in Spieren-, Schlepp-, Fischtorpedos etc.

Die amerikanischen Südstaaten, bei Beginn des Krieges fast ohne Flotte, traten dem weit überlegenen Feinde vermittelst Torpedos erfolgreich entgegen und zwangen diesem schließlich dieselbe Waffe in die Hand. Beide Staaten überboten sich nun in Verbesserungen und neuen Erfindungen auf diesem Gebiet. Es kamen beiderseits neu construirte unterseeische Torpedoboote sowie Spierentorpedos zur Verwendung. Für letztere nimmt allerdings Rußland durch seinen Ingenieur General Tiesenhausen die Priorität der Erfindung in Anspruch (anderthalb Jahre früher), jedenfalls fanden die Spierentorpedos aber erst, wie bereits gesagt, im amerikanischen Kriege dauernde Verwendung.

Die Panzerschiffe mit ihrer gefährlichen Ramme verdanken ebenfalls jenen Kriegsjahren und den Amerikanern ihre Entstehung, aber auch sie zeigten sich den Torpedos nicht gewachsen. Fielen im Laufe des Krieges den verschiedenen Arten dieser Höllenmaschinen doch nicht weniger als sieben Panzerschiffe und elf andere Dampfer zum Opfer!

Die hölzernen ungepanzerten Fahrzeuge wurden gänzlich aus der Reihe der Schlachtschiffe gestrichen. Sämmtliche Flottenstaaten richteten von da ab in erster Linie ihr Augenmerk auf die Herstellung von Monitors und erprobten außerdem die Seeminen und Torpedos. Es begann ein vollständiger Wettkampf zwischen der immer stärker werdenden Panzerung und den immer kolossaleren Dimensionen der neu construirten Geschütze, deren Monstregeschosse schließlich auch die dicksten Panzerplatten durchschlugen. Besonders England und Frankreich betheiligten sich lebhaft an diesen Versuchen; aber auch kleinere Seestaaten nahmen von Anfang an daran Theil.

So war die zuerst ungestrafte Annäherung des dänischen Monitors „Rolf Krake“ im Feldzuge 1864 den preußischen [799] Batterien unbequem, doch bald wandte sich das Blatt. Die Stahlspitzgeschosse der gezogenen Vierundzwanzigpfünder wirkten schließlich sehr störend auf den Monitor; seine Panzerung schützte ihn nicht mehr ausnahmslos gegen dieselbe.

1866 zeigte die Seeschlacht bei Lissa abermals die Mächtigkeit der Ramme im Nahgefecht; hierdurch wurde wiederum die Aufmerksamkeit der Seemächte eine geraume Zeit hindurch absorbirt und in etwas von den Torpedoversuchen abgezogen. Ganz aus dem Auge verloren hatte man diese aber keineswegs. Das bewies 1870 Deutschland, indem es in kürzester Zeit eine vollständige kleine Dampferflottille mit Spieren-Torpedos ausrüstete, welche aber gegen den zur See weit überlegenen französischen Gegner nicht in Action trat.

