Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Ortenburg

Textdaten
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Autor: Moritz Grimmel
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Titel: Ortenburg von Bautzen
Untertitel:
aus: Markgrafenthum Oberlausitz, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 3, Seite 196–197
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: o.J. (1854–1861)
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons und SLUB Dresden
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Die Ortenburg von Bautzen
Die Ortenburg von Bautzen


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Die Ortenburg von Bautzen.


Die Ortenburg von Bautzen, reich an geschichtlichen Erinnerungen, gehört zu den denkwürdigsten und interessantesten Schlössern von Sachsen. Möchte es uns gelingen, in kurzen Umrissen ein treues Bild davon zu entwerfen:

Das Schloss Ortenburg liegt am Ende des Granitfelsens, auf welchem die Stadt Bautzen erbaut ist, dem Bretzschen oder Proitzschenberge, einem andern eben so hohen Berge gegenüber, zwischen welchen beiden im Thale die Spree fliesst. Schon im Jahre 807 soll der Schlossberg von den wendischen Anwohnern der Furt unter demselben, nach Zerstörung ihrer Veste auf dem Proitzschenberge in Folge des Sieges der Deutschen über die Böhmen und Sorbenwenden angebaut worden sein; doch ist dies blos Sage.

Erst im Jahre 958 wurde der Schlossberg durch die Erbauung einer Burg der Sitz eines Burggrafen und gegen das Ende des 10. Jahrhunderts entstand die Stadt Budissin, welche 1002 der polnische Herzog Boleslaus Chobri eroberte, 1005 Kaiser Friedrich II. ihm wieder abnahm und mit deutscher Besatzung in dem Markgrafen Herrmann von Meissen versah, aber der 1018 geschlossene Friede wieder unter polnische Hoheit brachte.

Im 11. und 12. Jahrhundert waren die Grafen von Groitzsch mit dem Schlosse Ortenburg und mit der Herrschaft Bautzen beliehen, welche es ebenfalls wohl mehr als Burggrafen verwalteten oder der Stelle des Statthalters unter böhmischer Herrschaft vorstanden.

Diese erste Landesstelle, die des Landvoigts, behauptete sich auch im 15. Jahrhundert unter dem Könige Matthias Corvinus fort, welcher im Jahre 1483, nachdem die alte Ortenburg abgebrannt war, ein neues Schloss erbauen und dem Landvoigte als Sitz und Residenz anweisen liess. Dieser Matthias Corvinus steht in voller Rüstung über dem äussersten Thore ausgehauen.

Dieses neue Schloss wurde aber zum Theil im Jahre 1620 ein Raub der Flammen, so dass das jetzige in der Abbildung zu erschauende eigentlich aus dem Jahre 1635 stammt.

Johann Georg I. erwarb in diesem Jahre am 30. Mai die beiden Lausitzen durch den Separatfrieden mit dem Kaiser zu Prag und zwar als ein Mannlehn der Krone Böhmens als erblichen Besitz mit Beibehaltung aller ihrer Rechte und Freiheiten. Johann Georg I. behielt deshalb auch den Landvoigt bei, dessen Stelle nachher Johann Georg III. und Friedrich Christian als Kurprinzen verwalteten.

Der Sitz des Landvoigts in der Ortenburg war daher auch die Veranlassung zu den häufigen Besuchen von Königen und Kaisern. Denn auf demselben halten Johann 1319, Karl V., Wenzel IV., Ferdinand I., Maximilian II., Rudolph II. Hof gehalten, vorzüglich in unruhigen Zeilen, wo sie sich in Prag nicht sicher hielten. Auch Georg III. floh hieher vor der Pest.

Mit dem Jahre 1777 hörten die Landvoigte auf und von dieser Zeit an versorgte ein Oberamts-Verwalter, der seit 1800 den Titel eines Oberamts-Hauptmanns führte, die damit verbundenen Geschäfte; denn der Landvogt hatte sehr wichtige Functionen. Ihm stand der Vorsitz beim Oberamte wie bei dem Judicio ordinario zu, er bestätigte die von den Ständen gewählten Amtshauptleute zu Bautzen und Görlitz, er besetzte vom Oberkanzler an alle Stellen beim Oberamte, empfing in des Landesherrn Namen von allen Vasallen den Eid der Treue und hatte überhaupt den wichtigsten Einfluss auf alle Angelegenheiten der Provinz.

