Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Thum

Textdaten
<<< >>>
Autor: M. G.
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Thum
Untertitel:
aus: Erzgebirgischer Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 4, Seite 127–128
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: [1856]
Verlag: Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer: {{{ÜBERSETZER}}}
Originaltitel: {{{ORIGINALTITEL}}}
Originalsubtitel: {{{ORIGINALSUBTITEL}}}
Originalherkunft: {{{ORIGINALHERKUNFT}}}
Quelle: Commons = SLUB Dresden
Kurzbeschreibung:
{{{SONSTIGES}}}
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[Ξ]
[127]
Thum


an der Strasse von Annaberg nach Chemnitz, unfern des südlich sich erhebenden Greifensteins an einem Bache, der nach seiner Vereinigung mit dem Ehrenfriedersdorfer Wasser die Wilzsch heisst, gelegen.

Das Rittergut, Hof-Thum genannt, liegt dicht an dem Städtchen Thum und ist dasselbe, welches wir in der Abbildung erblicken.

Nach und nach hat dieses Rittergut vorn Städtchen Thum Wiesen gekauft und ist deshalb der jedesmalige Besitzer von Hof-Thum Bürger in der Stadt Thum. Das Rittergut ist stark und wie das Bild darthut, schön gebaut. Die Schäferei und die Kalköfen liegen beim Marktflecken Herold.

Thum, die Stadt und das Rittergut welches früher ein blosses Vorwerk war, gehörte zu der Herrschaft Wolkenstein, deren erste bekannte Besitzer die von Waldenburg waren. Schon im Jahre 1241 kamen dieselben hier vor und zu der Herrschaft gehörten die Orte Wolkenstein, Geyer, Ehrenfriedersdorf, Thum und Zschopau. Nach dem Aussterben der Herren von Wolkenstein kam die Herrschaft 1440 oder einige Jahre später an Kurfürst Friedrich den Sanftmüthigen. Im Jahre 1485 übernahm solche sein Sohn Albrecht der Beherzte. Dieser verkaufte Thum oder Hof-Thum im Jahre 1499 mit allen Rechten an seinen Rath Heinrich von Schönberg dem Aelteren zu Stollberg um 725 Gulden, dessen Nachkommen es bis auf die neuesten Zeiten nebst Jahnsbach, Gelenau u. s. w. besessen haben.

Die sächsische Familie von Schönberg ist wohl zu unterscheiden von der Rheinländischen in diesem Album schon näher auch beschriebenen Gräflichen Familie gleichen Namens. Die sächsische Familie führt einen aufrecht stehenden Löwen im Wappen, halb roth halb grün im goldenen Felde und hat bis zu Anfang des 14. Jahrhunderts ihr Stammschloss Schönberg bei Naumburg besessen, welches dann an das Stift zu Naumburg übergegangen ist.

Seit dem 6. Juli 1847 besitzt die Schönbergsche Familie, Gelenauer Linie, Thum ebenfalls nicht mehr, sondern solches ist vom Herrn Aug. Casp. Ferd. Damm von Schönberg an den Königl. Preuss. Oberstlieutenant a. D. Herrn August Adolph Friedrich Ludwig von Zastrow übergeben worden.

Zur Gerichtsbarkeit des Rittergutes gehörte früher der Marktflecken Herold, ein Theil von Drehbach und Oberndorf. Letzteres hat seinen Namen wahrscheinlich noch aus jenen Zeiten behalten, wo Thum bloss ein Dorf war und wohl das Niederdorf genannt werden mochte; denn dass Oberndorf ursprünglich mit Thum nur einen Ort bildete, ist aus verschiedenen Ursachen mit Grund anzunehmen: Auch hat dasselbe in mancherlei Beziehung z. B. in der Braugerechtigkeit mit der Stadt gleiche Rechte. Oberndorf liegt hart an der Nordseite der Stadt an und erstreckt sich an einem geringen Wasser gegen Nordwest hinauf, wird auch von der Strasse von Chemnitz nach Annaberg durchschnitten.

