Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Nieder-Forchheim

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Titel: Nieder-Forchheim
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aus: Erzgebirgischer Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 4, Seite 5–6
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons = SLUB Dresden
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Nieder-Forchheim.

In einem weiten schönen Thale liegt an der von Freiberg nach Annaberg führenden Chaussee das altschriftsässige Rittergut Niederforchheim, äusserst vortheilhaft in die Augen fallend durch seine stattlichen mit Schiefer gedeckten Gebäude. Nach einem grossen Brande, welcher im Jahre 1827 den Ort heimsuchte und auch das Rittergut in Asche legte, liess dessen Besitzer der Amtshauptmann von Biedermann dasselbe in seiner jetzigen geschmackvollen Gestalt wieder aufbauen, und die nächsten Umgebungen des Herrensitzes nicht blos durch die reizendsten Baumanpflanzungen, sondern auch durch höchst interessante Anlagen in den nächsten zum Rittergute gehörigen Waldungen verschönern und in der unmittelbaren Nähe des Wohnhauses einen, wenn auch nicht gerade allzugrossen doch ungemein lieblichen Garten anlegen, sodass der Ort mit dem hochgelegenen Schlosse Oberforchheim inmitten sanft emporsteigender mit dichten Waldungen bedeckter Berge einen der schönsten Punkte des herrlichen Thales bildet. Das Dorf Forchheim besteht aus zwei, der Gerichtspflege nach für sich abgeschlossenen Gemeinden, von denen die eine unter die Patrimonialgerichte des Ritterguts Niederforchheim die andere unter die von Oberforchheim gehört. Zwischen beiden Gemeinden bildet der den Ort durchschneidende Hasselbach die natürliche Grenze.

In alten Zeiten waren die beiden Rittergüter vereinigt, und wurden erst im Jahre 1762 getrennt als Niederforchheim durch Kauf in Besitz eines Georg Drechsel gelangte. In grauer Vorzeit gehörte Forchheim den Rittern von Vorchheim, von denen noch im Jahre 1420 ein Hans von Vorchheim erwähnt wird, zu dessen Gunsten Churfürst Friedrich der Streitbare einen Zwist mit dem Burggrafen von Leissnig wegen der Gerichte über das Dorf entschied, worüber die Urkunde noch vorhanden ist, und in den folgenden Jahrhunderten sass auf Forchheim die edle jetzt ausgestorbene Familie der Berbisdorfe, von der Christophs von Berbisdorf († 1665) und Hildebrands von Berbisdorf († 1675) Monumente sich in der Ortskirche, wo viele Glieder dieses ehrwürdigen Geschlechts begraben liegen, noch ziemlich unversehrt erhalten haben. Insbesondere wird die Asche Hildebrands von Berbisdorf sowohl von dem Pfarrer und Schullehrer wie auch von der Schuljugend und den Armen des Orts mit dankbaren Herzen gesegnet, indem derselbe im Jahre 1637 ein früher zu dem Rittergute Niederforchheim gehöriges Halbhufengut mit dem dazu gehörigen Niederholze, welches inzwischen zu einem stattlichen Walde emporgewachsen ist, dem Pfarr- und Schullehn, jedem zur Hälfte, erblich vermachte, und dabei die Schuljugend sowie die Ortsarmen dermassen bedachte, dass die Nutzniesser des Legates ihnen bestimmte Geschenke verabreichen müssen. Der Testator hatte verordnet, dass von dem Legat alljährlich sechs Knaben, welche Sonntags mit zu Chore gehen, jeder für 1 Thaler Tuch, ein Paar Schuhe und zwei Buch Papier erhalten sollten, seit langen Jahren hatten dieselben jedoch, wie die übrigen Kinder, zum Weihnachtsfeste Kuchen, Obst und sonstige Esswaaren empfangen. Da nun aber offenbar die Absicht des edlen Testators dahin ging, den Sinn für Musik zu beleben und den Kirchengesang, namentlich die Responsarien, feierlicher zu machen, so trug der wackere Pfarrer Schlegel in neuerer Zeit darauf an, dass in Zukunft bei den Weihnachtsbescheerungen die Bestimmungen der Schenkungsurkunde streng festgehalten werden möchten. Niederforchheim kam, wie bemerkt, in der Mitte des vorigen Jahrhunderts von der Familie Berbisdorf an Georg Drechsel der es indessen schon 1784 wieder an die Familie Schönherr verkaufte, welche das Gut bis zum Jahre 1818 besass wo es in den Besitz des noch gegenwärtigen Eigenthümers, des Amtshauptmanns und Kreisvorsitzenden, Freiherrn von Biedermann gelangte.

