Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Wendischbora

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Titel: Wendischbora
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aus: Meissner Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 2, Seite 100–102
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons = SLUB Dresden
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Wendischbora.


Das altschriftsässige Rittergut und Dorf Wendischbora, welches zu dem Meissner Kreise und dem Bezirksgerichte Meissen gehört, liegt an der mitten hindurch führenden, 1833 neuerbauten Chaussee von Nossen nach Meissen, sowie an einem kleinen Bache, der oberhalb des, eine halbe Stunde entfernt gelegenen, Dorfes Deutschenbora entspringt, welches als Geburtsort der Gattin Luthers, Katharina von (aus) Bora, eine gewisse Berühmtheit erlangt hat. Bei Rothschönberg endet dieser Bach.

Die Entfernung Deutschenbora’s beträgt von Meissen südwestlich 3½ Stunden, von Siebenlehn 1 Stunde, von Nossen ¾ Stunde, und in unmittelbarer Nähe von der Gränze des nossen’schen Amtes und des erzgebirgischen Kreises. Die Gegend ist ziemlich fruchtbar, obschon etwas rauh, die Lage angenehm, und mehrere Hügel, die sich in der Nähe des Ortes erheben, verleihen der Landschaft Abwechselung und gewähren zum Theil sehr freundliche Aussichten über die benachbarten Fluren, sowohl nach dem Gebirge jenseits der Mulde, als auch landeinwärts.

Im vierzehnten Jahrhundert wurde der Name des Ortes bald Wyndischbor geschrieben, bald Windischenbor, auch Wintischbohr, Wendischenbora und später sogar, abweichend von allen diesen Schreibarten, Grossen-Barl.

Wahrscheinlich aber ist Wendischbora viel älter, denn schon 1197 kömmt in Meissen ein Boris von Zbor vor, von dem sich vermuthen lässt, dass er Besitzer von Wendischbora war, dessen Name danach die Bedeutung haben würde: Jenseit des Finkenbusches. Nach einigen Nachrichten, besonders aber nach den Sagen und Ueberlieferungen, welche sowohl im [101] Orte selbst, als in dessen nächster Umgegend in dem Munde des Volkes leben, soll Wendischbora früher ein Kloster gewesen sein; doch lässt sich mit grosser Wahrscheinlichkeit annehmen, dass das vermeintliche Kloster nichts war, als ein Kloster-Gut, welches dem Kloster zu Altzelle gehörte, und von diesem einem Canonicus, der seinen Wohnsitz in Wendischbora hatte, zur Verwaltung oder vielleicht auch als Pfründe, übergeben war; denn für die Existenz eines wirklichen Klosters am hiesigen Orte fehlen alle überzeugenden Beweise.

Dass Wendischbora sehr alt ist, lässt sich nicht bezweifeln, wohl aber, ob es eines mit einem Orte Bore ist, von dem man weiss, dass das Stift zu Meissen es im Jahre 1071 von einem vornehmen Wenden, Namens Bor, erwarb, der auch von Einigen für den Begründer des Ortes gehalten wird.

Mehr Wahrscheinlichkeit hat die Annahme, dass aus dem ursprünglich blos Bore genannten Orte die Wenden, die das Dorf bewohnten, vertrieben wurden, und darauf dieses Bore begründeten, welches sie zum Unterschiede von ihrem früheren Wohnorte Wendisch-Bore nannten, während jenes, noch jetzt zuweilen kurzweg Bora genannt, von der Abstammung seiner neuen Bewohner den Namen Deutschen-Bore annahm.

Die erwähnte Annahme, dass Wendischbora nicht selbst ein Kloster, sondern nur ein Klostergut gewesen sei, findet übrigens dadurch seine volle Bestätigung, dass Markgraf Heinrich der Erlauchte im Jahre 1276 dem Kloster zu Altzelle die Erlaubniss ertheilte, die aus älterer Zeit stammende Schmelzhütte bei dem Klosterhofe wieder herzustellen.

Dieser Umstand legt übrigens Zeugniss für das ausserordentlich hohe Alterthum des sächsischen Bergbaues ab, und liefert den unbezweifelbaren Beweis, dass schon zu den allerersten Zeiten desselben in dieser Gegend Gruben gewesen sein müssen. Jetzt freilich sind diese spurlos verschwunden, und man weiss nicht einmal mehr, welche Erze man hier gewann.

