Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Lauenstein

Textdaten
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Autor: M. G.
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Titel: Lauenstein
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aus: Meissner Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 2, Seite 167–168
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons = SLUB Dresden
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Lauenstein,


früher auch Leonstein, Löwenstein und Lawenstein, liegt über dem linken Ufer der Müglitz am Abhange eines zwischen höheren Gebirgen gelegenen Berges, am Zusammenflusse des Tiefenbachs und Geisingbaches, nahe bei Neu-Geissing und Bärenstein, 6 Stunden südlich von Pirna.

Die aus Thälern, höhern und niedern Bergen und nur wenigen Ebenen bestehende Umgegend bietet dem Auge abwechselnd schöne Wiesen, mühvoll bearbeitete Saatfelder und meistens aus Nadelholz bestehende Büsche und zahlreiche Berghalden, als Erinnerungen an den hier früher stark betriebenen Bergbau dar.

Das alte Schloss thront auf hohem Berge, dessen Entstehung nicht mit Bestimmtheit zu ermitteln sein dürfte. Es ist zu verschiedenen Zeiten gebaut worden und dessen Vollendung in das 13. Jahrhundert zu versetzen. Als Reliquie des Alterthums wird darinnen der sogenannte Trompetersaal gezeigt. Dieser Saal ist ein langes, grosses Gemach mit Orchester, indem in frühester Zeit zu Ehren edler, tugendhafter Ritterfrauen die üblichen Ritterfeste gefeiert wurden. Aber auch an die Schattenseite jener alten, in mancher Hinsicht herrlichen Zeit wird man hier durch die noch vorhandene sogenannte Marterkammer und durch das noch existirende Burgverlies erinnert. In der erstern befanden sich noch vor einigen 40 Jahren mehrere Marterinstrumente, die seit dem Kriegsjahre 1813 vermisst werden. Dieser düstere, trübe Eindruck wird blos dadurch wieder gemindert, wenn man auf die einzelnen Ueberreste der schon längst eingegangenen Schlosskapelle schaut und erwägt, wie der fromme Sinn schon frühzeitig auch hier zu Hause war, um das niedergebeugte, von Gram und Kummer verzehrte Gemüth in seiner Hingebung zur allwaltenden Vorsehung wieder zu trösten und aufzurichten.

Lauenstein war von seiner Entstehung an eine bedeutende Herrschaft, welche im Jahre 1320 Markgraf Friedrich mit der gebissenen Wange besass. Bei der Landestheilung des Kurfürsten Friedrich II. mit seinen beiden Brüdern Siegismund und Wilhelm 1436 fiel die Herrschaft Lauenstein dem Kurfürsten selbst zu, welcher sie an die Herren von Korbitz verlieh. Letztere verkauften diese Herrschaft 1479 an Hans und Erhardt Münzer, welche den sogenannten Begnadigungsbrief erhalten haben. Von dem Einen dieser Brüder, welcher der reiche Münzer genannt wird, erzählt man, dass er aus den Freiberger Bergwerken 300,000 Thaler erhalten habe. Nach dem Ableben seines Sohnes, Hans Münzer des Jüngern, welcher nach der Rückkehr aus dem gelobten Lande, wohin er den Herzog Albert begleitet hatte, als Landeshauptmann zu Freiberg ernannt worden war, verkaufte[VL 1] Stephan Allenbeck Lauenstein und erhielt 1494 seine Begnadigung. Dieser Besitzer hat dem Städtchen Lauenstein seine Vorrechte verschafft, auch den Bürgern gegen einen ganz mässigen Erbzins die bis dahin gehabten Hofdienste erlassen.

Nach der Familie von Allenbeck wurden die Herren von Saalhausen mit Lauenstein begnadigt, welche es bis 1515 besassen. In diesem Jahre kam die Herrschaft an Rudolph von Bünau auf Tetschen in Böhmen, welcher ein Schwager derer von Saalhausen war und im Jahre 1520 auch wirklich mit Lauenstein beliehen wurde. Nach seinem Tode ist die Herrschaft Lauenstein und die Herrschaft Tetschen auf seinen Sohn Günther von Bünau übergegangen. Dieser hat das hiesige Pfarrgut für 300 Gülden käuflich übernommen. Ihm ist Rudolph von Bünau, welcher das alte Stammhaus dieser Familie, Tetschen, der Religion wegen verlassen musste, als Besitzer von Lauenstein gefolgt, und im Jahre 1635 in Reinhardtsgrimma, welche Besitzung er noch dazu gekauft hatte, gestorben. Tetschen ist dagegen im Jahre 1628 an das Thun’sche Geschlecht gekommen. Seit des im Jahre 1635 verstorbenen Rudolphs von Bünau Tode ist Lauenstein ununterbrochen bis zum Jahre 1806 bei dessen Familie geblieben. Im gedachten Jahre starb der letzte männliche Sprössling dieser Rudolph von Bünau’schen Linie, der Graf Rudolph von Bünau, Geheimrath und sächsischer Gesandter zu Paris, und Lauenstein fiel als ein Mannlehn an eine Bünau’sche Nebenlinie, und zwar an den Artillerie-Major Günther von Bünau, welcher es nach dem Kriege von 1813 wegen der beispiellosen Verwüstungen, welche die Besitzung im Kriege erlitten hatte, und der übernommenen Lehnsschulden am Ende aufgeben musste, so dass es im Jahre 1821 subhastirt wurde.

