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Von der Westseite führt eine im Jahre 1777 erbaute steinerne Brücke von einem einzigen 33 Ellen weit gespannten Bogen auf den Raum der Ostseite, welcher mit seinen Häusern den Namen „unterm Schlosse“ führt. Nördlich vom Schlossberge liegen die Ruinen der im Jahre 1634 eingeäscherten Nicolaikirche, auf welchen der Gottesacker der katholischen Gemeinde deutscher und wendischer Nation angelegt ist. Diese auf einem Abhange sich über bedeutende Substructionen erhebenden Ruinen geben der Ansicht der Stadt von den gegenüber liegenden Anhöhen einen eigenthümlichen Reiz.

Die Stadt Budissin stösst im Norden, Nordwesten und Westen unmittelbar an den Rand des jähen Abhanges nach dem Flusse und der im Nord-Westen am weitesten vorspringende Theil des Berges trägt eben das Schloss Ortenburg. In Südwesten und durch Süden herum bis wieder nach Norden wird die innere Stadt von den Vorstädten umgeben. Die Letzteren haben 2 freie Plätze, 8 ansehnliche und mit Häusern wohlbebaute Strassen und früher eine besondere Befriedigung durch Wall und Graben, wo jetzt schöne Anlagen und Gärten das Auge erblickt, über welche im Süden das Lauerthor (wohl früher das Laubenthor, weil es nach den Gränzgebirgswäldern führt), in Ost und Südost das Reichenthor, (nach Zittau und Görlitz hin) im Osten das Ziegelthor und im Norden die Königspforte liegt.

Vom Lauenthor bis zur Königspforte führt eine Allee ½ Stunde lang und diese geht gewissermassen auf dem Hügel des Schiesshauses noch weiter fort, indem dessen Baumpflanzungen und englische Anlagen bis ins untere Spreethal hinableiten. Zum Schiesshause, wo man eine der herrlichsten Aussichten geniesst, bringt auch noch aus der schmalen nördlichen Vorstadt das Gerberthor.

In Süd, Südost und Osten wird auch die innere Stadt durch Alleen von den Vorstädten geschieden. Sie hat etwa 12 ansehnlichere und mehrere Nebengassen und ist durchgängig gut, im Haupttheile aber wirklich grossstädtisch und residenzmässig gebaut.

Die Spree fliesst mehr gegen Nordosten, aber mit einer Unzahl von Krümmungen, weshalb sich ihr Thalgrund sehr verschieden gestaltet.

Bei Budissin selbst und dann wieder ¼ Stunde weiter unten ist er sehr enge und von steilen — je ½ Stunde von hier auch sehr felsigen Bergen eingeschlossen; dagegen bildet sich zunächst unterhalb der Saydau ein sehr lieblicher Kessel, in welchen mehrere Nebengründe ausgehen, wogegen oberhalb der Stadt die Berge an der Spree so flach sind, dass sie kaum ein Thal bilden. Coupirt ist daher die Gegend nur in ihrer nördlichen Hälfte und noch steigt südöstlich an der Vorstadt ein Hügel an. Längs dem rechten Spreeufer, unter dem aus Granit gebildeten Stadt- und Schlossberge hin, ziehen sich noch viele vorstädtische Häuser ohne Gärten und bilden auch theils beim Lauenthore, theils von der Ortenburg bis zum Gerberthore ordentliche Gassen; sie heissen „unterm Schlosse“ und gehören theils zur Stadt und theils zum Stifte, weshalb sie, gleich der Saydau, früher weniger Abgaben, aber dafür auch Handfrohne auf dem Schlosse leisten mussten.

Höher hinauf an der Spree stehen die sogenannte Fabrik und einige Mühlen; die Papiermühle aber nebst zwei Mahlmühlen steht in der Saydau, die Ziegeleien aber theils an der Camenzer Strasse oberhalb der Saydau; in einem Grunde, theils ¼ Stunde von der Stadt gegen Südwest, an dem Hügel, auf dessen Rücken der Exercierplatz und an dessen steilem südlichen Abhange, nächst über dem Flusse, eine serbische Schanze liegt. Bei der letztern Ziegelei führt der sogenannte Schaafsteg über die Spree. Bei der h. Geistkirche vor dem Lauenthore ist die schöne, auf 4 Pfeilern ruhende Hauptbrücke zu sehen, sowie bei der Saydau noch eine kurze Brücke sich befindet.