Im Parterre des Schlosses und im ersten Stockwerk befand sich daher auch der Sitz der Oberamts-Kanzlei und des Oberamtsarchivs. Auch wurden in demselben die Gerichte der Verordneten von Land und Städten und die Vorbeschiede des Bautzner Amtes gehalten. Die ganze Gerichtsverfassung der Lausitz beruhte später auf der vom König Matthias II. im Jahre 1611 bestätigten Amts- und Gerichtsordnung, welche durch spätere Gesetze und Verordnungen des Hauses Sachsens die bekannten Abänderungen erlitten hat.

In dem Schlosse Ortenburg ist auch der grosse Versammlungssaal, wo der jedesmalige Landesherr der Oberlausitz die Huldigung annimmt, und daneben ein grosses, schönes, mit einer Stuckaturdecke versehenes Audienzzimmer, welches wegen seiner Decke besonders merkwürdig ist, weil dieselbe 9 Felder mit Scenen aus der lausitzischen Geschichte enthält. In dem einen Felde wird Graf Wieprecht von Groitzsch im Jahre 1086 von Heinrich IV. mit dem Lande und der Herrschaft Bautzen beliehen. Wieprecht kniet vor dem auf dem Throne sitzenden Kaiser und greift mit seiner Rechten nach dem Panier, worauf die Wappen des neuen Lehens zu sehen sind. Auf seinem Schilde bäumt sich ein Ross, hinter ihm erblickt man einen Ritter mit dem herzoglichen Hute, und neben dem Kaiser stehen zwei Herolde mit dem kaiserlichen Wappen und Handzeichen.

In einem anderen Felde erblickt man den Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz zu Pferde, wie er mit gesenkter Lanze im starken Galopp auf das böhmische und lausitzer Wappen zurennt: eine deutliche Anspielung auf seine Bemühungen um die böhmische Krone, mit welcher auch der Besitz der Lausitz verbunden war. In einem dritten Felde sieht man Prag im Hintergrunde und den dahin fliehenden Friedrich. Im vierten Felde kniet der Kurfürst Johann Georg I. vor dem Kaiser und empfängt von demselben die Lehn.

Im Jahre 1815 fiel die ganze Niederlausitz und der grössere Theil der Oberlausitz an Preussen, und von den bekannten 6 Städten sind der Lausitz blos vier geblieben: Zittau, Löbau, Camenz und unser Bautzen mit der Ortenburg, wo heute noch der Sitz der jetzigen Landesbehörden ist.

Der Raum jenseits der Spree, oder auf der Westseite derselben heisst die Seydau, wo einige 100 Häuser sich befinden.

[194] Von der Westseite führt eine im Jahre 1777 erbaute steinerne Brücke von einem einzigen 33 Ellen weit gespannten Bogen auf den Raum der Ostseite, welcher mit seinen Häusern den Namen „unterm Schlosse“ führt. Nördlich vom Schlossberge liegen die Ruinen der im Jahre 1634 eingeäscherten Nicolaikirche, auf welchen der Gottesacker der katholischen Gemeinde deutscher und wendischer Nation angelegt ist. Diese auf einem Abhange sich über bedeutende Substructionen erhebenden Ruinen geben der Ansicht der Stadt von den gegenüber liegenden Anhöhen einen eigenthümlichen Reiz.

Die Stadt Budissin stösst im Norden, Nordwesten und Westen unmittelbar an den Rand des jähen Abhanges nach dem Flusse und der im Nord-Westen am weitesten vorspringende Theil des Berges trägt eben das Schloss Ortenburg. In Südwesten und durch Süden herum bis wieder nach Norden wird die innere Stadt von den Vorstädten umgeben. Die Letzteren haben 2 freie Plätze, 8 ansehnliche und mit Häusern wohlbebaute Strassen und früher eine besondere Befriedigung durch Wall und Graben, wo jetzt schöne Anlagen und Gärten das Auge erblickt, über welche im Süden das Lauerthor (wohl früher das Laubenthor, weil es nach den Gränzgebirgswäldern führt), in Ost und Südost das Reichenthor, (nach Zittau und Görlitz hin) im Osten das Ziegelthor und im Norden die Königspforte liegt.