Der Geheimrath Graf von Hohenthal-Dölkau erstand Lauenstein mit seinem ganzen Complex und seit dessen Tode besitzt die Herrschaft sein Herr Sohn, Carl von Hohenthal-Püchau.

Die Schicksale Lauensteins anbetreffend, hat der Ort viele Drangsale durch den Hussiten- und dreissigjährigen Krieg erduldet; auch von Brandunglück ist derselbe oft heimgesucht worden.

Am 2. Mai 1594 Nachts 12 Uhr ist im Schlosse durch Verwahrlosung eines Malers ein Feuer entstanden, welches bei der damaligen grossen Trockenheit mehrere Schlossgebäude, die Kirche, Schule, das Rath- und Brauhaus und 54 Wohnhäuser in Asche legte. Auch im Jahre 1643 ist ein grosser Theil des Städtchens, mit der Kirche, Pfarre, Schule und Rathhaus abgebrannt. Ein dritter Brand am 11. December 1806 legte den oberen Theil der Kirche bis auf das Gewölbe, nebst dem Kirchthurm, das Rath- und Schulhaus und 8 Bürgerhäuser in Schutt und Asche.

Lauenstein hatte früher ansehnliche Zinn- und Eisenbergwerke und noch zu Anfange des 18. Jahrhunderts sind auf hiesigen Fluren 14 gangbare Gruben betrieben worden, welche aber sämmtlich, bis auf den hiesigen Communstollen, liegen geblieben sind.

Ausserdem besitzt die Commun, welche im 14. Jahrhundert Stadtgerechtigkeit erhielt, grosse Brauereigerechtsame, und der Betrieb dieses Nahrungszweiges [168] selbst ist ein bedeutender zu nennen. Die übrigen vornehmsten Erwerbsquellen bestehen in Strohflechten, in Feldbau und Viehzucht, welche von dem vielen und schönen Wiesewachs sehr begünstigt wird.

Die grössere Zahl der hier wohnenden Tagelöhner findet auf dem Schlosse ihre Arbeit und ihren Verdienst, welche seit der Ablösung der Spann- und Handfrohndienste sehr gesucht sind.

Die hiesigen Fleischer haben seit 1462 das Recht nach Dresden zu schlachten und das Fleisch dahin unzerstückt einzubringen.

Seit 1606 erfolgte durch Christian II. die Bestätigung des Marktrechtes, so dass jährlich hier 3 Jahrmärkte abgehalten werden.

Die durch Kurfürst Moritz errichtete Schützengilde besteht heute noch, welche jährlich den 2. Pfingstfeiertag und den darauffolgenden Tag ihr solennes Scheibenschiessen hält. Das im Jahre 1823 neuerbaute Schiesshaus liegt sehr freundlich im Müglitzthale und enthält einen geräumigen Tanzsaal mit hohem Orchester und 2 Gesellschaftszimmern.

Der frühere Gerichtsbezirk von der Herrschaft Lauenstein bestand aus 2 Städtchen, 1 Bergflecken und 77[VL 2] grössern und kleinern Dörfern, und der Sitz des Gerichts war bis zur Einführung der neuen Gerichtsorganisation in Lauenstein, an dessen Spitze ein Justitiar stand, dem ein Actuar und drei Copisten beigegeben waren.

Dem Besitzer von Lauenstein stand auch von jeher das Patronatsrecht über die Kirche zu.

Die hiesige Kirche ist ein merkwürdiges Werk wegen ihres innern Baues und der kunstreichen Denkmäler. Sie hat zwei hohe Gewölbe, das vordere, welches das Schiff der Kirche bildet, ruht auf vier Säulen. Das hintere umschliesst den Altarplatz. Zu ihrer Verschönerung, zu ihrem innern Ausbau hat wohl am meisten Rudolph von Bünau beigetragen.

Hinter dem Altare links ist die Begräbnisskapelle mit einem besondern hohen Gewölbe. Unter den Platten des Fussbodens sind die Grüfte, in welchen die Glieder der Bünau’schen Familie, bis mit dem letzten Besitzer, dem Major Günther von Bünau, ruhen. Ganz besonders anziehend ist das in dieser Kapelle errichtete Denkmal, was von Sandstein gearbeitet ist. Auf dem untern breiten Piedestal sind in Lebensgrösse knieend aufgestellt, links der erwähnte Rudolph von Bünau, hinter ihm seine fünf Söhne, welche ihre Helme neben sich liegen haben, rechts dessen zwei Gemahlinnen und vier Töchter.