Was die Schicksale des Ortes anbetrifft, so schwang auch der dreissigjährige Krieg seine furchtbare Fackel über Forchheims friedliches Thal. Wilde Streifhorden zogen plündernd und brennend von Ort zu Ort und zwangen die unglücklichen Einwohner durch entsetzliche Misshandlungen zur Herausgabe ihrer versteckten Baarschaft. Der Pfarrer Devel, welcher von 1630 bis 1661 das Forchheimer Pfarramt verwaltete, schildert das Elend der unglücklichen durch den Krieg um Alles gekommenen Leute, welches noch durch eine furchtbare Pest erhöht wurde, die in seinem Kirchspiel mehrere hundert Menschen hinraffte, auf das Ergreifendste. Er hatte seine Frau und Kinder zu grösserer Sicherheit vor Krankheit und Kriegsgefahr nach Freiberg bringen lassen, und hauste einsam in seiner Pfarre mit einer alten Haushälterin, die schon oft Beweise von grosser Anhänglichkeit an Devels Familie gegeben hatte. Da drang eines Abends, als eben die Feierglocke geläutet hatte, ein schwedischer Reiterhaufen in das Dorf und fragte nach dem Pfarrherrn. Dem Pastor Devel wurde nicht wohl zu Muthe als er die Reiter von den Pferden steigen und nach seiner Wohnung kommen sah, er hatte das Kirchenvermögen in seiner Verwahrung und obgleich dasselbe wohlversteckt war, wusste er doch recht gut, dass die wilden Kriegsgurgeln eine Auswahl furchtbarer Mittel besassen, schweigsame Leute zum Geständniss zu bringen; deshalb flüchtete er in der ersten Angst in die Sakristei. Hier aber wurde er von den rohen Soldaten bald entdeckt und nach dem der Kirche gehörigen Silberzeug und Gelde gefragt. Devels Versicherungen, dass Nichts davon vorhanden sei, unterbrachen die Reiter dadurch, dass sie den Pfarrer auf den Rücken legten, und ihm von einem nahen Hofe herbeigeholte Düngerjauche einfüllten – den sogenannten Schwedentrunk – ein Mittel welches auch den verschwiegensten Menschen zu den gewünschten Entdeckungen veranlasste, aber freilich auch sehr oft den Tod des Gemarterten zur Folge hatte.

Die alte Haushälterin lief in Todesangst umher. Sie hatte die schwedischen Reiter nach der Kirche gehen sehen, hatte auch bemerkt wie einer derselben den abscheulichen Schwedentrunk herbeischaffte, und wusste nunmehr welches Schicksal des unglücklichen Pfarrers harrte. In ihrer Verzweiflung eilte sie auf den Kirchhof, bestieg eines der Rosse welche die Schweden an der Mauer der Sakristei festgekoppelt hatten, und sah [6] von diesem hohen Standpunkte durch ein Fenster in das Gemach. Beim Anblick ihres gemarterten Herrn ergriffen Schmerz und Wuth die alte Frau dergestalt, dass sie mit schmetternder Stimme in die Sakristei hineinrief: „Seid nur getrost Herr, und haltet Euch noch einen Augenblick, schon rennen die Bauern mit Heugabeln und Spiessen zusammen, Euch zu helfen und die schwedischen Strolche aufzuhängen.“ Mit diesen Worten rutschte die Alte vom Sattel des Rosses hernieder, raffte sich aber schnell wieder auf und floh nach dem Pfarrhause. Voller Entsetzen stürzten die Schweden aus der Sakristei, und ohne weiter an Geld und Kirchenschmuck zu denken warfen sie sich, nur an die wüthenden Bauernhaufen denkend, auf die Rosse und jagten zum Dorfe hinaus. Der gerettete Devel aber umarmte gerührt die alte Frau und hielt sie hoch und werth bis an ihren Tod. Auf der Stelle, wo man ihn gemartert, liess er sich auch begraben und als man 1719 den Grund zu einer neuen Kirche grub, fand man seinen Leichnam noch ganz unverwest, und legte ihn in ein neues Grab.