Oberndorf wie Thum nähren sich mit Posamentierarbeit, mit Spitzenklöppelei, Handwerken aller Art, dem Feld- oder Bergbau. Die hiesigen Bänder und Spitzen werden gewöhnlich an die Handlungen in Annaberg, Chemnitz und Zschopau abgesetzt.

Der Bergbau wird meistens auf Zinnzwitter getrieben und steht unterm Bergamte Annaberg.

Bei Thum findet man den Thumerstein, ein Fossil, das sehr theuer bezahlt und für Sachsen nur hier gefunden wird. Ausserdem bricht man dieses Fossil nur noch in der Dauphinée und zu Kongsberg in Norwegen.

Mitten im Freiwalde, ½ Stunde südlich von Thum entfernt, liegt der obenerwähnte Greifenstein. Dieser Felsen besteht aus 9 bis 10 senkrecht und freistehenden gegen 100 Fuss hohe Spitzen bildenden Granitfelsen. Diese Felsengruppe ist höchst sonderbar gestaltet und mit Bäumen malerisch durchwachsen, die in der Ferne das Ansehen einer alten Burg hat. Die Steinblöcke liegen schichtenweis, wie Betten, über einander, immer kleiner und kleiner, flugs bis zu der Grösse eines Hutes und dem Ansehen nach sind sie so locker, als wollten sie jeden Augenblick zusammenstürzen. Auf einem derselben kann man bequem gehen und man hat darauf eine Aussicht von 6 Meilen des Erzgebirges. Von der höchsten Spitze des Felsens aus ist schon mehrmals die Umgegend aufgenommen worden. Diese Felsen sind eben so geformt, wie der Rudolphstein im Fichtelgebirge.

Die ganze Gegend wird durch diese Felsenparthie und durch das Thumer Wasser höchst romantisch und an den Greiffenstein knüpfen sich eine Reihe Sagen, zu deren näherer Aufzählung hier kein Platz ist.

Das Thumer Wasser heisst auch das Greifensteiner und ist als solches vom Greiffenbache zu unterscheiden. Ersteres entsteht durch Vereinigung zweier Bäche, des Oberdorfer Wassers und des Jahnsbaches. Der Jahnsbach bespült auch die Stadt Thum selbst. Die Vereinigung [128] beider Bäche geschieht beim Rittergute Hof-Thum. Unter Ehrenfriedersdorf bei der obern Mühle des Dorfes Herold durch Zusammenfluss des Thumer Wassers mit dem Ehrenfriedersdorfer Röhrgraben bildet sich der ansehnliche Bach der Wilzsch. Die vereinigte Wilzsch fliesst durch Herold gegen Nord, treibt dann in einem tiefen, finster bewaldeten Grunde die Gelenauer Bretmühlen, theilt das Dörfchen Wilzsch vom untern Ende von Gelenau, empfängt den reissenden Gelenauer Bach und wendet sich nordöstlich in einen tiefen, einsamen, höchst melancholischen Wiesengrund, wo sie noch einige geringe Bäche aufnimmt; gegen 200 Ellen hoch streben aus derselben die meist bewaldeten Berge empor. Von Gelenau 1¼ Stunde entfernt fliesst ihr das Weissbacher Dorfwasser zu, und Weissbach selbst wird fast von ihr berührt. Hier wird ihr Lauf östlich und unter dem grossen, felsigen Heidel- oder Beerberg mündet sie in die Zschopau. Unterwärts ⅝ Stunde entfernt liegt Zschopau. Diese letzte Parthie des Wilzschthales, welches zu den grandiosesten im Erzgebirge gehört, dürfte leicht als die schönste zu erklären sein, und gewährt von den jenseits der Zschopau ganz steil emporsteigenden Höhen des Scharfensteiner Forstes hinab einen herrlichen Anblick.

Jahnsbach und das Rittergut Thum sind in die Stadtkirche von Thum eingepfarrt, deren Collator der jedesmalige Rittergutsbesitzer von Gelenau ist.

