Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Gohlis

Textdaten
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Autor: Otto Moser
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Titel: Gohlis
Untertitel:
aus: Leipziger Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band I, Seite 57–59
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Erscheinungsdatum: 1860
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
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Erscheinungsort: Leipzig
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Gohlis
bei Leipzig.


Zu den reizendst gelegenen Dörfern in Leipzigs Umgebung gehört unbedingt Gohlis. Hart an dem herrlichen Eichenwalde, das Rosenthal genannt, liegt das Dorf umschlossen von Wiesen und fruchtbaren Feldern an der vereinigten Pleisse und Parthe, welche unterhalb des Dorfes eine bedeutende Mühle treibt. Die hohe Kuppel des Schlosses blickt stattlich aus dichten Anpflanzungen hervor, und namentlich präsentirt sich das wahrhaft schöne Schloss von der Abendseite, wo die offenen Stellen der zum Park umgewandelten Rosenthalwaldung freie Aussicht gestatten. Gohlis ist im Sommer von einer grossen Anzahl angesehener Leipziger Familien bewohnt, die hier in grossen völlig städtisch erbauten Häusern leben, welche dem Dorfe das Ansehen einer Leipziger Vorstadt verleihen. Die beiden Restaurationen des Ortes, die Wasserschenke, von ihrer Lage an der Pleisse so genannt, und die Oberschenke, sind sehr besuchte Vergnügungsplätze des Leipziger Publikums, und namentlich findet man hier die berühmte Döllnitzer Gose, ein Waizenbier, das nur Leipzig und seine Umgebung kennt, von vorzüglicher Güte. Des Dorfes Südseite ist von dem kleinen Flüsschen Ritschke bespühlt, und jenseits derselben erhebt sich der von den Leipzigern sogenannte Kickerlingsberg, eine Höhe, die nicht – zwölf Ellen übersteigt. Dagegen ragt das Gelände nach Norden hin so weit empor, dass man von dort eine wirklich hübsche Aussicht geniesst. Die Fluren rainen mit Möckern, Wiederitzsch, Eutritzsch und dem städtischen Vorwerke Pfaffendorf, und die Zahl der einheimischen Gohliser mag ziemlich tausend Köpfe betragen. Unter den Häusern zu Gohlis ist das interessanteste, ein kleines unscheinbares Gebäude mit gesenktem Giebel, worin einst Schiller seine Sommerwohnung hatte. Ueber der Thür liess der Schillerverein zu Leipzig am 11. November 1841 eine gusseiserne Platte befestigen mit der Inschrift:

„Hier wohnte Schiller und schrieb das Lied an die Freude 1785.“
Zugleich hat der genannte Verein in Gohlis seit dem Jahre 1842 eine Gemeindebibliothek gegründet, die alljährlich nicht unbedeutend vermehrt wird, sowie an die Gohliser Schuljugend eine in Büchern bestehende alljährliche Prämienvertheilung angeordnet. Bei Gohlis befinden sich sehr hübsche von einem der Besitzer im Jahre 1756 angepflanzte Lindenalleen.

Gohlis ist eine alte wendische Niederlassung, und wohl ebenso alt wie das benachbarte Leipzig; es sollte jedoch richtiger Kohlitz geschrieben werden, welcher Name soviel als „Hügelland“ bedeutet. In den fernsten Zeiten war es nebst Möckern, Wahren und einigen andern Dörfern, Eigenthum des adligen Geschlechts derer von Warin, von welchem es an die reichbegüterten Herren von Pflugk gelangte. Der erste Besitzer von Gohlis aus dieser Familie war Tham (Damian) Pflugk, ein Sohn Nikel Pflugks auf Strehla und Frauenstein, dem auch Zöbigker und Möckern gehörte. Er war Rath des Markgrafen Wilhelm von Meissen und hatte zur Gemahlin Agnesen von Hirschfeld, aus dem Hause Mühlbach, welche ihm zwei Söhne, Sigismund und Nikolas gebar. Tham Pflugk wird von 1349 bis 1376 genannt, in welchem letztgenannten Jahre, er nebst seinem Bruder Otto, Möckern und Gohlis (nach noch vorhandener Lehnsurkunde) in Lehn und Würden bekam. Otto Pflugk überlebte seinen Bruder, und wird noch 1394 als Besitzer von Gohlis genannt, wo er gestorben zu sein scheint. Sein Sohn, Nikel Pflug, besass die väterlichen Güter von 1394 bis 1420, und hatte seinen Sitz auf dem Schlosse zu Grosszchocher, wo er mit Erlaubniss des Propstes zu St. Thomas eine eigene Hofkapelle gründete und einen Kaplan mit dem sonderbaren Namen Dobertobe anstellte, worüber die Confirmation noch im Pfarrarchiv zu Grosszschocher vorhanden ist. Nikel Pflugk der jüngere, des vorigen Erbe, besass die Güter Grosszschocher, Windorf, Pötzschkau, Möckern und Gohlis, doch hatte an die beiden letztgenannten Ortschaften auch sein Vetter, Nikel Pflugk auf Knauthain, Ansprüche, die er jedoch an Ersteren durch einen 1462 errichteten Vertrag abtrat. Hans Pflugk der ältere, des Vorigen Sohn, besass durch Erbfälle und Verheirathung, ausser den väterlichen Gütern auch Fuchshain, Pomsen, Seiffertshain, Laussen, Göhrens und Albertsdorf. Sein Tod erfolgte 1490.

