Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Raschau

Textdaten
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Autor: M. G.
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Titel: Raschau
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aus: Voigtländischer Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 5, Seite 163–165
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Erscheinungsdatum: o. J. [1859]
Verlag: Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: SLUB DresdenCommons
Kurzbeschreibung:
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[163]
Raschau,


dicht nördlich an der Stadt Oelsnitz, am rechten Ufer der Elster gelegen, zwei Stunden von Plauen entfernt, dürfte wohl zu den nicht uninteressantesten Namen dieser Gegend gehören.

Nach Unterjochung der Sorbenwenden durch Kaiser Heinrich den Ersten, welcher fünf voigteiliche Häuser, Gera, Plauen mit Voigtsberg, Greiz, Weida und Hof errichtete, wurden in der Nähe von Voigtsberg und Oelsnitz noch mehre Orte angelegt und mit einzelnen Ländereien deutsche Krieger beschenkt, welche wieder unter den Voigten standen.

Auf diese Weise erhob sich auch Raschau, von welchem der beschenkte Krieger seinen Namen entlehnte und als erster dieser Herren wird uns ein Leuther von Rouschouwo genannt. Im Jahre 1357 finden wir hier einen Niclas von Raschau und noch bis ins 15. und 16. Jahrhundert blühte diese Familie von Raschau im Voigtlande. Sie hatte unterdessen viele Besitzungen erworben und gehörte zu den berühmtesten Geschlechtern im Voigtlande.

Der Ort Raschau selbst wurde bald durch diese Familie gehoben und vergrössert, durch Ankauf von Ländereien erweitert, namentlich kamen viele Fluren von dem in der Nähe von Planschwitz früher gestandenen Gatzenhof zu Raschau. Wenn aber einige Topographen und Geschichtsschreiber behaupten, dass Raschau früher aus zwei Gütern, ja sogar aus drei Gütern bestanden habe, so ist dies ein Irrthum, vielmehr hat es damit folgende Bewandtniss:

Allerdings existirten im 13. und 14, Jahrhundert 2 „Forbergke“ von Raschau, die aber von den Herren von Raschau an andere Besitzer veräussert wurden, woher es kam, dass oft in einem Dorfe mehre adlige Familien existirten und dadurch Missverständnisse herbeigeführt worden sind. Diese beiden „Forbergke“ kommen im Jahre 1481 unter dem Namen das Theymler’sche und des Meyerhöfer’schen Gutes vor, als in welchem Jahre Matthes Theymler dieses Gut von Philipp von Uttenhofen erkaufte und darüber von dem damaligen Churfürsten Ernst und Herzog Albert zu Sachsen d. d. Dresden 1481 am Dienstage nach Epiphanias beliehen wurde.

Ein neuer Lehnbrief kommt vom Jahre 1494 vor, wo Churf. Friedrich und Johann, sein Bruder, Herzog zu Sachsen, Matthes Theymlern, dessen Sohn und Tochter mit dem Vorwerke Raschau und dem Bergwerke belehnte. Im Jahre 1500 Montags nach Viti verkaufte Matthes Theymler mit Vorwissen seiner ehelichen Wirtin und Erbnehmerin dies Vorwerk Raschau dem Hans Fassmann, von welchem es 1509 der Rath zu Oelsnitz acquirirte.

Das Meyerhöfer’sche Vorwerk kam später an die Stadt: Denn 1551 reichte Heinrich V., Burggraf zu Meissen und böhmischer Canzler dieses Gut Wolf und Andreas Meyerhöfern in zweien Herbergen zu Raschau nebst allen Ein- und Zubehörungen zu rechtem Mannlehne mit einem halben Pferde zu verdienen, in Lehn. Dieses Alles wurde von diesen Besitzern nebst einem Stück Holz und einer Wiese hinter dem Hain gelegen, an den Rath zu Oelsnitz erblich verkauft.

Der Rath zu Oelsnitz, welcher im Jahre 1587 damit beliehen worden war, traf mit diesem Gute eine gänzliche Veränderung. Von der einen Herberge wurden die Gebäude weggerissen und die dazu gehörigen Felder [164] auf der Seite nach der Stadt zu, unter die Bürger einzeln verkauft; mit der andern Herberge aber, die auf dem Berge lag, wurde ein halber Hof gebildet, die übrigen Felder dazugeschlagen, an einen gewissen Neidthardt verkauft und als Erbgut verliehen.

Die Erb- und Obergerichte aber von diesen Meyerhöfer’schen Gütern, die sich über das Dorf Raschau erstreckten, wurden dem Besitzer des Gutes Raschau vorbehalten, welches schon vorher eine Mitberechtigung hatte. Auf diese Weise gelangte das Rittergut Raschau, das mit keinem Ritterpferde verdient wurde, zu seiner Gerichtsbarkeit.

Wenn ausserdem in der Geschichte noch die Familie von Kospoth als Besitzerin eines Gutes in Raschau erwähnt wird, so ist dies wieder ein Irrthum. Ein Balthasar von Kospoth besass hier nur ein Häuslein und Garten.

