Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Nossen
wend. Nussin oder Nutzin in einer reizenden und höchst angenehmen Gegend, 4 Stunden nördlich von Freiberg und 8 Stunden von Dresden an der Freiberger Mulde gelegen.
Das in der Abbildung befindliche Schloss von Nossen liegt auf einem Felsen, welcher schon im 11. Jahrhundert und vielleicht noch vorher eine Burg trug. Die frühesten bekannten Besitzer derselben waren die Brüder Peter und Johann von Nuzzin (auch Noscin), von denen der erstere bereits in der Dotationsurkunde des Klosters Alt-Zelle 1185 vorkommt. Zwischen beiden aber und diesem Kloster musste schon 1197 der Bischoff von Meissen einen Grenzstreit schlichten. Diese Ritter von Noscin blieben bis zum Jahre 1315 im Besitze von Nossen, wo Stadt und Burg der Bischoff Wittigo II. von Meissen erkaufte und die alte Burg wegreisen und auf deren Stelle ein festes, grosses die Umgegend beherrschendes Schloss erbauen lies, welches bis auf einige Restaurationen und auf die im Jahre 1554 erfolgte Erweiterung bis auf unsre Zeiten in seiner ursprünglichen Gestalt uns erhalten worden ist.
Zu Anfang des 15. Jahrhunderts und zwar 1411 sah sich der Bischoff Thymo genöthigt, das Schloss zu Nossen zu versetzen und durch diesen Versatz kam es, dass die Zinsen das schuldige Kapital bald überstiegen, weshalb Bischoff Johann IV. gezwungen war, Schloss und Stadt an den Abt zu Alt-Zelle zu verkaufen. Dieser Kauf wurde im Jahre 1437 ratificirt.
Erst im Jahre 1483 erliess Kaiser Friedrich III. an besagtes Kloster die Verordnung, das Schloss, weil es Reichslehn sei, wieder frei zu geben und an den Bischoff von Meissen zu überlassen. Durch die Bischöffe kam es an das Churhaus Sachsen. Churfürst August lies vom Jahre 1554 an das Schloss restauriren, neue Gebäude anbauen und zum Sitze eines Amtes errichten, wozu die Alt-Zellischen Kloster-Dörfer geschlagen wurden, so dass das ganze Amt aus 3 Städten, 5 Rittergütern und aus 49 ganzen und 11 halben Amtsdörfern bestand.
Dem Amte Nossen fiel im 16. Jahrhundert das Rittergut Augustusberg anheim, worauf es im 17. Jahrhundert anderweit vom Landesherrn vererbt wurde. Doch schon im Jahre 1620 wurde dieses Gut vom Amtsschöffer Gerlach gegen 20,000 Gulden dem Amte wieder zurückgegeben. Nach 13 Jahren wurde es an den Forstmeister Christoph Zschimmer vertauscht, das Dorf jedoch 1651 zum Amte geschlagen, während das Vorwerk bis auf dessen Enkel im Jahr 1689 kam, der es 1705 an den churfürsth. Oberküchenmeister und Kämmerer Johann Adolph von Haugwitz verkaufte. Dieser erhielt wieder das Dorf Augustusberg dazu, und ist bis heutigen Tages auch abgesondert in Privathänden geblieben.
Dieses Amt Nossen existirte bis zum Jahre 1856 als solches, wo es durch die Einführung der neuen Gerichtsorganisation in ein Gerichtsamt verwandelt wurde, welches jetzt nur aus 2 Städten (Nossen und Siebenlehn) und aus 53 Landgemeinden besteht.
Der Commun Nossen stand erst ein Stadtrichter und einige Stadtgerichtsschöppen, so wie ein Communvorsteher vor, seit Einführung der Städteordnung ein Stadtrath, welcher die Polizeigewalt über die Stadt übt, und eine Freistelle auf der Meissner Fürstenschule, auch ein Familien-Stipendium für Studierende zu vergeben hat.
Im Stadtsiegel befindet sich der Nossner Kirchthurm mit dreien in Trieangel gesetzten Nussbäumen. Ganz dasselbe Siegel führt auch die hiesige Schützengesellschaft.
In kirchlicher Hinsicht gehörte Nossen im 14. Jahrhundert unter den Rossweiner Sprengel der Domprobstei Meissen, welche in Rosswein einen Erzpriester hatte, dem 21 Kirchen untergeordnet waren. Dieser Erzpriester führte den Titel Pleban, und vor der Reformation waren es meistentheils Mönche vom Kloster Alt-Zelle, welche diesen Posten bekleideten.