Vom Lauenthor bis zur Königspforte führt eine Allee ½ Stunde lang und diese geht gewissermassen auf dem Hügel des Schiesshauses noch weiter fort, indem dessen Baumpflanzungen und englische Anlagen bis ins untere Spreethal hinableiten. Zum Schiesshause, wo man eine der herrlichsten Aussichten geniesst, bringt auch noch aus der schmalen nördlichen Vorstadt das Gerberthor.

In Süd, Südost und Osten wird auch die innere Stadt durch Alleen von den Vorstädten geschieden. Sie hat etwa 12 ansehnlichere und mehrere Nebengassen und ist durchgängig gut, im Haupttheile aber wirklich grossstädtisch und residenzmässig gebaut.

Die Spree fliesst mehr gegen Nordosten, aber mit einer Unzahl von Krümmungen, weshalb sich ihr Thalgrund sehr verschieden gestaltet.

Bei Budissin selbst und dann wieder ¼ Stunde weiter unten ist er sehr enge und von steilen — je ½ Stunde von hier auch sehr felsigen Bergen eingeschlossen; dagegen bildet sich zunächst unterhalb der Saydau ein sehr lieblicher Kessel, in welchen mehrere Nebengründe ausgehen, wogegen oberhalb der Stadt die Berge an der Spree so flach sind, dass sie kaum ein Thal bilden. Coupirt ist daher die Gegend nur in ihrer nördlichen Hälfte und noch steigt südöstlich an der Vorstadt ein Hügel an. Längs dem rechten Spreeufer, unter dem aus Granit gebildeten Stadt- und Schlossberge hin, ziehen sich noch viele vorstädtische Häuser ohne Gärten und bilden auch theils beim Lauenthore, theils von der Ortenburg bis zum Gerberthore ordentliche Gassen; sie heissen „unterm Schlosse“ und gehören theils zur Stadt und theils zum Stifte, weshalb sie, gleich der Saydau, früher weniger Abgaben, aber dafür auch Handfrohne auf dem Schlosse leisten mussten.

Höher hinauf an der Spree stehen die sogenannte Fabrik und einige Mühlen; die Papiermühle aber nebst zwei Mahlmühlen steht in der Saydau, die Ziegeleien aber theils an der Camenzer Strasse oberhalb der Saydau; in einem Grunde, theils ¼ Stunde von der Stadt gegen Südwest, an dem Hügel, auf dessen Rücken der Exercierplatz und an dessen steilem südlichen Abhange, nächst über dem Flusse, eine serbische Schanze liegt. Bei der letztern Ziegelei führt der sogenannte Schaafsteg über die Spree. Bei der h. Geistkirche vor dem Lauenthore ist die schöne, auf 4 Pfeilern ruhende Hauptbrücke zu sehen, sowie bei der Saydau noch eine kurze Brücke sich befindet.

Das Vorgebirge zwischen der Stadt und der Saydau, der Ortenburg nordwärts gegenüber, in einem Felsen gerade auslaufend und im Westen noch jetzt Spuren altserbischer Befestigung zeigend, heisst der Protschen oder Protzschenberg, welcher früher das alte Schloss trug, welches man, nachdem die Franken es erobert hatten, auf den jetzigen Schlossberg verlegte. Bei Anlegung des Kirchhofs für die Wenden wurden sogar Trümmer der Burg Rodozischko ausgegraben.

Zur Herstellung eines geregelten Gottesdienstes und Kirchenwesens für die Stadt und Umgegend unternahm Bischof Bruno II. von Meissen, ein Herr von Baruth, 1213 den Bau der Kirche zu St. Petri und gründete nach dessen Vollendung 1221 das Collegiatstift zu St. Petri mit 7 Canonicis, deren erster Propst aus den Capitularen des Hochstifts Meissen vom Bischof gewählt, der zweite Decan nur aus den Canonicis von diesen selbst gewählt sein sollte. Die Zahl der Letzteren wurde später auf 12 erhöht.

