Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Kieritzsch
liegt in einer freundlichen, mit mehrern kleinen Waldparcellen durchschnittenen Ebne, 2 Stunden von der Stadt Borna, eben so weit von Pegau, 4 Stunden von Leipzig und 5 Stunden von Altenburg.
Ueber den Ursprung des Ortes lässt sich nichts Bestimmtes angeben, so viel steht fest, dass derselbe in eine graue Vorzeit fällt.
Auf alle Fälle bestand der Ort aus wenigen den Kirchplatz bildenden Gütern, da ein grosser Theil der hiesigen Flurmark wegen, geringhaltiger Güte des Bodens wüste gelegen haben mag; später erst entstanden mehre Güter und der grösste Theil der Hausbewohnungen wurde erst zu Anfange des vorigen Jahrhunderts eingebaut.
Das hiesige Rittergut ist in einem schönen, grossartigem Style erbaut und ist schon lange im Besitze der Familie von Helldorf. Der jetzige Besitzer ist der Königl. Forstmeister und Kammerjunker Karl von Helldorf.
Mit dem Rittergute vereinigt ist das 10 Minuten entfernte Vorwerk Zölsdorf, sonst Zeilsdorf, Zelsdorf genannt, dessen Wirthschaftsgebäude und Drescherhäuser 1800 abgebrochen wurden, nachdem das Wohnhaus schon früher verfallen war.
Dies Gut gehörte Luthern, welcher es seiner Katharina geschenkt hatte, die öfters hier wohnte, besonders als Wittwe und das auch Luther zuweilen besuchte.
Der Ort, wo Zölsdorf gestanden, bezeichnet jetzt ein von dem verstorbenen Besitzer, dem Herrn Kammerherrn Carl Heinrich Anton von Helldorf errichteter einfacher Denkstein mit der Aufschrift: Hier wohnte Dr. Martin Luther.
Die Gerichtsherrschaft von Kieritzsch übt die Collatur über Kirche und Schule. Die Kirche wurde im Jahre 1699 durch viele milde Spenden und besonders durch reichliche Unterstützungen des damaligen Besitzers der Rittergüter Kieritzsch und Drossdorf, Julius von Helldorf erbaut, in welche eine sehr schöne herrschaftliche Kapelle und ein der Familie von Helldorf gehöriges Erbbegräbniss sich befindet.
Die Kirche umgiebt ein mit Stacket eingefasster und mit mehrern Epitaphien älterer und neuerer Zeit besetzter kleiner Kirchhof als Begräbnissplatz, doch befindet sich auch noch ein Gottesacker ausserhalb des Dorfes.
Die Schicksale des Orts anlangend, so lastete der 30jährige Krieg schwer auf demselben. Mehre Güter mussten von ihren Bewohnern verlassen werden und blieben dem zu Folge lange wüste liegen.
Besonders wurde das Dorf hart bedrängt nach der Schlacht bei Lützen, als Wallensteins Heer zum Theil seinen Rückzug über Kieritzsch nahm und der nachdrängende Herzog Bernhardt von Weimar in der Nähe des Dorfes ein verschanztes Lager bezog, dessen Wälle vor mehrern Jahren noch zu sehen waren, jetzt aber geebnet sind, wobei Kieritzsch geplündert und besonders alles Vieh fortgetrieben wurde, auch vielleicht einige nahe gelegene Orte, deren Namen nur noch vorhanden sind, zerstört wurden.
Ein seltnes Unglück brach im Jahre 1800 im Februar über hiesigen [238] Ort herein: In einer Zeit von nicht ganz 4 Wochen brach 12 Mal Feuer aus und zwar fast immer einen Tag um den andern, 5 Mal wurde es gelöscht, aber 7 Mal brannte es fort und legte 7 Wohnungen in Asche.
Nicht die Verluste an ihren Gütern allein waren es, die dadurch die unglücklichen Bewohner erlitten, sondern besonders die Angst und Sorge, die bei Tag und bei Nacht 4 Wochen lang die Ruhe von ihnen scheuchte und sie auf das Qualvollste folterte, indem sie keinen Augenblick ihrer Habe und ihres Lebens sicher waren, einige sogar ihre Gattinnen und Kinder an fremden Orten geborgen hatten und doch diesem Zustande kein Ende machen konnten.
Nicht die angestrengtesten Nachforschungen, nicht die sorgfälltigste Wachsamkeit vermochten den Thäter zu entdecken, bis endlich der bei einem Diebstahle ertappte hiesige Wagnerlehrling zu dem Geständnisse gebracht wurde, diese Feuer sowohl, als auch das, welches in seinem Geburtsorte, dem benachbarten Zöpen, die Pfarr- und einige Nachbargebäude vernichtete, angelegt zu haben, weil die hell auflodernde Flamme ihm Freude machte. –
Die hiesigen Bewohner sind bei dem bedeutenden Areal hiesiger Flur an den Ackerbau gewiesen; aber auch ein starker Viehhandel wird hier getrieben, der vorzüglich, seit die Eisenbahn von Leipzig nach Altenburg diesen Ort berührt, sich sehr vermehrt hat und erleichtert worden ist.
Ueberhaupt hat Kieritzsch durch die Eisenbahn ungemein gewonnen. Es ist hier ein Bahnhof, und von hier aus gehen täglich Posten nach Lobstädt und Borna ab. In den schönen Sommertagen dient Kieritzsch als Vergnügungsort für die dasige Umgegend.
Durch diese günstige Lage, aber auch durch steigende Cultur im Ackerbau und durch Fleiss und Sparsamkeit der Bewohner gelangten dieselben zu einem gewissen Wohlstand.
Jährlich werden auch in Kieritzsch zwei mit Jahrmärkten versehene Viehmärkte abgehalten.
Ausser dem schönen Gasthofe ist im Orte eine Windmühle und eine Ziegelei; die erbaute Zuckerfabrik ist wieder eingegangen.
Kieritzsch reint mit Medewitzsch, Piegel, Leipen und Podelwitz, mit Drossdorf, Kahnsdorf, Zöpen und Trachenau.
Ob die Behauptungen einiger Topographen richtig sind, dass Kieritzsch dasjenige Kosowa im Burgward Groitzsch gewesen sei, welches 1103 mit den Zinsen an’s Pegauer Kloster gewiesen wurde, lassen wir dahingestellt sein. Uns dünkt eine solche Behauptung sehr kühn.
Bemerkenswerth ist noch, dass in der herrschaftlichen Wohnung, in dem sogenannten Luthers-Saale unter mehrern andern Gemälden Luthers und seiner Gattin Brustbild von Gips aufbewahrt wurden, welche man aus Luther verfallenen Hause zu Zölsdorf gerettet hatte und von Kennern hoch geschätzt worden sind.
Diese Brustbilder sind jetzt in der Kirche aufgestellt.
Der Ort mit seinen 6 Anspänner, 22 Hintersässergütern und 18 Häuslerwohnungen, nebst Windmühle und Gasthof im Ganzen mit 400 Einwohnern, gehört jetzt zum Gerichtsamte Borna.