Das nach der Reformation zu Nossen entstandene Pastorat war anfänglich der Freiberger Inspection unterstellt, bis Nossen selbst eine Superintendur erhielt und mit eigner Inspection versehen wurde. Eingepfarrt [186] nach Nossen sind die Dörfer: Augustusberg, Breitenbach, Nieder-Eula, Nieder-Gruna, so wie die Obermühle, die Mittelmühle, die rothe Mühle, Beyermühle, Steyermühle und Klostermühle.
Die Kirche selbst zu Nossen enthält Nichts besonders Sehenswerthe; aber über dem einen Kirchthore ist an einer Kette eine vermeintliche Riesenrippe verwahrt, welche der Sage nach einem 18jährigen Fräulein von Neideck angehört haben soll.
Die Gegend von Nossen ist reizend, anziehend und fruchtbar, und in früheren Zeiten baute man ausser Getreide und Obst auch Wein.
Im 14. Jahrhundert liess der Bischof Konrad von Meissen Weinberge hier anlegen, von welchem aber keine Spur mehr existirt. Die Stadt Nossen selbst mit seinen 218 bewohnten Gebäuden und 2214 Einwohnern erfreut sich eines herrlichen Feldbaues und einer vortrefflichen Viehzucht. Und Brauerei und Brennerei sind heute noch bedeutende Erwerbszweige, wie solche schon früher gepflegt wurden.
Die Hauptstrassen von Dresden über Waldheim nach Leipzig, von Freiberg nach Lommatzsch und Döbeln führen durch die Stadt und verschaffen solcher Nahrung und Frequenz, obschon durch die verschiedenen Bauten der Eisenbahnen solche im Abnehmen begriffen ist.
Anlangend die Schicksale des Ortes, so hat solcher durch Feuersbrünste, durch den 30jährigen Krieg, durch die Jahre 1812–1813 stark gelitten und am 7. Mai 1813 wurde die Stadt fast ganz ausgeplündert.
Merkwürdig und interessant zugleich für den Altertumsforscher, für den Freund der Natur ist dieses unser Nossen noch wegen der in dessen Nähe befindlichen Klosterruinen von Alt-Zelle.
Nur eine kleine halbe Stunde von hier liegen die berühmten Ruinen, wohin heute noch wie früher Wanderungen und Wallfahrten statt finden. Wenn auch diese Wanderungen im andern Sinne wie früher unternommen werden, so staunt doch immer noch der menschliche Geist das Grossartige früherer Schöpfungen an und fühlt sich zum Danke verpflichtet zu den grossen edlen Wohlthätern der Menschheit, die im Sinne der damaligen Zeit wirkten und zur Veredlung, zur Versittlichung der Menschheit reiche Opfer brachten. Die wahre Frömmigkeit suchte in Klöstern ihr Asyl und hier wurde die Idee eines Gemeinwesens erhalten, wodurch es kam, dass die einzelnen Glieder eines solchen zu einer höheren Ausbildung gelangten: denn nur in Klöstern bestand damals ein gemeines Leben, eine Vereinbahrung Vieler zu einem moralischen Ganzen. So fand hier Gemeinsinn statt, welcher das Herz erweitert und erwärmt und die Quelle bot zu den edelsten Interessen, Kräften und Tugenden.
Darum auch heute noch dieses Sichhingezogenfühlen zu diesen Ueberbleibseln des Alterthums, darum das Wallfahrten heute noch hieher; Darum früher die grossen Anstrengungen zur Unterhaltung dieser Klöster, darum die grossen Schenkungen und Stiftungen für dieselben.
Auch Nossen war, wie wir oben erwähnt haben, einst dem Kloster Alt-Zelle einverleibt und war unter dessen Schutze glücklich und reich.
Noch Eines müssen wir gedenken, was für Nossen in der Neuzeit von Wichtigkeit geworden: Es ist dies der Actienverein der Leipziger Papierfabrik zu Nossen. So viel Anfechtungen auch dieser Verein bei seinem Entstehen erlitten hat, so steht durch technische Gutachten von hochgeachteten Männern so viel fest, dass dieses Unternehmen rentiren muss, und dass das Vertrauen, welches den Leitern des Unternehmers geschenkt worden, gerechtfertigt werden wird.
Die obenerwähnte rothe Mühle ist zur Erlangung der zum Betriebe der Papierfabrik stets nöthigen Wasserkraft für die Actiengesellschaft acquirirt worden und es kann deshalb nie an Wasser für die Fabrik selbst fehlen.