Dem Propste übertrug der Bischof das Archidiaconat über die Provinz mit der geistlichen Gerichtsbarken und der Leitung der kirchlichen Angelegenheiten und nahm von seiner Aufsicht nur das Collegiatstift selbst aus.

Der in Meissen residirende Propst liess seine Geschäfte durch einen Substituten in Budissin verwalten. Im Jahre 1481 erlangte der sächsische Landesherr vom Papste Sixtus IV. das Recht, den Propst zu Budissin aus den Capitularen des Hochstifts zu wählen, wogegen das Recht der Einsetzung und Bestätigung desselben dem Capitel zu Budissin überlassen wurde. Dieses gelangte allmälig durch Schenkungen, Vermächtnisse und Käufe zu grossem Grundbesitz und nach dem in Folge der Reformation im Meissner Lande der letzte Bischof, Johann von Haugwitz 1559 Stolpen, seine bisherige Residenz, verlassen und die evangelische Confession angenommen hatte, durch Erlöschen der bischöflichen Gewalt über die Lausitz auch zu höherem Ansehn.

Der Propst Hieronymus von Kommerstädt, zugleich Decan in Wurzen, war schon vorher Protestant geworden und so wurde in Ermangelung eines katholischen Propstes die Ausübung der bischöflichen Befugnisse mit der geistlichen Gerichtsbarkeit über die Katholiken in der Lausitz 1560 Seiten des Kaisers dem Decan zu Budissin und 1570 für den Fall einer Erledigung des Decanats den Capitularen übertragen.

Seitdem besteht das Collegiatstift in der Würde eines von bischöflicher Jurisdiction eximirten, selbstständigen Domstifts und nennt seine Kirche Domkirche und das Collegium seiner Mitglieder Domkapitel. Diese Befugnisse verblieben bei der Abtretung der Lausitz an das Churhaus Sachsen 1635, zufolge der Bestimmungen des Prager Friedens dem Decan und Domkapitel.

Der Kaiser behielt sich zwar in diesem Frieden, als König von Böhmen, ein Oberschutzrecht über die Stifter und Klöster in der Lausitz und über gedachte kirchliche Administration vor, doch ist seitdem auf Antrag der Oberlausitzer Provinzialstände die Publication der kaiserlichen Bestätigung neugewählter Decane unterlassen worden.

Die Wirksamkeit der Administration des Decans und des an die Stelle der ehemaligen kirchlichen Aufsichtsbehörde des Propstes getretenen domstiftlichen Consistorii, an dessen Berathungen der jedesmalige Domstiftssyndicus, als Vorstand der Domstiftsgerichte, ein evangelischer Rechtskundiger Theil nimmt, beschränkt sich seit 1815 auf den unter sächsischer Hoheit verbliebenen Theil der Oberlausitz.

Die Würde des Propstes ist nach der Reformation insofern erhalten worden, als ein von dem sächsischen Landesherrn dazu ernannter adeliger Domherr des Hochstiftes Meissen den Titel des Dompropstes führt und die Einkünfte der Propstei in Budissin bezieht, ohne irgend mit den Amtsverrichtungen [195] eines Propstes betraut zu sein, weil er, wie alle Domherren zu Meissen, Protestant ist.

Der Decan zu Budissin wird, seit er die Administration bischöflicher Befugnisse hat, in der Regel vom Papste zum Bischof in partibus infidelium ernannt, nimmt an den Landtagen der Provinzialstände als eines ihrer vornehmsten Glieder Theil und sitzt seit Einführung der Constitution im Königreiche Sachsen in der ersten Kammer der Ständeversammlung zwischen dem Oberhofprediger und dem Superintendenten zu Leipzig.

Ausser dem Dome zu St. Petri sind hiernach 6 Kirchen: Die Kirche zu Unserer lieben Frauen, die Kirche zu St. Maria und Martha, die Kirche zu St. Michaelis, die Dreifaltigkeitskirche und die Begräbnisskirche zum heil. Geist, welche neben der Spreebrücke an der Landstrasse nach Dresden zu liegt, wie wir oben schon erwähnt haben.

