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Nieder-Forchheim.

In einem weiten schönen Thale liegt an der von Freiberg nach Annaberg führenden Chaussee das altschriftsässige Rittergut Niederforchheim, äusserst vortheilhaft in die Augen fallend durch seine stattlichen mit Schiefer gedeckten Gebäude. Nach einem grossen Brande, welcher im Jahre 1827 den Ort heimsuchte und auch das Rittergut in Asche legte, liess dessen Besitzer der Amtshauptmann von Biedermann dasselbe in seiner jetzigen geschmackvollen Gestalt wieder aufbauen, und die nächsten Umgebungen des Herrensitzes nicht blos durch die reizendsten Baumanpflanzungen, sondern auch durch höchst interessante Anlagen in den nächsten zum Rittergute gehörigen Waldungen verschönern und in der unmittelbaren Nähe des Wohnhauses einen, wenn auch nicht gerade allzugrossen doch ungemein lieblichen Garten anlegen, sodass der Ort mit dem hochgelegenen Schlosse Oberforchheim inmitten sanft emporsteigender mit dichten Waldungen bedeckter Berge einen der schönsten Punkte des herrlichen Thales bildet. Das Dorf Forchheim besteht aus zwei, der Gerichtspflege nach für sich abgeschlossenen Gemeinden, von denen die eine unter die Patrimonialgerichte des Ritterguts Niederforchheim die andere unter die von Oberforchheim gehört. Zwischen beiden Gemeinden bildet der den Ort durchschneidende Hasselbach die natürliche Grenze.

In alten Zeiten waren die beiden Rittergüter vereinigt, und wurden erst im Jahre 1762 getrennt als Niederforchheim durch Kauf in Besitz eines Georg Drechsel gelangte. In grauer Vorzeit gehörte Forchheim den Rittern von Vorchheim, von denen noch im Jahre 1420 ein Hans von Vorchheim erwähnt wird, zu dessen Gunsten Churfürst Friedrich der Streitbare einen Zwist mit dem Burggrafen von Leissnig wegen der Gerichte über das Dorf entschied, worüber die Urkunde noch vorhanden ist, und in den folgenden Jahrhunderten sass auf Forchheim die edle jetzt ausgestorbene Familie der Berbisdorfe, von der Christophs von Berbisdorf († 1665) und Hildebrands von Berbisdorf († 1675) Monumente sich in der Ortskirche, wo viele Glieder dieses ehrwürdigen Geschlechts begraben liegen, noch ziemlich unversehrt erhalten haben. Insbesondere wird die Asche Hildebrands von Berbisdorf sowohl von dem Pfarrer und Schullehrer wie auch von der Schuljugend und den Armen des Orts mit dankbaren Herzen gesegnet, indem derselbe im Jahre 1637 ein früher zu dem Rittergute Niederforchheim gehöriges Halbhufengut mit dem dazu gehörigen Niederholze, welches inzwischen zu einem stattlichen Walde emporgewachsen ist, dem Pfarr- und Schullehn, jedem zur Hälfte, erblich vermachte, und dabei die Schuljugend sowie die Ortsarmen dermassen bedachte, dass die Nutzniesser des Legates ihnen bestimmte Geschenke verabreichen müssen. Der Testator hatte verordnet, dass von dem Legat alljährlich sechs Knaben, welche Sonntags mit zu Chore gehen, jeder für 1 Thaler Tuch, ein Paar Schuhe und zwei Buch Papier erhalten sollten, seit langen Jahren hatten dieselben jedoch, wie die übrigen Kinder, zum Weihnachtsfeste Kuchen, Obst und sonstige Esswaaren empfangen. Da nun aber offenbar die Absicht des edlen Testators dahin ging, den Sinn für Musik zu beleben und den Kirchengesang, namentlich die Responsarien, feierlicher zu machen, so trug der wackere Pfarrer Schlegel in neuerer Zeit darauf an, dass in Zukunft bei den Weihnachtsbescheerungen die Bestimmungen der Schenkungsurkunde streng festgehalten werden möchten. Niederforchheim kam, wie bemerkt, in der Mitte des vorigen Jahrhunderts von der Familie Berbisdorf an Georg Drechsel der es indessen schon 1784 wieder an die Familie Schönherr verkaufte, welche das Gut bis zum Jahre 1818 besass wo es in den Besitz des noch gegenwärtigen Eigenthümers, des Amtshauptmanns und Kreisvorsitzenden, Freiherrn von Biedermann gelangte.

Was die Schicksale des Ortes anbetrifft, so schwang auch der dreissigjährige Krieg seine furchtbare Fackel über Forchheims friedliches Thal. Wilde Streifhorden zogen plündernd und brennend von Ort zu Ort und zwangen die unglücklichen Einwohner durch entsetzliche Misshandlungen zur Herausgabe ihrer versteckten Baarschaft. Der Pfarrer Devel, welcher von 1630 bis 1661 das Forchheimer Pfarramt verwaltete, schildert das Elend der unglücklichen durch den Krieg um Alles gekommenen Leute, welches noch durch eine furchtbare Pest erhöht wurde, die in seinem Kirchspiel mehrere hundert Menschen hinraffte, auf das Ergreifendste. Er hatte seine Frau und Kinder zu grösserer Sicherheit vor Krankheit und Kriegsgefahr nach Freiberg bringen lassen, und hauste einsam in seiner Pfarre mit einer alten Haushälterin, die schon oft Beweise von grosser Anhänglichkeit an Devels Familie gegeben hatte. Da drang eines Abends, als eben die Feierglocke geläutet hatte, ein schwedischer Reiterhaufen in das Dorf und fragte nach dem Pfarrherrn. Dem Pastor Devel wurde nicht wohl zu Muthe als er die Reiter von den Pferden steigen und nach seiner Wohnung kommen sah, er hatte das Kirchenvermögen in seiner Verwahrung und obgleich dasselbe wohlversteckt war, wusste er doch recht gut, dass die wilden Kriegsgurgeln eine Auswahl furchtbarer Mittel besassen, schweigsame Leute zum Geständniss zu bringen; deshalb flüchtete er in der ersten Angst in die Sakristei. Hier aber wurde er von den rohen Soldaten bald entdeckt und nach dem der Kirche gehörigen Silberzeug und Gelde gefragt. Devels Versicherungen, dass Nichts davon vorhanden sei, unterbrachen die Reiter dadurch, dass sie den Pfarrer auf den Rücken legten, und ihm von einem nahen Hofe herbeigeholte Düngerjauche einfüllten – den sogenannten Schwedentrunk – ein Mittel welches auch den verschwiegensten Menschen zu den gewünschten Entdeckungen veranlasste, aber freilich auch sehr oft den Tod des Gemarterten zur Folge hatte.

Die alte Haushälterin lief in Todesangst umher. Sie hatte die schwedischen Reiter nach der Kirche gehen sehen, hatte auch bemerkt wie einer derselben den abscheulichen Schwedentrunk herbeischaffte, und wusste nunmehr welches Schicksal des unglücklichen Pfarrers harrte. In ihrer Verzweiflung eilte sie auf den Kirchhof, bestieg eines der Rosse welche die Schweden an der Mauer der Sakristei festgekoppelt hatten, und sah

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/011&oldid=- (Version vom 5.3.2017)