Die alte kleine baufällige Kirche Forchheims wurde am Sonntag Jubilate 1719 zum letzten Male von der Gemeinde benutzt, indem man bis zur Vollendung des neuen Gotteshauses ausserhalb des Kirchhofs einen grossen hölzernen Schuppen zur Abhaltung des Gottesdienstes und Vollziehung der übrigen kirchlichen Amtsverrichtungen erbaute. Es dauerte indessen nicht länger als sieben Jahre, ehe die neue Kirche eingeweiht werden konnte, indem eine grosse Theurung die Mittel der Gemeinde dergestalt erschöpft hatte, dass nur zwei Maurergesellen bei dem Bau beschäftigt werden konnten, worüber es natürlich bei den Nachbargemeinden nicht an Spott und Spässen fehlte. Für den Ausbau der Kirche aber sorgte ein braver Kaufmann in Leipzig, Gotthard Sehuberth, aus dem Forchheimer Filialdorfe Haselbach gebürtig, welcher zu diesem Zwecke ein Capital von 1500 Thalern hergab, dem seine Wittwe später noch eine bedeutende Geldsumme für Anschaffung des Altars, der Kanzel, des Taufsteins und der heiligen Gefässe hinzufügte. Am dritten Osterfeiertage 1726 wurde die schöne, geräumige und lichtvolle Kirche, welche sich durch ein sehr melodisches Geläute und eine Silbermannsche Orgel auszeichnet, fröhlich eingeweiht. – Das Patronat über die Kirche besitzen beide Rittergutsbesitzer von Ober- und Niederforchheim in Gemeinschaft.

Zu dem Rittergute gehören die Dörfer Niederforchheim, Oberhaselbach und Wernsdorf nebst Antheilen von Oberseida und Lippersdorf. Die Anzahl der Einwohner des Gerichtssprengels beträgt ungefähr 1600 Personen, und das Areal an Feld, Wiesen, Waldungen, Gärten und Teichen gegen 1070 Scheffel. Wiesen und Felder sind vortrefflich und die Waldungen sehr gut bestanden. Der Drachenwald, welcher zum Theil zu Niederforchheim gehört, war einstmals seiner Ausdehnung wegen sehr berühmt, ist aber in neueren Zeiten bedeutend verkleinert worden, so dass er nirgends mehr über eine halbe Stunde tief ist. Unter den Bauergütern zeichnen sich viele durch Grösse und Schönheit aus, wie denn Forchheim überhaupt unter die wohlhabendsten Dörfer dieser Gegend gehört. – Erwähnenswerth ist noch die grosse etwa eine Viertelstunde vom Rittergute entfernt liegende Torfstecherei, deren Schuppen und Vorrathsgebäude mit der zugleich dort befindlichen Ziegelbrennerei einem kleinen Dorfe gleichen, und woselbst jährlich an drei Millionen Stück Torf theils gestochen, theils gestrichen werden, wodurch viele Bewohner Forchheims – da die Leinweberei, der Hauptnahrungszweig der Parochie, bei dem Mangel an Absatz und missglückten Flachserndten jetzt sehr darnieder liegt – während der Sommermonate den nothwendigen Verdienst und Unterhalt finden. Uebrigens besitzt Forchheim ein Postamt, und durch die äussert belebte Strasse nach Carlsbad einen regen Verkehr.