Textdaten
<<< >>>
Autor: unbekannt
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Fürst Milosch
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 20, S. 238
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Miloš Obrenović (1783-1860), Anführer des Aufstandes gegen das Osmanische Reich
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[238] Fürst Milosch. Von Hause aus ein Bauer, ward er 1813 durch russischen Einfluß zum Fürsten von Serbien erhoben, und war es seitdem über diesen kriegerischen, „unabhängigen“, schönen Menschenschlag bis 1839) geblieben. Die Serbier gehören in Literatur, Poesie, malerischen Trachten und lustigen Volkssitten zu den interessantesten Bewohnern Europa’s.

Milosch vereinigt die Eigenschaften eines Tyrannen und eines Volksfreundes auf die genialste Weise in sich. Er ist sinnlicher, grausamer, falscher als irgend ein Despot; dabei lassen sich aber die Bauern für ihn todtschlagen, blos weil er es früher gelernt und nicht vergessen hatte, mit ihnen nach ihrem Schnabel zu reden. Wenn er Reisen machte, gukte er in’s Volk hinein, und rief sich irgend ein schmutziges Individuum, das er vor zwanzig Jahren einmal gesehen, bei dessen eigenen Namen heran. „Nun, Peter, wie geht Dir’s jetzt? Lange nicht gesehen. Was machen Frau und Kinder? Ist die Rieke oder Röse verheirathet?“ Oder er besuchte gar einen alten Kollegen und ließ sich den Schweinestall aufmachen. „Oh Milo, Kerl, die Schweine gefallen mir noch nicht. Mach’ nen gute Tage, bis sie 100 mehr wiegen.“ Der Bauer ist nun begeistert für den Fürsten und die Schweine-Historie wandert von Haus zu Haus und Dorf zu Dorf und bekehrt die tollsten Freiheitsköpfe zur Unterthanentreue. In den Städten war er freilich desto verhaßter, denn er ist im barbarischsten Grade der Repräsentant eines sehr verbreiteten nationalen Unglücks, das in der Herrschaft des Landes über die Stadt, der Rohheit über Urbanität besteht. Dies Verhältniß machte den französischen Staatsstreich, und ließ in alter und in neuer Zeit alle Staatsstreiche gelingen. In den Städten kennt man Milosch nur als strengen Steuereinnehmer und durch Akte der Willkür und Rache. Da er weder lesen noch schreiben kann, (an der Spitze eines Volkes, das in der hochtönendsten Sprache eine sehr reiche, hochpoetische Literatur hat, und überall singt und dichtet und improvisirt), giebt er seine Befehle blos mündlich und entscheidet manche Streitigkeiten, zu welchen man anderswo ein Fuder Papier und das Vermögen beider Parteien braucht, mit einem einzigen Machtspruche ohne Brief und Siegel und Appellation. Das machte ihn bei dem Sieger im Prozesse zum Gott, bei dem Unterliegenden zum Satan, vor dem ungebildete Leute mehr Respekt haben, als vor dem himmlischen Vater. Ohne Kenntnisse und Religion und ohne die Entschuldigung, die dem Türken sein Glaube bietet, bekamen seine türkischen Unsitten das Gepräge des Wüstlings. In seiner Eifersucht ermordete er einmal Kora George, schnitt den Kopf ab, stopfte ihn aus und schickte ihn dem Sultan zum Präsent. Seine Tyrannei führte endlich 1839 zu der bekannten Revolution und ihn in’s Exil nach der Wallachei, wo er seinen aufgehäuften Reichthum und seine Manier, mit Bauern umzugehen, stets so anzuwenden wußte, daß er Aussicht haben soll, wieder eine Rolle zu spielen. Er empfängt seine Freunde aus Serbien und der Wallachei, und hat immer Geld – viel Geld – und Wein und Delikatessen in Fülle. Er soll jetzt ein Freicorps geworben haben.