Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Wünschendorf
in älteren Zeiten auch Wingsdorf, ursprünglich wohl Windischdorf, liegt 3 Stunden nordöstlich von Wolkenstein, 2 Stunden von Zschopau, ½ Stunde von Lengefeld, an der Strasse zwischen beiden letztern Orten, in einer seichten, steil nach der Flöhe in östlicher Richtung abfallenden Schlucht über einer schönen, stark coupirten Gegend.
Die untern Häuser stehen unfern der Flöhe, die obern jedoch auf grosser, freier Höhe, aus welcher jedoch die Höhen des ganz nahen Börnicher Forstes noch sehr ansteigen.
Das Rittergut ist von mässiger Grösse, hat aber, wie die Abbildung besagt, hübsche Gebäude, eine Ziegelei über der Hammermühle, ein kleines Vorwerk. Zu diesem Gute gehörte vor der Einführung der neuen Gerichtsorganisation Stolzenhain mit Ober- und Erbgerichten. Stolzenhain wie Wünschendorf war früher ein Zubehör der Herrschaft Rauenstein, ehedem Rowenstein, Rawenstein, auch vor 200 Jahren Ravenstein geschrieben, wohl nicht von der rauhen Lage, sondern von einem Ritter Rabe oder Rabod abzuleiten, eine Herrschaft, welche unter denjenigen vorkommt, die Friedrich der Kleine 1289 an Böhmen abzutreten gedachte. Sie grenzte mit den Dynastien Wolkenstein, Schreckenstein, Schellenberg und Lauterstein und hatte wenigstens 6 Stunden im Umfange, da sie mehrere Orte und grosse Waldungen umschloss. Unter diesen Orten befanden sich namentlich Wünschendorf und Stolzenhain. Später gab es eigne Ritter zum Rauenstein. Die Lage und die Umgebung des Schlosses war ganz dazu geeignet, das Recht des Stärkern hier im vollen Masse zu üben. Hier in diesem undurchdringlichen Verhau fanden die keinen Kampf scheuenden Ritter, nach der Rückkehr von ihren blutigen Streifereien, eine sichere Zufluchtsstätte, wo sie, wenn es draussen stürmte, im warmen Gemach, beim Wildpretschmauss, sich gütlich thun und rasten konnten vom schwer bestandnen Strauss, bis Ueberdruss und Kampfeslust sie wieder hinaustrieb auf die Jagd oder auf die Strasse nach dem Böhmer- und Frankenland, um die Stärke ihrer Arme zu erproben und von neuem mit Beute beladen nach Hause zu kehren.
Manche Sage existirt von dem Rauenstein, schauerlich und Grausen erregend.
Doch diente Rauenstein nicht lange den Rittern, welche meist vom Stegreif lebten.
Noch im 15. Jahrhundert kaufte es Hans von Günterode, welcher sich 1476 aus Thüringen nach Freiberg gewendet hatte und Herzog Albrechts Finanzminister war. Seine Nachkommen, welche alle in Freiberg begraben liegen und sich bald Güntherode, bald Gunderodt oder [126] Gunderode schrieben, verkauften das zum Theil verfallene Schloss mit Zubehör an Kurfürst August 1576 für 54,875 Gulden, welcher ein Amt daraus bildete.
Dieses Amt begriff nach einem alten Register das Städtchen Lengefeld, 3 Dörfer, 150 gesessene Leute, die Vorwerke Wingsdorf d. i. Wünschendorf, Ober- und Nieder-Rauenstein, 2 Mühlen, 3 Teiche.
August baute das Schloss wieder aus und Kurfürst Christian schlug das Amt 1596 zu Wolkenstein, obgleich es mit diesem nur in geringer Breite grenzte. Im 17. Jahrhundert kauften von der Kammer die Herren von Böhlau von Rauenstein den kleineren Antheil, aus welchem das Rittergut Wünschendorf gebildet wurde, wogegen die von Römer den grösseren Theil, der das Gut Rauenstein abgab, acquirirten.