Das allgemeine Interesse neigte sich allmählich wieder den Torpedos zu. Im Jahre 1871 wurde seitens der deutschen Marine eine besondere Versuchscommission neu creirt (durch Cabinets-Ordre vom 28. Februar dieses Jahres aufgelöst), 1875 und 1876 Torpedoboote zur Verwendung auf hoher See, wie der „Ziethen“ und der „Ulan“, erbaut. Gleichzeitig fand die Errichtung eines Torpedocorps statt, dem die specielle Ausbildung der Torpedomannschaften obliegt. Wie in jedem großen geordneten Staate schon im Frieden alle eventuellen Fälle für einen Krieg in’s Auge gefaßt werden und demzufolge die Vertheidigungsmittel vorräthig sein müssen, so sind auch zur Vertheidigung der deutschen Küsten die genauesten Vorbestimmungen getroffen worden und die nöthige Anzahl Seeminen liegt an geeigneter Stelle zum Absperren der Häfen etc. bereit. Das Jahr 1877 kam heran und mit ihm der russisch-türkische Krieg zum Ausbruch. Die reichhaltigen Erfahrungen desselben gaben den Großstaaten einen neuen Anstoß zu den verschiedensten Versuchen und Verbesserungen ihrer Waffen und Kriegswerkzeuge. Das Minen- und Torpedowesen stand in Rußland schon bei Beginn der Feindseligkeiten auf einer verhältnißmäßig hohen Stufe. In der Türkei hatte man sich damit begnügt, die Häfen und günstigen Landungsstellen der Ufer theilweise mit Seeminen zu sperren; den Offensiv-Torpedos war dagegen gar keine Beachtung geschenkt, oder richtiger gesagt, es war dem intelligenten türkischen Admiral Hobart Pascha nicht gelungen, mit seinen Ansichten durchzudringen. Gerade die Wirksamkeit dieser Gattung aber auf russischer Seite, speciell die überraschenden Erfolge der winzigen russischen Torpedoboote gegenüber den mächtigen türkischen Monitors, zogen die vollste Aufmerksamkeit der Sachverständigen aller seefahrenden Nationen auf sich, und man begann allenthalben schon während des Krieges, sich ebenso hinsichtlich der geeignetsten Offensivtorpedos, wie der besten Schutzmittel großer Schiffe gegen diese unheimlichen Feind vorzusehen. Die glänzendsten Resultate in ersterer Beziehung wurden schließlich mit dem verbesserten Whithead-Fisch-Torpedo erzielt. Eine besondere Wichtigkeit erlangten aber alle Offensiv-Torpedos erst, als es in jüngster Zeit dem Schiffsbaumeister Thornycroft gelang, kleine Dampfboote herzustellen, welche, bei genügend fester Bauart, sämmtliche Schlachtschiffe an Schnelligkeit übertrafen, dieselben also unbedingt einzuholen im Stande waren.

Die Russen hatten den Whithead-Torpedo nur zweimal ziemlich zum Schluß des Feldzugs und mit wechselndem Glück angewandt. Das erste Mal in der Nacht vom 27. zum 28. December vorigen Jahres[1] bei Batum ohne jedes Resultat, das zweite Mal in der Nacht vom 25. zum 26. Januar dieses Jahres ebendaselbst mit desto glänzenderem Erfolg; eines der türkischen Schiffe ging vollkommen in Trümmer. Beide Male fand der Angriff durch die Torpedokutter des vom Capitain Malarow befehligten Dampfers „Constantin“ statt.

Der Fischtorpedo war bereits 1867 von dem Ingenieur Whithead erfunden, konnte sich aber nicht gleich Eingang verschaffen, weil durch ihn in seiner ursprünglichen Gestalt die eigenen Schiffe gefährdet wurden. – Nach und nach fand der Erfinder Abhülfe gegen diesen Uebelstand; jetzt kann derselbe in seiner Fabrik in Fiume kaum die Aufträge der verschiedenen Regierungen bewältigen. – Deutschland und ebenso England erhielten von dort je 200 Stück; letzteres hat nunmehr in den Werkstätten von Woolwich eine Extra-Abtheilung zur Selbstanfertigung eingerichtet; die Herstellungskosten belaufen sich auf circa 350 Pfund Sterling pro Stück. Auch Rußland und Italien fertigen ihren Bedarf selbst an. Was über die Construction des Whithead-Torpedos bekannt ist, lasse ich hier kurz folgen, wobei ich bemerke, daß die allerneuesten Vervollkommnungen von dem Erfinder sehr geheim gehalten werden.

Der Torpedo hat, bei einer Länge von 14 bis 19 Fuß, 14 bis 16 Zoll größten Durchmesser und Cigarrenform. Sein Körper ist aus eigens bereitetem 1/16 Zoll starkem Stahl hergestellt und zerfällt in drei Hauptabtheilungen. Die vordere, der Kopf, nimmt die Ladung (25 bis 30 Kilogramm Schießbaumwolle) nebst dem Zündapparate auf, der mittlere Raum die treibende Maschine. Das Endstück ist für die comprimirte Luft, den Motor der Maschine, bestimmt, welche die sichtbaren, an einer Achse befindlichen Schrauben in Bewegung setzt und bei 40 Pferdekraft nur 35 Pfund wiegt. Hinter der Schraube befinden sich fischflossenähnliche, zur Vertical- und Horizontalleitung bestimmte Ansätze.

