Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Obersachsenfeld

Textdaten
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Autor: M. G.
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Titel: Obersachsenfeld
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aus: Erzgebirgischer Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 4, Seite 197–198
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Erscheinungsdatum: [1856]
Verlag: Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons = SLUB Dresden
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Obersachsenfeld,


an welches Untersachsenfeld angebaut ist und wozu „die neue Welt“ gehört, liegt ½ Stunde von Schwarzenberg, 1 Stunde von Grünhain und 2½ Stunde von Schneeberg am rechten Ufer des Schwarzwassers, welches hier den Beiersdorfer Bach aufnimmt.

Die Gegend ist wahrhaft romantisch zu nennen. Nordöstlich erhebt sich nahe an dem stark rauschenden Schwarzwasser ein steiler und mit Schwarzholz bewachsener Berg zu einer Höhe von etwa 150 Ellen, welche die Gegend gegen die rauhesten Winde schützt und das Klima sonach mildert; weniger steil und mit Fluren bedeckt ist die nördliche Höhe; jenseits des Wassers aber breitet sich eine Aue aus, deren Ansicht das Auge entzückt. Jenseits der Aue steigen nicht gar steil die Höhen der Vorwerke und der neuen Welt an und ihre Gipfel sind mit einer schönen starken Waldung bedeckt. Geschlossen wird die Aue im Norden durch den Berg zwischen Lauter und Untersachsenfeld.

Am Beyerfelder Wasser zieht sich der Ort entlang hinauf, so dass er fast an das Dorf Beyerfeld selbst stösst; am Schwarzwasser stehen die Häuser nur in einfacher Reihe und dehnen sich daher ¼ Stunde lang von Südost nach Nordwest.

Das Schloss steht nahe am Flusse auf einer Anhöhe und bildet 3 kurze Flügel, davon 2 drei, einer aber nur zwei Etagen hat und der westliche ein Thürmchen mit der Schlaguhr trägt. Vor demselben ist ein herrlicher Garten und am Fluss hinauf, der hier in 2 Arme getrennt fliesst, führen schöne Alleen und Spatziergänge.

Zum Schlosse gehören umfassende Wirthschaftsgebäude, eine gute und grosse Schäferei, mehrere Teiche und herrliche Waldungen, sowohl in der Gegend von Lauter als nach Wildenau hin, wo sie das Stromufer ¼ Stunde weit begleitet.

Zum Gute gehört noch die neue Welt und ein Antheil von Beyerfeld mit dem Viliale und Schwefelwerk.

Sachsenfeld gehörte 1240 dem Kloster Grünhein, indem der damalige Burggraf von Meissen Meinhardt oder Meinherr 10 Dörfer in dasiger Gegend schenkte und in dem darüber ausgestellten Schenkungsbriefe den Abt mit den Ober- und Untergerichten belieh. Diese Schenkung ist als die eigentliche Fundation des Klosters anzusehen.

Im Jahre 1429 wurde das Kloster von den Hussiten fast ganz zerstört und zu dessen Wiederaufbau, was der Abt Schlottau gezwungen, seine sämmtlichen Dörfer und somit auch Obersachsenfeld an Siegmund von Miltiz zu verpfänden. Später wurden solche und zwar 1464 wieder eingelöst und blieben bei dem Kloster bis zur Reformation. Nach der Secularisirung des Klosters, welche 1536 erfolgte, übergab der letzte Abt des Klosters Johannis Gupfert die sämmtlichen Klosterbesitzungen dem Kurfürst Johann Friedrich.

Nach der Reformation kam das Gut an die Rüdigersche Familie. Im 17. Jahrhundert besass es Junker Rüdiger, welcher 5 Tage lang im Jahre 1618 Johann Georg I. hier bewirthete.

Dann kam es an den Obristen Veit Dietrich Wagner und von diesem an den Reichsgrafen zu Solms-Laubach, von denen der Landeshauptmann Graf Friedrich Ludwig die hier befindliche schätzbare Bibliothek sammelte und überhaupt seinen Unterthanen viel Gutes erwiesen hat. Er starb 1790 im 84. Jahre seines Alters. Von seinem Sohne dem Reichsgrafen Ludewig zu Solms-Laubach gelangte das Gut an den Hauptmann Ludwig Freiherrn von Müller, bei welcher Familie es bis auf die neueste Zeit geblieben ist.

Ueber das Schwarzwasser gehen hier 2 Brücken – eine geringe [198] bei der ansehnlichen Mahl- und Schneidemühle, die das vorletzte Haus im Norden bildet, und eine bedeckte stark und massiv gebaute beim Schlosse dem obersten Hause des Ortes.