Eine Kapelle soll, der Sage nach, schon im 15. Jahrhundert hier gestanden haben und in ihr ein wohnender Thum d. i. Domherr Messen gelesen und von ihm der Ort den Namen Thumb oder Thum erhalten haben. Nach dessen Tode ist die Kapelle erweitert und in eine Kirche umgewandelt worden. Schon in den frühesten Zeiten hat sie den Namen St. Anna geführt und ist dieser Name noch jetzt an der äussern Südseite der Kirchenmauer in Stein gehauen zu lesen. Im Jahre 1590 erhielt sie eine Orgel, die aber im 30jährigen Kriege zerstört, späterhin verändert und endlich ganz erneuert wurde. Im Jahre 1602 den 23 März brannte die Kirche nebst der Schule und 22 Bürgerhäusern völlig ab. Unter der Leitung des damaligen Pastor Viehweger wurde im Jahre 1703 die jetzige Kirche erbaut. Die Kirche besitzt ein Vermögen von 2000 Rthlr. und eine werthvolle Bibliothek, in welcher sich unter anderen Schriften von Bedeutung ein geschriebenes Testament von 1471 und Dr. Luthers sämmtliche Werke sich befinden.

In der Kirche wird jährlich eine Bergpredigt gehalten.

Der Marktflecken Herold ist merkwürdiger Weise mit Ausnahme einer geringen Häuserzahl nicht nach Thum, sondern nach Drehbach eingekircht, einem Dorf, von welchem 24 Häuser dem Rittergute[WS 1] Thum unterworfen waren. Die Schulstelle in Herold wird dagegen von dem Besitzer des Rittergutes Thum besetzt.

Der Flecken Herold zeichnet sich durch 2 bedeutende Spinnfabriken aus, welche durch ihre stattlichen Gebäude dem Orte ein freundliches Ansehen geben. Die niedere Fabrik gehört dem Kaufmann Martin und wurde 1833 erbaut; die obere, im Jahre 1835 entstanden, gehört den Gebrüdern Horn. In jeder Fabrik befindet sich eine Schule. Die Fluren des Dorfes haben einen Flächeninhalt von 379 Ackern.

Der Ort hat einen sehr besuchten Jahrmarkt, welcher am Montage nach Burkhardi gehalten wird.

Ausserdem befinden sich hier 1 bedeutende Kalkbrennerei, 1 Gasthof, 2 Mahlmühlen, 1 Oelmühle und 1 Zeughammer; auch wird Bergbau getrieben.

Zu Thum wird noch, ausserhalb liegend, die sogenannte Herrenmühle und die Rathsmühle gezählt. Oberndorf bildet mit der Stadt Thum eine Gemeinde.

In Thum selbst befindet sich eine Postexpedition.

Früher gab es hier Bleigruben und an der Wilzsch Seifenwerke, und das Thumer Bier war berühmt, obschon dasselbe jetzt noch gut genannt werden muss.

Thum hatte im 30jährigen Kriege viel zu erdulden, was bei der nicht grossen Wohlhabenheit des Ortes um so schrecklicher war, und das letzte Gefecht des 30jährigen Krieges den 15. Jan. 1648 wird – zwar unpassend – die Thumer Schlacht genannt.

Thum, das Rittergut, hat 36 bewohnte Gebäude mit 72 Familienhaushaltungen und 433 Einwohnern.

Thum, die Stadt, hat 221 bewohnte Gebäude mit 489 Familienhaushaltungen und 2450 Einwohnern.

Beide gehören zum Gerichtsamt Ehrenfriedersdorf, zum Bezirksgericht Annaberg, zur Amtshauptmannschaft Niederforchhain, zum Regierungsbezirk Zwickau.

Thurn, das Rittergut und Dorf, bildet mit Gelenau, Herold und Jahnsbach die 4 Landgemeinden dieses Gerichtsamtes, wozu noch die beiden Städte Ehrenfriedersdorf und Thum gerechnet werden. Trotz der wenigen Ortschaften hat das Gerichtsamt Ehrenfriedersdorf doch eine Seelenzahl von 12,478 Unterthanen.

M. G.     



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Ritergute