Vermittelst einer besonderen, mit dem Horizontalsteuer verbundenen Vorrichtung kann man den Torpedo in beliebiger Tiefe unter Wasser fortlaufen lassen. Für seine Fortbewegungsgeschwindigkeit tritt aber als wesentlicher Factor der Wärmegrad des Wassers hinzu, der auf die comprimirte Luft einwirkt. Ein auf das „Ueber Wasser Lanciren“ dieses Torpedos eingeübtes Personal vermag mit ziemlicher Sicherheit selbst ein in voller Fahrt befindliches Schiff auf 200 bis 250 Meter Entfernung zu treffen. Bisher mußte nämlich das Lanciren vermittelst Luftdruck durch das Lancirrohr unter Wasser stattfinden. Der neue Apparat ist einem Geschütze ähnlich, aus welchem der Torpedo über Wasser durch die comprimirte Luft herausgeschleudert wird und dann erst untertaucht; man bezeichnet diesen Apparat auch mit „Torpedokanone“.

Ueber die Construction der sogenannten Torpedo-Widder, mit welchen England seine im Baue begriffenen Schlachtschiffe versieht, ist bis jetzt noch nichts Definitives in die Öffentlichkeit gedrungen. Dagegen hat man mit den allerneuesten Versuchen zur Herstellung eines schützenden Torpedonetzes befriedigende Resultate erzielt. Die ersten Kettennetze wurden bei ihrer Steifheit leicht von dem Fischtorpedo durchgeschlagen; eine Art Matte aus Drahttau vermochte ihn aber vermittels ihrer großen Elasticität aufzuhalten, respective zurückzuwerfen. Ein solches, je nach der Größe des Schiffs 10 bis 20 Fuß hohes Drahtnetz hängt an circa 30 Fuß langen Spieren rings um das Schiff herum und kann gehißt oder gestrichen werden. Wiederholten Proben zufolge ist auf diese Entfernung die Explosion eines Torpedo für den Schiffskörper bereits wirkungslos; man kann deshalb auch an einzelne etwas über das Netz herausragende Spieren selbst Torpedos anbringen, um einem dicht heranfahrenden Feinde einen warmen Empfang zu bereiten. Wir finden somit hier eine Verbindung des Netzes mit sogenannten Schlepptorpedos, welche schon 1870 von Harvey vorgeschlagen wurden, nur ein Schiff gegen den Angriff des feindlichen Sporns zu schützen.

Lange Zeit hindurch konnte man sich nicht über die Vorkehrungen einigen, welche ein Schlachtschiff auch im Dunkel der Nacht gegen plötzliche Ueberfälle bewahren sollen. Deutscherseits kam man schließlich zu dem Resultate, außer den Netzen Holm’sche Sicherheitssignale zu verwenden, da hierbei der Schiffskörper in voller Dunkelheit bleibt, während die ganze Umgebung hell erleuchtet ist. Die Kugel, welche das Licht enthält, wird aus Mörsern geworfen; sie ist so leicht, daß das Wasser sie trägt, welches gleichzeitig den eine halbe Stande lang brennenden Leuchtstoff entzündet, der auch dem stärksten Winde widersteht. Durch gleichzeitiges Abschießen mehrerer Kugeln nach den verschiedenen Seiten hin würde also rings nur das Schiff eine helle Lichtzone entstehen, welche von dem dunkelen Schiffe aus leicht zu übersehen wäre und erst vom Feinde passirt werden müßte.

Gelingt es, den unterseeischen Torpedo auf noch weitere Distancen als bisher mit vollster Treffsicherheit abzulassen, so genügt auch dieser Schutz nicht mehr; vorläufig ist das jedoch noch nicht geglückt.

D.
  1. Es waren gleichzeitig zwei Torpedos gegen das dicht an der Küste vor Anker liegende türkische Schiff abgelassen worden. Whithead brachte die beiden Torpedos später an sich; der eine war gänzlich unversehrt, der andere ohne Kopf (explodirte an einer Ankerkette) auf den Strand gelaufen. Whithead veröffentlichte den eigenen Ausspruch Hobart Paschas, laut welchem beide unmittelbar an dem Schiffe vorbeigegangen waren, jedoch ohne es zu berühren.