Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Oberrabenstein

Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Oberrabenstein
Untertitel:
aus: Erzgebirgischer Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 4, Seite 6–7
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer: {{{ÜBERSETZER}}}
Originaltitel: {{{ORIGINALTITEL}}}
Originalsubtitel: {{{ORIGINALSUBTITEL}}}
Originalherkunft: {{{ORIGINALHERKUNFT}}}
Quelle: Commons = SLUB Dresden
Kurzbeschreibung:
{{{SONSTIGES}}}
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[Ξ]
[6]
Oberrabenstein.

In einem freundlichen, fruchtbaren mehr weit als tief gebildeten Thale, das sich höchst anmuthig von der Stadt Chemnitz nach Westen hindehnt und von dem Rabensteiner Bache durchflossen wird, erhebt sich auf einem Punkte wo das Thal alle seine Naturschönheiten concentrirt, ein rings von Wasser umschlossener steiler Felsen, von dessen Gipfel aus dunklen Fichtenzweigen die altehrwürdige Burg Rabenstein auf die lachende Gegend herniederschaut. Das uralte Schloss verdient nach dem Interesse seiner Lage und Ansicht nicht den letzten Platz unter den sächsischen Rittersitzen, ist aber vielleicht unter allen der kleinste, denn es besteht blos aus einem zwei Stockwerke hohen, nur fünf Fenster breiten Wohnhause, an welches sich ein gewaltiger Thurm als Zeuge längst vergangener Jahrhunderte anschliesst, umrankt von baumstarkem Epheu, der ihn gleichsam noch für ein zweites Jahrtausend zusammenhalten zu wollen scheint.

Zu mehr Gebäuden hat die Oberfläche des isolirten Felsens keinen Raum; kaum dass noch einige Fichten Platz fanden, ihre flachen Wurzeln in den Steinboden einzusenken. Das Schlösschen bildet den Mittelpunkt eines ziemlich engen Bergkessels, dessen jähe, zum Theil bewaldete Höhen nur an drei Punkten durchbrochen sind, im Thale aber liegen weithin gestreut die freundlichen Häuser des stundenlangen Fabrikdorfes Rabenstein, dessen oberster Theil, der das Dorf Oberrabenstein bildet, theils im Grunde, theils am Abhange des Thalkessels, und endlich auch theilweise auf der Höhe selbst liegt, und in alten Zeiten die Schlossgasse, oder wie auch jetzt noch bisweilen Gasse, genannt wurde.

Die Burg Oberrabenstein, in alten Urkunden auch bloss Stein (Lapis) genannt, ist der alte Stammsitz der ehemaligen Herrschaft Rabenstein, welcher Name nicht von dem deutschen Worte Rabe, sondern von dem [7] böhmischen Hrab herzuleiten sein soll, so dass Rabenstein soviel bedeutet wie Grafenstein. Die Burg war in ältesten Zeiten ein freies, nirgends zur Lehn verpflichtetes Eigenthum der Ritter von Waldenburg, das im Jahre 1375 der Abt des Bergklosters zu Chemnitz, Johann von Schleinitz, mit Wissen und Willen des sämmtlichen Convents seines Klosters von Ritter Johann von Waldenburg und dessen beiden Söhnen Hans und Hugk erkaufte. In der Kaufsurkunde sind als zu dem Schlosse Oberrabenstein gehörig ausser dem Dorfe Stein auch noch Reichenbrand, Leewenhan, Kändler, Gruna, Sigemar, Huckericht, Steinpleissa und etliche Güter in Schönau mit allen Steinbrüchen, Eisen- und Kupferwerken und einigen Zinsen genannt. Für sämmtliche Güter zahlte der Abt 1700 Schock gute Groschen. Dieser Abt muss ein sehr hohes Alter erreicht haben, denn im Jahre 1418 war er noch am Leben und führte eine Fehde mit dem Burggrafen von Leissnig, der mit einem starken Haufen Gewappneter vor die Burg öberrabenstein zog, sie erstürmte und den streitlustigen Priester zehn Tage lang in die Kapelle des Schlosses einsperrte, bis er sich zur Nachgiebigkeit entschloss. Die Aebte von Chemnitz hielten sich oft und gern in dem Obenrabensteiner Schlösschen auf, wozu vielleicht seine ruhige einsame Lage viel beitrug, und noch heute führt der Weg, welcher südlich vom Dorfe Rottluff von Chemnitz nach Rabenstein führt, den Namen des Pfaffensteigs. Nach des Klosters Säcularisation, die 1548 erfolgte, fiel Oberrabenstein mit den übrigen Klostergütern an die Krone und blieb deren Eigenthum bis 1619, wo Churfürst Johann Georg es an den damaligen Oberlandjägermeister von Karlowitz für 14000 Gulden verkaufte. Später gelangte das Gut in Besitz der Freiherren von Welk, von denen es im Jahre 1838 an einen Herrn William Kraft aus Leipzig kam, dessen Eigenthum es noch jetzt ist.

