Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Russische Pferdezucht
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aus: Die Gartenlaube, Heft 20, S. 238
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[238] Russische Pferdezucht. Die Schwärme von Pferden, welche halb wild in den russischen Steppen umherweiden, bilden den hauptsächlichsten Reichthum der russischen Edelleute. Natürlich oben an steht die Menge von Leibeigenen. Dies Hüten der Pferde ist eine der wildesten, traurigsten, heroischsten Arbeiten. Der Pferdehirt hat einen sehr hohen Lohn, muß sich aber jeden Verlust eines Pferdes durch Wölfe u. s. w. abziehen lassen. Das Leben eines russischen Pferdehirten ist eine ununterbrochene Aufregung, ein Kampf ohne Ende. Nach zwei Jahren ist der Hirt ohne Fähigkeit für jede andere Beschäftigung, und zehn bis fünfzehn Jahre reichen hin, auch den Stärksten, Wildesten aufzureiben. Die Steppen gleichen denen in Tejas: im Winter bleich und brach, im Sommer oft wogende Meere von Gräsern und Blumen, in Sibirien zuweilen 30 bis 40 Meilen groß von Reseda. Die Steppen jenseits des Azow’schen Meeres dehnen sich beinahe 1000 deutsche Meilen von Ungarns bis zur chinesischen Grenze aus. Manchmal ist das furchtbare Einerlei durch einen Fluß und ein Dorf von Haufen und Hütten unterbrochen; dann kann man aber wieder Tage lang und Nächte lang immer in einer Richtung vorwärts schlitten oder reiten, ohne eine Spur von Hügel oder Thal oder Baum oder Menschen zu finden. Ein großer Theil der Einkünfte des russischen Adels hängt von den Theilen der Steppen ab, die ihnen gehören und auf denen sie ihre Pferde im Sommer weiden, im Winter aber in kaum bedeckten Schuppen hungern und frieren lassen; denn vom Heumachen ist nicht viel die Rede. Die Schuppen, in denen die ungeheuern Pferdemassen im Winter eingepfercht werden, bestehen aus Erdwällen, die oft kaum an der Nordseite etwas Dach haben, unter welchem sich die ältern und stärkern Pferde zusammendrängen, so daß die jungen, allem Unwetter ausgesetzt, im Freien jämmerlich ineinander kriechen. Die Zahl der einzelnen Roßheerden beläuft sich zuweilen auf Tausend und mehr, die zwei Hirten wahren und hüten müssen. Im dritten Jahre werden sie in der Regel auf Pferdemärkte getrieben, die an verschiedenen Stellen der Steppen gehalten werden. Hier kauft die Regierung, hier kaufen selbst Tscherkessen und Kaukasier. Der Hirt hat blos eine ungeheure Lasso-artige Peitsche, eine Schlinge und eine Wolfskeule. Ein großartiges Schauspiel gewähren oft die Kämpfe der Pferde gegen Wolf-Attacken. Sobald ein „Taboon“ (Heerde) angegriffen wird, stehen sie plötzlich wie Ein Mann für Alle. Kaum hat eins der Pferde das Zeichen gegeben, laufen Hengste und Stuten geschlossen und wüthend dem Feinde entgegen, und schlagen ihn oft blos durch diesen Marsch in geschlossenen Reihen in die Flucht, oder treten die Herankommenden mit den Hufen nieder. Doch kehren die Wölfe nicht selten in verstärkter Zahl wieder und heulen umher, bis sich etwa ein Fohlen etwas zu weit verirrt; dies wird gepackt und zerrissen, sehr oft auch die zu Hülfe eilende Mutter. In der Regel werden dann alle Fohlen von den Stuten in einen Zirkel eingeschlossen und geschützt, während die Hengste ihre Angriffe mit Kühnheit erneuern und mit den Hufen und Köpfen auf die Wölfe schlagen, sobald diese nahe genug kommen. Außerdem thut der Hirt mit der Keule das Seinige. Am Furchtbarsten sind die Attacken der vom Hunger wüthenden Wölfe in Winternächten, wo sie sich oft, in den Hals eines Pferdes eingebissen, lieber von andern Pferden oder dem Hirten todtschlagen lassen, als ihre Beute aufzugeben.