Vielmehr finden wir im Besitze von Raschau im 16. und 17. Jahrhundert die Familie von Seilbitz.

Im 30jährigen Kriege und zwar 1632 war Besitzer von Raschau Johann Flossa von Seilbitz, welcher als Amtsschösser zu Voigtsberg das Schloss daselbst an Holken übergeben musste. Durch die Truppen dieses Generals wurde das Schloss Voigtsberg sehr mitgenommen, weshalb Herr Flossa von Seilbitz 1635 für die neue Wiederherstellung desselben sorgte. Dieser Herr von Seilbitz ist auch der Erbauer der Schwibbogen auf dem Oelsnitzer Gottesacker No. 27. 28. 29. und 30., welche er im Jahre 1650 für sich und die Seinigen zu einem Erbbegräbniss weihen lies.

Dieser Besitzer von Raschau starb 1660 und ruht in diesem seinem Erbbegräbnisse zu Oelsnitz.

Nach den Herren von Seilbitz finden wir als Besitzer des Gutes Raschau die Herren von Osten. Mit dem Erben und kinderlosen Besitzer dem Geheimen Rathe von Osten auf Raschau, Dürrenthal und Hütting erlosch 1763 dieses Geschlecht und mittelst testamentarischer Bestimmung hinterlies derselbe seine sämmtlichen Besitzungen zur Fundation milder Stiftungen, zu denen auch die Errichtung eines Waisenhauses zu Plauen und Hof mit gehörte, obschon früher Herr von Osten beabsichtigt hatte, mit einem solchen die Stadt Oelsnitz zu beschenken. Allein ein Streit über die Fischerei-Gerechtsame mit dem Stadtrathe zu Oelsnitz erbitterte den Geheimen Rath von Osten so, dass er diese seine frühere Bestimmung dahin abänderte und den Stadtrath zu Plauen natürlich auch mit dem Rittergute Raschau beglückte. Seit dieser Stiftung von 1763 wurde das Rittergut Raschau vom Stadtrathe zu Plauen besessen und die Gerichte von einem Actuarius des Stadtraths unter dem Namen „die Osten’schen Waisenhausgerichte“ verwaltet.

Ursprünglich wurde das Waisenhaus in das obere Hospital zu St. Elisabeth zu Plauen, welches am sogenanntem Elster-Brücken-Thore steht, verlegt. Den Anforderungen der Neuzeit zu entsprechen erfolgte später und nachdem dieses Waisenhaus durch andere Vermächtnisse noch besser fundirt war, der Ankauf eines neuen Gebäudes mit schönen Garten, welches der Kfm. Keller zu Plauen zu einem billigen Preise der Stiftung abtrat. Dieses neue Waisenhaus liegt vor dem Strassberger Thore in einer ruhigen und freundlichen Gegend. Neben dem Urheber dieser Anstalt hat sich vorzüglich auch der frühere Stadtrath Kfm. Heynig sen., um dieselbe durch ein herrliches Vermächtniss verdient gemacht, so dass die Zahl der aufzunehmenden Kinder um ein Bedeutendes sich vermehrt hat. Ursprünglich war die Zahl auf 12 Mädchen und auf 12 Knaben bestimmt, jetzt können 36 darinnen Unterkunft finden.

Ebenso hat sich der verstorbene Stadtrath Heynig bei Lebzeiten um die innere Einrichtung sehr grosse Verdienste erworben, und es wird wenig Institute geben, welche sich mit diesem messen können.

Man frage die Erwachsenen dieser Anstalt der Neuzeit und vergleiche damit die Aussagen der früheren Zöglinge, so wird man die Wahrheit unserer Behauptung gerechtfertigt finden.

Die letzteren wurden zwar in Zucht und Ordnung erhalten, zur Schule angehalten, aber welche Arbeit nach dem Schulunterricht? Man kannte keine andere Beschäftigung für diese Kinder, als Federschliessen, welches oft die nachtheiligsten Wirkungen für die Gesundheit dieser Armen hatte. Wie ganz anders jetzt. In allen weiblichen Arbeiten werden die Mädchen unterrichtet, und die Knaben finden im schönen Garten Beschäftigung und lernen Alles, was zu ihrem fernem Fortkommen förderlich ist.

Wie Manches von diesen armen Kindern wäre vielleicht untergegangen, wenn ihm nicht hier Vater und Mutter ersetzt und körperliche und geistige Nahrung in so reichem Maasse gereicht worden wäre.

Unwillkührlich wird man bei Beschauung einer solchen Anstalt zum Danke gegen den Stifter derselben, zum Danke gegen Alle die, welche in seinem Geiste fortbauten und nicht müde wurden, für das Heil und Wohl der Menschheit zu wirken und zu schaffen, verpflichtet.

Der Name von Osten und Heynig wird mit dankbarer Rührung stets genannt werden, so lange die Menschheit nicht aufhört, für hochherzige, edle Gesinnungen ihre Begeisterung und ihre Nacheiferung an den Tag zu legen.

Raschau selbst, das Gut, ist seit jener Stiftung stets verpachtet gewesen, [165] und der Stadtrath zu Plauen hat milde und vorsichtig für die ihm anvertrauten Besitzungen gesorgt.