Im Anfang des 19. Jahrhunderts kam Wünschendorf an die Familie Kirchhahn und seit dem 29. Jan. 1845 ist Wilhelm Friedrich Pfefferkorn zu Penig damit beliehen.
In Wünschendorf werden wie in Stolzenhain viel Holzwaaren gefertigt, vorzüglich Wirthschaftsgeräthe. Ausserdem nähren sich die Einwohner des Orts von Spinnerei und Weberei, wovon das nahe Lengefeld der Hauptort ist: denn hier werden Leinwand, Kattun, Parchent, Canevas geweht und nach Oederan, Chemnitz und Zschopau geliefert.
Im nahen Goldbrunnen fand man sonst auch häufig Granaten.
Im Westen liegt der hohe Galgenberg, wo an der Lengefeld-Zschopauer Strasse ein Forst- und Gasthaus steht.
Die ganze Gegend um Wünschendorf ist für den Naturfreund höchst angenehm und interessant. Wünschendorf selbst liegt romantisch auf dem Berge an der Strasse, die nach Waldkirchen führt.
Eingepfarrt ist Wünschendorf mit Rauenstein, mit Martinbüschel und Reifland, und Pockau nach Lengefeld, welcher Ort 2 Stunden von Zschopau entfernt liegt. Die dasige Kirche ist durch die Bemühung des Herrn auf Rauenstein, Herrn Carl Christoph von Römer im Jahre 1725–1729 erneuert und erweitert worden, wie dies Alles schon bei der Beschreibung von Rauenstein näher erwähnt worden ist.
In dem unweit Lengefeld gelegenen Walde und in dem hinter Marienberg gegen Süd liegenden Gebirge, unweit dem Dorfe Grumbach, sind Kalklager in Gneusse. Diese durch Flötzklüfte getrennten Lager sind 20 bis 40 Fuss mächtig und der Kalkstein von weisser Farbe ist ziemlich feinkörnig. Der in den Lengefelder Brüchen ist besser als der in den Schmalzgruben, wo er nicht so rein ist. Hier findet man ihn oft mit Gneuss, dunkelgrünem Asbest, schörlartigem Gestein, schwarzer und grüner Hornblende und eisenfarbigem, fein schuppigem, magnetischem Eisenstein vermischt.
Lengefeld hat auch 2 Jahrmärkte, wovon der eine Montags nach Georgi, der andere Montags nach Simon Judä fällt.
Lengefeld liefert ebenfalls wie Wünschendorf und Stolzenhain viel Holzwaaren, besonders Geräthschaften.
Vor der neuen Gerichtsorganisation gehörte Lengefeld, wie Stolzenhain und Wünschendorf, zum Amte Wolkenstein, ein Amt, welches aus den Waldenburgischen Herrschaften Wolkenstein und Scharfenstein, so wie der Rauensteiner Herrschaft erwachsen und meist erst spät Eigenthum der Markgrafen geworden war.
Gewöhnlich hiess es das Amt Wolkenstein mit dem Mühlenamte Annaberg. Letzteres war ehedem die Herrschaft Balberg, wovon wir zu einer andern Zeit Gelegenheit haben werden, mehreres zu erwähnen.
Lengefeld ist bei der neuen Gerichtsorganisation ein selbstständiges Gerichtsamt geworden, wozu Wünschendorf mit Stolzenhain gehört.
Wünschendorf zählt jetzt 67 bewohnte Gebäude, 127 Familienhaushaltungen und 754 Einwohner. Stolzenhain 8 bewohnte Gebäude, 9 Familienhaushaltungen und 51 Bewohner. Unter den Einwohnern von Wünschendorf befinden sich 19 Häusler und 15 Begüterte.
Seit dem Jahre 1822 ist in Wünschendorf eine besondere Schule mit einem Thurm erbaut, welche von 120 Kindern besucht wird.
Früher wurde der Unterricht in den Wohnungen der Einwohner gehalten.