Das Collaturrecht über die katholischen Kirchen in Budissin steht dem domstiftlichen Consistorio zu, doch wählt der Decan das ganze Collegium Canonicorum, der Scholasticus den Decan, welcher auch die Stellen der Capellane bei den katholischen Pfarreien in der Überlausitz besetzt. Senior und Cantor gelangen zu ihren Stellen durch Aufrücken.

Das Collaturrecht über die evangelischen Kirchen in Budissin, über die an denselben bestehenden geistlichen Aemter, übt der Stadtrath von Budissin.

Ausserdem hat Bautzen ein schönes Gymnasium, eine Bürgerschule, eine Armenschule im Waisenhause; die Prenzel’sche Stiftsschule, über welche ebenfalls vom Stadtrathe das Collaturrecht geübt wird, über das ausserdem hier noch eingerichtete Landschullehrer-Seminar haben die Landstände der Oberlausitz das Besetzungsrecht der einzelnen Stellen.

Das Schullehrer-Seminar ist seit 1817[WS 1], das Waisenhaus schon im Jahre 1699 gestiftet. Letzteres ist mit dem Armenhause vereinigt.

An andern Gebäuden zeichnen sich aus die beiden Landhäuser, welche abgesondert früher dem Budissiner und Görlitzer Kreise gehörten.

In dem ersteren befinden sich die Landsteuer-Expedionen, das Archiv der Gerichtsbehörden und die Rüstungen derjenigen, die den Vorritt gethan haben.

Die Schicksale des Ortes anlangend, so hat Budissin viel Ungemach von jeher erlitten. Schon im Jahre 1400 überfiel Hans von Kottewitz das städtische Gebiet, verheerte 22 Dörfer und nahm die Leinwand von der Bleiche mit fort.

Im Jahre 1405 bis 1408 rebellirten die Bürger gegen den Rath, bis König Wenzel selbst hieher kam, auf dem Rathhause Gericht hielt, 14 Rebellen köpfen liess, 86 des Landes verwies und der Bürgerschaft ihre Privilegien, sowie dem Rathe die freie Kühr wieder nahm.

Von den Hussiten wurde die Stadt und das Schloss 1431 hart bedrängt und 9 Stunden lang, wiewohl vergebens, bestürmt.

Der grösste Schaden wurde der Stadt und dem Schlosse durch die Belagerung Wallensteins zugefügt, indem auf Befehl des letztern erst die Vorstädte und dann auch die Stadt angezündet wurden. Kaum war dieses Unglück im Jahre 1634 über die unglückliche Stadt gekommen, so folgte schon 1639 ein neues, indem in diesem Jahre Torstensohn die Stadt eroberte und verwüstete.

Weniger litt die Stadt 1813. Zwar wurde durch die Beschiessung der Stadt vom französischen General Compans am 20. Mai 1813 den Einwohnern Angst und Schrecken eingejagt; allein bald darauf erschien Napoleon, zog in die Stadt ein und befestigte solche.

Hierauf folgte die 2tägige Hauptschlacht vom 20. und 21. Mai, welche jedoch den Einwohnern von Budissin wenig Schaden verursachte. Fürst Wittgenstein nämlich, der die bei Lützen geschlagene russische und preussische Armee bis hieher zurückgeführt hatte, bezog hier am 14. an dem rechten Spreeufer eine durch Natur und Kunst feste Stellung. Frische preussische Truppen unter Kleist und russische unter Barclay de Tolly verstärkten das Heer bis auf 96000 Mann.

Napoleon konnte unter solchen Umständen nur durch Uebermacht den Sieg erringen, weshalb er die schon gegen Berlin gesendeten Corps unter Ney, Lauriston und Reynier wieder an sich zog und den Verbündeten eine Armee von 148,000 Mann Franzosen, Sachsen, Würtemberger und Baiern entgegen führte. Das Hauptquartier der Verbündeten war Wurschen, nach welchem Orte auch die Schlacht benannt wird. Hier waren Alexander, Friedrich Wilhelm und die englischen, österreichischen und schwedischen Gesandten beisammen. Eine meilenlange, doppelte Reihe von Verschanzungen, davon jetzt noch Ueberbleibsel zu entdecken sind, bildete den Schutz des Heeres, welches sich links, unweit Hochkirch, an die bis zur Grenze fortsetzenden Waldberge lehnte, während der rechte Flügel sich an befestigte Hügel stützte, welche die Spree dominiren, und das Centrum durch Budissin selbst, durch Sümpfe, die Anhöhen bei Burg und verschanzte Dörfer gedeckt war; indessen erschwerten viele Teiche die Verbindung des rechten Flügels mit dem Reste des Heeres.

