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beider Bäche geschieht beim Rittergute Hof-Thum. Unter Ehrenfriedersdorf bei der obern Mühle des Dorfes Herold durch Zusammenfluss des Thumer Wassers mit dem Ehrenfriedersdorfer Röhrgraben bildet sich der ansehnliche Bach der Wilzsch. Die vereinigte Wilzsch fliesst durch Herold gegen Nord, treibt dann in einem tiefen, finster bewaldeten Grunde die Gelenauer Bretmühlen, theilt das Dörfchen Wilzsch vom untern Ende von Gelenau, empfängt den reissenden Gelenauer Bach und wendet sich nordöstlich in einen tiefen, einsamen, höchst melancholischen Wiesengrund, wo sie noch einige geringe Bäche aufnimmt; gegen 200 Ellen hoch streben aus derselben die meist bewaldeten Berge empor. Von Gelenau 1¼ Stunde entfernt fliesst ihr das Weissbacher Dorfwasser zu, und Weissbach selbst wird fast von ihr berührt. Hier wird ihr Lauf östlich und unter dem grossen, felsigen Heidel- oder Beerberg mündet sie in die Zschopau. Unterwärts ⅝ Stunde entfernt liegt Zschopau. Diese letzte Parthie des Wilzschthales, welches zu den grandiosesten im Erzgebirge gehört, dürfte leicht als die schönste zu erklären sein, und gewährt von den jenseits der Zschopau ganz steil emporsteigenden Höhen des Scharfensteiner Forstes hinab einen herrlichen Anblick.

Jahnsbach und das Rittergut Thum sind in die Stadtkirche von Thum eingepfarrt, deren Collator der jedesmalige Rittergutsbesitzer von Gelenau ist.

Eine Kapelle soll, der Sage nach, schon im 15. Jahrhundert hier gestanden haben und in ihr ein wohnender Thum d. i. Domherr Messen gelesen und von ihm der Ort den Namen Thumb oder Thum erhalten haben. Nach dessen Tode ist die Kapelle erweitert und in eine Kirche umgewandelt worden. Schon in den frühesten Zeiten hat sie den Namen St. Anna geführt und ist dieser Name noch jetzt an der äussern Südseite der Kirchenmauer in Stein gehauen zu lesen. Im Jahre 1590 erhielt sie eine Orgel, die aber im 30jährigen Kriege zerstört, späterhin verändert und endlich ganz erneuert wurde. Im Jahre 1602 den 23 März brannte die Kirche nebst der Schule und 22 Bürgerhäusern völlig ab. Unter der Leitung des damaligen Pastor Viehweger wurde im Jahre 1703 die jetzige Kirche erbaut. Die Kirche besitzt ein Vermögen von 2000 Rthlr. und eine werthvolle Bibliothek, in welcher sich unter anderen Schriften von Bedeutung ein geschriebenes Testament von 1471 und Dr. Luthers sämmtliche Werke sich befinden.

In der Kirche wird jährlich eine Bergpredigt gehalten.

Der Marktflecken Herold ist merkwürdiger Weise mit Ausnahme einer geringen Häuserzahl nicht nach Thum, sondern nach Drehbach eingekircht, einem Dorf, von welchem 24 Häuser dem Rittergute[WS 1] Thum unterworfen waren. Die Schulstelle in Herold wird dagegen von dem Besitzer des Rittergutes Thum besetzt.

Der Flecken Herold zeichnet sich durch 2 bedeutende Spinnfabriken aus, welche durch ihre stattlichen Gebäude dem Orte ein freundliches Ansehen geben. Die niedere Fabrik gehört dem Kaufmann Martin und wurde 1833 erbaut; die obere, im Jahre 1835 entstanden, gehört den Gebrüdern Horn. In jeder Fabrik befindet sich eine Schule. Die Fluren des Dorfes haben einen Flächeninhalt von 379 Ackern.

Der Ort hat einen sehr besuchten Jahrmarkt, welcher am Montage nach Burkhardi gehalten wird.

Ausserdem befinden sich hier 1 bedeutende Kalkbrennerei, 1 Gasthof, 2 Mahlmühlen, 1 Oelmühle und 1 Zeughammer; auch wird Bergbau getrieben.

Zu Thum wird noch, ausserhalb liegend, die sogenannte Herrenmühle und die Rathsmühle gezählt. Oberndorf bildet mit der Stadt Thum eine Gemeinde.

In Thum selbst befindet sich eine Postexpedition.

Früher gab es hier Bleigruben und an der Wilzsch Seifenwerke, und das Thumer Bier war berühmt, obschon dasselbe jetzt noch gut genannt werden muss.

Thum hatte im 30jährigen Kriege viel zu erdulden, was bei der nicht grossen Wohlhabenheit des Ortes um so schrecklicher war, und das letzte Gefecht des 30jährigen Krieges den 15. Jan. 1648 wird – zwar unpassend – die Thumer Schlacht genannt.

Thum, das Rittergut, hat 36 bewohnte Gebäude mit 72 Familienhaushaltungen und 433 Einwohnern.

Thum, die Stadt, hat 221 bewohnte Gebäude mit 489 Familienhaushaltungen und 2450 Einwohnern.

Beide gehören zum Gerichtsamt Ehrenfriedersdorf, zum Bezirksgericht Annaberg, zur Amtshauptmannschaft Niederforchhain, zum Regierungsbezirk Zwickau.

Thurn, das Rittergut und Dorf, bildet mit Gelenau, Herold und Jahnsbach die 4 Landgemeinden dieses Gerichtsamtes, wozu noch die beiden Städte Ehrenfriedersdorf und Thum gerechnet werden. Trotz der wenigen Ortschaften hat das Gerichtsamt Ehrenfriedersdorf doch eine Seelenzahl von 12,478 Unterthanen.

M. G.     



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Ritergute
Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/201&oldid=- (Version vom 3.6.2018)