Auch die Gerichtsuntergebenen durften sich nie beklagen, da dieselben sich stets humaner und umsichtiger Gerichtsverwalter aus der Mitte des Stadtraths zu erfreuen hatten.

Raschau’s Bewohner bestehen aus begüterten und Häuslern. Erstere besitzen gute Felder und vortrefflichen Wieswachs, und seit Ablösung der Huth und Frohnen haben dieselben von Jahr zu Jahr ihre Vermögensverhältnisse verbessert.

Die Häusler finden im benachbarten Oelsnitz und in Raschau selbst immer nährende Beschäftigung. Auch wird von dem weiblichen Personal schon viel nach Plauen genäht.

Zum Gute gehört auch die sogenannte Pfaffenwiese und die sogenannten Raschauer Häuser zu Untermarxgrün.

Im Orte befindet sich eine schöne Mühle mit 3 Gängen an der Elster und eine Schenke.

Vor Zeiten war in der Nähe dieses Ortes die Elster reich an Perlen.

Vorzüglich wurden hier zu Anfang des 17. Jahrhunderts, nachdem mittelst höchsten Rescripts vom 8. Juli 1621 Moriz Schmerler aus Oelsnitz als erster Perlensucher in Amt und Pflicht genommen war, die schönsten Perlen gefunden, und man schrieb deshalb vom Elsterflusse:

„Der Elsterfluss ist um deswillen unter die berühmtesten Flüsse der Welt zu zählen, weil derselbe um diese Gegend edle Perlen bei sich führt, gestalt man in derselben noch bis dato, gleich wie auch in vorigen Zeiten die kostbarsten Perlen, welche an Schönheit, Helle, Reinigkeit und Grösse denen Orientalischen gutermassen beikommen, findet; also, dass einige darunter so gross, als eine ziemliche Musketen-Kugel und so helle, als eine mit himmelblauer Farbe glänzende Milch gewesen.“

Die Perlen-Muscheln der Elster betragen meistentheils in ihrer Länge eine gemeine Viertelelle, und die Breite verhält sich wie eins zu fünf. Gewöhnlich wird ihnen ein Alter von 100 bis 200 Jahren zugeschrieben.

Die Muschelschalen sind auf beiden Seiten oval auswärts gebogen; die Farbe derselben ist auswendig schwarz und grau. Inwendig sind die Muscheln mit einem silberfarbenen Glanze überzogen, was im gemeinen Leben „Perlenmutter“ genannt wird.

Die junge Muschelbrut lebt und gedeiht vorzüglich in schlammigem, für sie nahrungsreichen Boden. Die Muscheln, die schon ein gewisses Alter erreicht haben, setzen keine Perlen mehr an, sondern dienen nur zur Fortpflanzung.

In jeder Muschel ist grösstentheils nur eine Perle. Die Entstehung dieser Perle ist aber noch nicht recht ermittelt, obwohl man verschiedene Behauptungen darüber aufgestellt hat.

Die hiesigen Perlen sind rein, hell und durchsichtig und haben die Milchfarbe.

Die Perlen-Muschel, wenn sie gedeihen soll, muss Ruhe haben. Durch Anlegung von Hammerwerken, durch die Flösse und durch Fabriken ist die Ruhe der Perlen-Muschel gestört und deshalb der Fund derselben nicht mehr erspriesslich.

Die Schicksale des Ortes anlangend, so hat Raschau im 30jährigen Kriege mit Oelsniz gleiches Unglück ertragen müssen.

Die Stadt Hof war am 9. und 10. Aug. 1631 vom General Holke erobert und geplündert worden, ein Gleiches war mit Adorf und Neukirchen geschehen, und am 14. Aug., früh Morgens um 6 Uhr, erschienen die ersten feindlichen Truppen vor Oelsnitz, wo die Besatzung der Stadt auf ein Mal die rauchenden Häuser von Raschau erblickte und bald die Zerstörung des ganzen Dorfes übersehen konnte.

Auch das damalige alte Schloss wurde ein Raub der Flammen; wogegen das später erbaute, wie wir solches in der Abbildung erblicken, mehr in modernem Styl gehalten ist.

Es wird jetzt blos von dem Pachter bewohnt. Vor Abgabe der Gerichte an den Staat wurden in demselben die Gerichtstage gehalten.

Raschau ist nach Oelsnitz eingepfarrt und gehört jetzt mit seinen 64 Gebäuden und 477 Einwohnern ebenfalls zum Gerichtsamte Oelsnitz und zum Bezirksgericht Plauen.

Das Gerichtsamt Oelsnitz ist aus dem früheren Justizamte Voigtsberg gebildet, welches 11 Quadratmeilen mit 4 Städten, 106 Dörfern und 52 Rittergütern umfasste und in 2 Landgerichte, in das obere und untere eingetheilt war.

Das jetzige Gerichtsamt Oelsniz besteht nur aus 1 Stadt und 49 Landgemeinden mit 19371 Gerichtsuntergebenen.

M. G.