Die Vereinigung Neys und Lauristons gelang aber, wogegen Reynier erst später in die Nähe des Schlachtfeldes rückte.

Am 20. Mai passirte das französische Hauptheer die Spree auf mehreren Punkten. Oudinot rückte gegen den linken Flügel vor, Ney mit Lunriston aber bis gegen Klix. Das Centrum, von Soult commandirt, griff unter Macdonald und Marmout die Avantgarde in und um Budissin unter Wittgenstein und Kleist hart an. Doch konnte erst um 6 Uhr Abends Marmont Budissin und noch später die niederkainischen Anhöhen occupiren.

Am 21. griff man zunächst den linken Flügel unter Miloradowitzsch an, während Ney auf der andern Seite die Baruther Höhen und Portitz nahm, und hierdurch Barcley vom Centrum unter Blücher abschnitt.

Zwar nahm Blücher Preititz wieder, verlor es aber fast zugleich mit dem Schlüssel seiner Stellung, den Krekwitzer Anhöhen. Unterdessen war auch Reynier bei Gleina, also im Rücken der Verbündeten, angekommen, und Blücher musste die Durchbrechung des Centrums fürchten, wenn er mehr Truppen an den rechten Flügel abgeben wollte. Deshalb wurde der Rückzug angeordnet. Gross war die Tapferkeit der Franzosen, aber auch gross die der Verbündeten.

Die Besiegten zogen unverfolgt vom Schlachtfelde mit Hinterlassung von 12,000 Todten, Verwundeten und Gefangenen.

Viele Dörfer der Umgegend lagen damals in Asche, und mancher Bewohner derselben hatte seine ganze Habe verloren; allein Fleiss und Betriebsamkeit hat diese tiefgeschlagenen Wunden wieder heilen helfen.

Die Bierbrauereien, die Fabriken und Manufacturen in Tuch, Strümpfen, Barchent, Leder, Kattun, Papier, Pulver, Tabak u. s. w. sind hier nicht ohne Bedeutung und bringen den Einwohnern von Budissin und den Bewohnern der Umgegend Nahrung und Wohlstand.

Die zwei Bautzner Wochenmärkte sind aber berühmt hinsichtlich des Getreide- und Fischhandels, wegen des vielen Federviehs, besonders der Gänse und ihrer Federn, wegen des Flachs- und Garnhandels, indem die umliegenden Fabrikdörfer hier ihren ganzen Bedarf einkaufen.

Ausserdem werden vier Jahrmärkte und zwei Wollmärkte in Budissin abgehalten, die Käufer und Verkäufer aus der Nähe und Ferne in grosser, reicher Zahl heranziehen.

[196] Unerwähnt dürfen wir zum Schlusse nicht lassen, dass Budissin auch zwei grosse ausgezeichnete Bibliotheken besitzt, die Raths- und die Gersdorf-Waicha’sche Bibliothek. Die Letztere befindet sich in einem dazu eigens bestimmten Hause auf dem Burglehn und besitzt ein besonderes Capital zur Vermehrung derselben von Hans von Gersdorf auf Waicha.

An beiden Bibliotheken ist ein Lehrer des Gymnasiums als Bibliothekar angestellt und zu beiden ist der Zutritt wöchentlich zwei Mal gestattet.

Seit Einführung der neuen Gerichtsorganisation ist Budissin auch der Sitz eines Bezirksgerichts, unter dem das Gerichtsamt von Bautzen steht, sowie es auch die übrigen früher hier eingeführten hohen Landesbehörden behalten hat.

Die Stadt Budissin mit seinen 816 bewohnten Gebäuden und 10,706 Einwohnern steht unter dem dasigen Gerichtsamte.

M. G.     

Anmerkungen (Wikisource)

  1. die 8 ist handschriftlich eingetragen