Ausser der Kirche verdient noch die Pfarrwohnung mit ihrer herrlichen Aussicht in das darunter liegende Müglitzthal einiger Erwähnung, und die Schule, welche seit 1838 ganz neu und bequem eingerichtet ist. Dem Schulamte steht ein Lehrer, welcher den Titel Rektor führt, vor. Dieses Amt wird wechselsweise vom Stadtrathe und dem jedesmaligen Besitzer der Herrschaft besetzt.

Eingepfarrt nach Lauenstein ist blos Ober- und Unterlöwenhain, wogegen der ganze Ort seine eigne Schule hat.

In der früheren Zeit ging auch Geising in die Kirche nach Lauenstein. Aber schon 1479 machten die Geisinger Anstalt, selbst eine Kirche zu erbauen, wodurch zwischen Pfarrer und Parochianen ein Streit entstand, welcher dadurch beseitigt wurde, dass der Besitzer von Lauenstein, Hans Münzer der Jüngere, dem Pfarrer zu Lauenstein und allen seinen Nachfolgern 10 Scheffel Korn und 10 Scheffel Hafer als Ablösung gab. Ueber diesen Vergleich stellte der Bischof von Salhausen zu Stolpen 1489 den 5. August eine Confirmationsurkunde aus.

Einer besonderen Erwähnung bedürfen hier die in Lauenstein existirenden Stiftungen:

1) Die Hospitalstiftung. In früherer Zeit stand auf dem vor dem obern Thore gelegenen Gottesacker ein Hospitalgebäude, in welchem Arme freie Wohnung und Verpflegung erhielten. Dieses Gebäude ist später eingegangen und es befindet sich auf der Stelle, wo früher das Hospital gestanden haben soll, blos ein hölzernes Gebäude, in welchem bei Begräbnissen der Gesang verrichtet und die Abdankungen gehalten werden. Aus dieser Stiftung erhält der Rektor jährlich 28 Thaler Besoldung.

2) Die Klühn’sche Stiftung. Im Jahre 1810 verstarb der Wundarzt und Bürgermeister Daniel Klühn und derselbe vermachte sein ansehnliches Vermögen der hiesigen Kirche. Aus dieser Stiftung erhält der Rektor jährlich 80 Thaler für den Unterricht der Bürgerstöchter, damit diese die Befreiung vom Schulgelde eben so geniessen, wie sie schon früher die Knaben genossen haben, für welches aus der Communkasse ein Fixum von 48 Thalern entrichtet wird. Auch 6 alte hilfsbedürftige Personen erhalten aus dieser Stiftung allmonatlich 1 Thaler.

Ausser diesen beiden Stiftungen und dem Bräuer’schen und Schwenkeschen Legate ist aber

3) die wohlthätige, vom jetzigen Herrn Grafen von Hohenthal auf Lauenstein zum Andenken seiner den 2. November 1836 verstorbenen ersten Gemahlin, Walpurgen Hedwig geb. Gräfin verw. Schafgotsch errichtete Stiftung in Betracht zu ziehen, wonach jedes Jahr am 1. Mai, als dem Namenstage der Verewigten, 60 Thaler an 15 hülfsbedürftige arme Männer und 15 dergleichen an Weiber ausgezahlt werden.

Ihnen, den edlen Stiftern, wird durch alle Jahrhunderte auf die spätesten Nachkommen ein Andenken bewahrt bleiben, was keine Zeitumstände, keine politischen Strömungen, wie sie auch kommen mögen, je verlöschen können.

Der Ort Lauenstein hat mit Einschluss der Kirche, Pfarre und Schule, auch des Vorstädtchens, jedoch mit Ausschluss der 13 Häuser in Kratzhammer und Unter-Löwenhain, 98 Häuser, worunter eine Apotheke und zwei Gasthöfe sich befinden und überdies drei Mühlen (die Herrenmühle, die Ober- und Niedermühle) und eine Feldmeisterei.

Zum Städtchen gehören: Das nahe am Fürstenwalde liegende Oertchen Kratzhammer, welches ursprünglich ein Hammerwerk gewesen ist, jetzt aber aus einem Hauptgute, dem Kratzhammergute und sieben andern Häusern besteht. Ferner

Unter-Löwenhain, mit dem eigentlichen Dorfe Löwenhain zusammenhängend, welches drei Vorwerke, einen Haus- und Feldbesitzer und eine Mühle umfasst.

Die Einwohner beider Orte geniessen das Bürgerrecht in Lauenstein, weil ihre Fluren mit zu dem Weichbilde der Stadt Lauenstein gehören.

Die sämmtliche Einwohnerzahl von Lauenstein, mit Kratzhammer und Löwenhain, mit Einschluss der Bewohner der Rittergutsgebäude, beträgt 819, und steht solche unter ihrem eigenen Gerichtsamte, welches aus dem alten Gerichtsbezirke gebildet worden ist.

Lauenstein aber als Gerichtsamt steht unter dem Bezirksgericht Pirna.

M. G.     



Anmerkungen der Vorlage

  1. handschriftliche Korrektur: erkaufte
  2. handschriftliche Korrektur: 7