Etwas entfernt von der Burg liegen die Wirthschaftsgebäude und das neuerbaute stattliche Herrnhaus. Die Schäferei ist ebenfalls ein vortheilhaft in die Augen fallendes Gebäude, neben der ein zierliches mit Blitzableitern versehenes Wohnhaus steht, von dem man eine äusserst reizende Aussicht über die Landschaft geniesst. Bedeutende Gärten und Obstanpflanzungen ziehen sich auf beiden Seiten der Höhen bis weiter herab zu den recht hübschen in englischem Geschmack angelegten Parkanlagen hin, welche die Burg Oberrabenstein von allen Seiten umgeben. Der sogenannte Rabensteiner Forst, früher zur Herrschaft gehörig, ist der grösste Wald des Chemnitzer Amtes, dessen schöne Tannen sich bis hart an den Ort Rabenstein hinziehen. Der Forst ist jetzt Zubehör des Krongutes Grüna mit Reichenbrand und steht unter der Aufsicht zweier in Pleissa und Grüna wohnenden Forstbeamten. Die Felder und Wiesen von Oberrabenstein gehören zu den besten der Gegend, die Schafzucht des Gutes ist nicht unbedeutend und da der Ort gleichsam in einem Garten liegt so ist der Obstbau nicht unbeträchtlich, auch findet man viel Bienenzucht. Die Einwohnerzahl zu Oberrabenstein beträgt ungefähr 300 Seelen.

Die Kirche, in welche die Gemeinden von Oberrabenstein, Niederrabenstein und Rottluff eingepfarrt sind, war ein kleines alterthümliches Gebäu, das schon seit langer Zeit für die Kirchengänger keinen hinreichenden Raum mehr bot. Sie enthielt in ihrem Innern wie in den Vorhallen mehrere Grabmäler der Familie von Carlowitz und Schönberg und einen alterthümlichen Taufstein von guter Arbeit, den der Oberforstmeister von Carlowitz im Jahre 1595 vom Bildhauer Hogenwald in Chemnitz anfertigen und hierherversetzen liess. Man sah sich also gezwungen einen Neubau zu beginnen der im Jahre 1854 zu glücklichem Ende gelangte, so dass die Gemeinden jetzt ein schönes, helles, geräumiges Gotteshaus besitzen.

Unter den in Rabenstein angestellten Predigern ist bemerkenswerth Martin Löscher, der von 1637–1677 amtirte, ein Freund und Kenner der Musik war, und sogar zur Abhaltung von Kirchenmusiken zwei Legate stiftete. –

In der Geschichte des Orts verdient das Jahr 1771 einer traurigen Erwähnung, indem damals eine furchtbare Ueberschwemmung das Rabensteiner Thal heimsuchte und alle Verbindungen störte. Die Fluth hatte Löcher von sechzehn Ellen Tiefe gerissen und Rottluff stand drei Tage unter Wasser. Gleich nach diesem Unglück brach eine furchtbare Theuerung aus, in der der Scheffel Korn bis zum Preise von beinahe zwölf Thalern stieg, so dass die Armen Gras und Kleien verzehrten und Viele Hungers starben. Auf diese unnatürliche Nahrung erfolgten epidemische Krankheiten, namentlich Fieber, die mit Raserei und Tod endigten und eine ungeheure Menge von Opfern hinrafften, bis endlich eine neue reiche Ernte dem namenlosen Elende des Erzgebirges ein Ende machte.