Uebrigens muss schon sehr früh ein Ritter entweder Antheil an Wendischbora besessen, oder aber neben dem Klostergute hier noch ein eigenes Rittergut bestanden haben; denn schon 1301 kommt ein Ritter Dietrich von Bore vor. Ein Rutschel von Korbitz wird 1355 als Besitzer von Wendischbora genannt, und 1378 ein Hans von Maltitz, von dem gesagt wird, dass er das Gut Colmnitz an das Nonnenkloster zu Freiberg verpfändete.

Bei dem Geschlechte derer von Maltiz scheint Wendischbora dann längere Zeit geblieben zu sein, denn noch im Jahre 1612 finden wir einen Georg von Maltitz als Besitzer hier wohnhaft.

Darauf starb als Besitzer von Wendischbora und am Orte selbst, im Jahre 1677, Heinrich Preuss auf Ilkendorf. Von ihm ging das Rittergut auf dessen Sohn, Caspar Heinrich, über, der 1733 starb. Der Sohn dieses Letztern, Heinrich August, Untercommandant der Festung Königstein, welcher 1760 starb, war ebenfalls Besitzer von Wendischbora, obgleich er sich zuerst auf Simselwitz schrieb.

Dieses Simselwitz gehörte zwar zu Wendischbora, obgleich es (in westlicher Richtung) drei Stunden von demselben entfernt liegt, hatte aber, wohl eben wegen dieser grossen Entfernung, seine eigenen Gerichte, die in der neuesten Zeit mit denen von Wendischbora selbst an den Staat übergegangen, und jetzt bei dem Gerichtsamt Nossen sind.

Im Jahre 1824 war der königlich Preussische Major Röder von Bomsdorf Besitzer von Wendischbora, welches wir im Jahre 1844 im Besitze der verwittweten Generalleutenant Henriette von Feilitsch, geborne von Schönberg, finden, das gegenwärtig aber dem Herrn von Wöhrmann gehört.

Ausser Simselwitz gehört zu dem Rittergute Wendischbora noch das eine Viertelstunde in südlicher Richtung davon entlegene Preussische Vorwerk, welches nach seinem Begründer, dem oben erwähnten Besitzer von Wendischbora genannt worden sein soll, während nach Schumanns Lexicon der Name schon viel älter, und sogar das Stammgut des Geschlechtes von Preuss bezeichnen soll, von welchem bereits 1381 ein Konrad von Pruze Canonicus in Budissin war. Endlich gehört dazu auch das Dorf Malitsch nebst dabei gelegenem Kalkofen, und ein Antheil (12 Häuser mit etwa 70 Einwohnern) von Ober-Eula, welches nach Deutschbora eingepfarrt ist.

In älteren Zeiten war noch ein dritter Theil von Wendischbora landesherrlich, und gehörte zu der Südpanje Weythessen (Weitzschen), aber [102] schon seit langen Jahren sind alle drei Antheile in dem Rittergute vereinigt. Dieses ist mit anderthalb Ritterpferden belegt und wird zu den nutzbarsten der hiesigen Gegend gerechnet.

Wendischbora ist ein langgestrecktes, ansehnliches Dorf, dessen beide äusserste Enden wohl eine halbe Stunde von einander entfernt sind. Das eine dieser Enden wird durch ein Chausseehaus und ein grosses, schönes Gasthaus gebildet, das schon weithin sichtbar ist, und die Wanderer freundlich einzuladen scheint.

Bei diesen beiden Häusern kreuzen sich die Chausseen von Nossen nach Meissen und von Döbeln nach Dresden. In Nordosten reicht das sogenannte Reissigholz bis beinahe an das Dorf heran und jenseit desselben läuft die alte Meissen-Freiberger Chaussee vorüber.

Die Kirche von Wendischbora ist sehr alt, wie alt aber, darüber fehlen alle zuverlässigen Nachrichten. Unter den an derselben angestellten Pastoren ist der Pastor Häse als ausgezeichneter Pomolog bekannt.

Die Schule wird in einer Classe von etwa 100 Kindern besucht, zu denen auch die von Ober-Eula gehören.