Das Vorgebirge zwischen der Stadt und der Saydau, der Ortenburg nordwärts gegenüber, in einem Felsen gerade auslaufend und im Westen noch jetzt Spuren altserbischer Befestigung zeigend, heisst der Protschen oder Protzschenberg, welcher früher das alte Schloss trug, welches man, nachdem die Franken es erobert hatten, auf den jetzigen Schlossberg verlegte. Bei Anlegung des Kirchhofs für die Wenden wurden sogar Trümmer der Burg Rodozischko ausgegraben.

Zur Herstellung eines geregelten Gottesdienstes und Kirchenwesens für die Stadt und Umgegend unternahm Bischof Bruno II. von Meissen, ein Herr von Baruth, 1213 den Bau der Kirche zu St. Petri und gründete nach dessen Vollendung 1221 das Collegiatstift zu St. Petri mit 7 Canonicis, deren erster Propst aus den Capitularen des Hochstifts Meissen vom Bischof gewählt, der zweite Decan nur aus den Canonicis von diesen selbst gewählt sein sollte. Die Zahl der Letzteren wurde später auf 12 erhöht.

Dem Propste übertrug der Bischof das Archidiaconat über die Provinz mit der geistlichen Gerichtsbarken und der Leitung der kirchlichen Angelegenheiten und nahm von seiner Aufsicht nur das Collegiatstift selbst aus.

Der in Meissen residirende Propst liess seine Geschäfte durch einen Substituten in Budissin verwalten. Im Jahre 1481 erlangte der sächsische Landesherr vom Papste Sixtus IV. das Recht, den Propst zu Budissin aus den Capitularen des Hochstifts zu wählen, wogegen das Recht der Einsetzung und Bestätigung desselben dem Capitel zu Budissin überlassen wurde. Dieses gelangte allmälig durch Schenkungen, Vermächtnisse und Käufe zu grossem Grundbesitz und nach dem in Folge der Reformation im Meissner Lande der letzte Bischof, Johann von Haugwitz 1559 Stolpen, seine bisherige Residenz, verlassen und die evangelische Confession angenommen hatte, durch Erlöschen der bischöflichen Gewalt über die Lausitz auch zu höherem Ansehn.

Der Propst Hieronymus von Kommerstädt, zugleich Decan in Wurzen, war schon vorher Protestant geworden und so wurde in Ermangelung eines katholischen Propstes die Ausübung der bischöflichen Befugnisse mit der geistlichen Gerichtsbarkeit über die Katholiken in der Lausitz 1560 Seiten des Kaisers dem Decan zu Budissin und 1570 für den Fall einer Erledigung des Decanats den Capitularen übertragen.

Seitdem besteht das Collegiatstift in der Würde eines von bischöflicher Jurisdiction eximirten, selbstständigen Domstifts und nennt seine Kirche Domkirche und das Collegium seiner Mitglieder Domkapitel. Diese Befugnisse verblieben bei der Abtretung der Lausitz an das Churhaus Sachsen 1635, zufolge der Bestimmungen des Prager Friedens dem Decan und Domkapitel.

Der Kaiser behielt sich zwar in diesem Frieden, als König von Böhmen, ein Oberschutzrecht über die Stifter und Klöster in der Lausitz und über gedachte kirchliche Administration vor, doch ist seitdem auf Antrag der Oberlausitzer Provinzialstände die Publication der kaiserlichen Bestätigung neugewählter Decane unterlassen worden.

Die Wirksamkeit der Administration des Decans und des an die Stelle der ehemaligen kirchlichen Aufsichtsbehörde des Propstes getretenen domstiftlichen Consistorii, an dessen Berathungen der jedesmalige Domstiftssyndicus, als Vorstand der Domstiftsgerichte, ein evangelischer Rechtskundiger Theil nimmt, beschränkt sich seit 1815 auf den unter sächsischer Hoheit verbliebenen Theil der Oberlausitz.

Die Würde des Propstes ist nach der Reformation insofern erhalten worden, als ein von dem sächsischen Landesherrn dazu ernannter adeliger Domherr des Hochstiftes Meissen den Titel des Dompropstes führt und die Einkünfte der Propstei in Budissin bezieht, ohne irgend mit den Amtsverrichtungen

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen III. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1854–1861, Seite 194. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Ritterg%C3%BCter_und_Schl%C3%B6sser_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_III.djvu/289&oldid=- (Version vom 2.10.2016)