Der Ort selbst enthält ausserdem noch ein Wirthshaus, eine Löffelplattenschmiede und ein Berglagegebäude bei der treuen Freundschaft Erbstollen, wo Vitriolkiese[WS 1] und Schwefelkiese u. s. w. gewonnen werden. Ausser der oben genannten Mühle (auch die rothe Mühle genannt) existirt auch noch die Schlossmühle mit 1 Gange und der Backgerechtigkeit. Eine Kirche befindet sich nicht im Dorf, vielmehr ist Sachsenfeld mit Untersachsenfeld, der neuen Welt, Wildenau und das Vorwerk nach Beyerfeld eingepfarrt, über welche hier dem Gerichtsherrn nach der Reformation das jus patronatus verliehen wurde.

Beyerfeld und Sachsenfeld sind gleichsam die Mutterörter der sächsischen Blechlöffelfabrikation, welche übrigens auch in den Dörfern Bernsbach, Pfannenstiel, Wildenau, Pühlau, Raschau, Zschorlau, Rittersgrün, Neuwelt, Grünstädtel und in den Städten Aue und Grünhein ihren Sitz hier ausgebreitet hat. Die Löffelfabrikation entstand erst zu Anfang des 18. Jahrhunderts, erhob sich aber unglaublich geschwind zur herrlichsten Blüthe.

Im Jahre 1710 ungefähr gerieth ein Schlosser in Sachsenfeld auf den Einfall, die Löffel gleich aus Schwarzblech nach Form der jetzigen langen Löffel zu schneiden und kalt zu teufen, wodurch er täglich an 6 Dutzend liefern konnte.

Lange Zeit hindurch kannte man nur die Hauptsorten von Löffeln; nämlich die jetzt noch üblichen ordinären langen oder Schlosserlöffel, wie man sie nach dem ersten Verfertiger nannte, und die runden oder Doppellöffel. Gegenwärtig giebt es vom Bauer- bis zum Potagelöffel über 70 Sorten, welche nicht mehr aus Blech geschnitten, sondern aus Eisen geschmiedet werden.

In der Politur dieser verschiedenen Löffelsorten hat man es so weit gebracht, dass die feinsten oder sogenannten Silberlöffel auch in der That viel Aehnlichkeit mit echten silbernen Löffeln haben.

Hart an Beyerfeld liegt das Vitriol- oder Schwefelwerk, die Silberhoffnung.

Dieses ist eins der ältesten Werke des Erzgebirges, wo Schwefel, Vitriol, Vitriolöl und Scheidewasser gefertigt wird.

Die nöthigen Vitriol- und Schwefelkiese findet man auf Stamm-Asser am Graul in geringer Entfernung vom Fürstenberge auf Raschauer Gebiet.

Der Unterschied des Vitriols rührt von der verschiedenen Mischung der Bestandtheile desselben her. Es giebt blauen oder Kupfer-Vitriol und grünen Vitriol, welcher auch Eisen-Vitriol genannt wird. Aus letzterem brennt man das Vitriolöl. Ehe der Vitriol in die Kolben kommt, wird er geröstet und getrocknet, so dass er in eine Art weissen Mehls sich verwandelt. Aus diesem letztern treibt nun der Destillirofen durch heftiges Feuer jene Säure, Vitriolöl genannt, welches weis, hell, ohne Bodensatz, feurig und rauchend sein mus, so bald von der besten Sorte die Rede ist. Sobald eine Flasche geöffnet wird, raucht sie sehr sichtbar und deshalb alle Vorsicht anzurathen.

In Sachsen selbst wird das Oel in den Tuch-, Zeug- und Kattunmanufacturen von Bleichern, Gerbern, Färbern u. s. w. verbraucht.

Die meisten Vitriolbrunnen liefern auch Scheidewasser. Dieses theilt man in rauchenden Salpetergeist und in Scheidewasser.

Salzgeist brennt man nur zu Beyerfeld und Bockau, Hirschhorngeist im letztern Orte allein.

In hiesiger Gegend wird ausser dem Ackerbau und der Viehzucht die Spitzenklöppelei stark betrieben, und Tagelöhner und Handarbeiter finden in den verschiedenen Vorwerken und in den Königl. und Sachsenfelder Waldungen Beschäftigung.

Obersachsenfeld mit seinen 49 bewohnten Gebäuden und 454 Einwohnern gehört jetzt zum Gerichtsamt Schwarzenberg, ebenso Untersachsenberg mit 7 Häusern und 44 Einwohnern und Neuwelt mit seinen 333 Gerichtsuntergebenen, die auf 43 Häuser vertheilt sind.

M. G.     



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Vitrtolkiese