Auf Hans Pflugk folgte im Besitze der Güter dessen Sohn, Hans der jüngere, zu dessen Zeit Fuchshain von der Familie wegkam. Er lebte bis 1550 und hinterliess vier Söhne, die sich dergestalt in die Güter theilten, dass der älteste, Hans, Zschocher und Gohlis, Moritz Pomsen und Seiffertshain, Georg Pötzschkau, und der jüngste, Wolf, Windorf, Lausen, Göhren und Möckern bekam. Hans Pflugk lebte nicht lange und musste 1535 einen grossen Theil von Gohlis wiederkäuflich an die Stadt Leipzig abtreten. Bei seinem 1538 erfolgten Tode, hätte ihn, da er ohne Nachkommen starb, sein Bruder Moritz beerben müssen, aber dieser gelehrte wackere Edelmann, ein treuer Freund Luthers und Melanchthons, hatte durch ein Liebesverhältniss mit Barbara von Legmer, Christoph Weissens zu Leipzig Ehefrau, sich zur Ermordung des Ehemanns hinreissen lassen, und 1537 auf dem Markte zu Leipzig sammt der Geliebten unter dem Schwerte des Nachrichters geendet. Wir [58] haben bereits bei der Beschreibung Pomsens uns weitläufiger über diesen Moritz Pflugk, den die Familie den Unglücklichen nennt, im Gegensatz zu Bischof Julius Pflugk, dem Glücklichen, ausgesprochen.

Georg Pflugk, der dritte Bruder, besass ursprünglich nur Pötzschkau und Albertsdorf, erhielt aber nach Hansens Tode Zschocher und das vom Rathe zu Leipzig zurückgelöste Gohlis. Im Schmalkaldischen Kriege wurde er von den Abgesandten des Churfürsten Johann Friedrich des Grossmüthigen gefangen, weil er ein eifriger Anhänger des Herzogs Moritz war. Seine Gemahlin Barbara, gebar ihm blos eine Tochter, die nach ihres Vaters 1549 erfolgtem Tode, Hans, Edlen von der Planitz auf Belgershain zum Vormunde bekam. Bruno und Wolf Pflugk auf Windorf, trafen 1552 mit ihrer Muhme Barbara einen Vergleich, worin sie ihr 700 Gulden zur Ausstattung, 300 Gulden zu Schmuck und 100 Gulden zu einer Kette versprachen. Bruno und Wolf Pflugk, waren die Söhne des schon erwähnten vierten Sohnes Hans Pflugks des jüngeren, Wolf, der von seinen Brüdern, obgleich der jüngste, zuerst mit Tode abging (1533), worauf Wolf und Bruno unter Vormundschaft ihrer Vettern standen, und nach ihrer Volljährigkeit die väterlichen Güter gemeinschaftlich besassen, bis ihnen auch Zschocher zufiel, und sie dergestalt theilten, dass Bruno Pflugk, Grosszschocher, Lausen, Albertsdorf und Gohlis, Wolf Windorf, Möckern und Göhrenz bekam. Letzterer verkaufte 1562 an seinen Bruder den Sattelhof Möckern für 4000 Gulden. Bruno, der den kinderlosen Bruder überlebte, empfing nach dessen Tode alle ihm gehörigen Güter, so dass er Zschocher, Windorf, Göhrenz, Lausen, Albertsdorf, Möckern und Gohlis besass. Im Jahre 1555 war Bruno Pflugk, Hauptmann zu Zeitz, und wird als ein stattlicher, tapferer und kluger Mann gerühmt, der jedoch etwas zu viel Prachtliebe besass. Daher mag es gekommen sein, dass sich Bruno Pflugk häufig in Geldverlegenheit befand, und die Güter nach und nach an seinen Schwiegersohn verpfändete. Dieser, Karl von Dieskau, besass schon 1586 Grosszschocher und Windorf unterpfändlich, und erstand diese Güter 1592 sub hasta, in welchem Jahre sein Schwiegervater mit Tode abging, wodurch auch die übrigen Güter in Dieskaus Besitz gelangten. Seine Tochter Margarethe vermählte sich 1598 mit Andreas Pflugk auf Mausitz, und eine zweite Tochter, Sabina, mit Kaspar von Hacken auf Kitzen. Karl von Dieskau stand im Verdacht, dem Cryptocalvinismus ergeben zu sein, weshalb er am chursächsischen Hofe, wie auch in Merseburg, grossen Anstoss erregte, und viele Unannehmlichkeiten hatte. Sein Tod erfolgte 1620 und Hieronymus von Dieskau, vermählt mit Agnes von Hacke auf Kitzen, der einzige Sohn des Verstorbenen, wurde dessen Erbe. Als er 1630 starb, führte die Wittwe über ihre vier Kinder, drei Knaben und eine Tochter, die Vormundschaft, aber der dreissigjährige Krieg brachte ihr solche Verluste, dass die Güter stark verschuldet werden mussten. Der älteste Sohn, Karl Simon von Dieskau nahm, anfänglich mit seinem jüngsten Bruder in Gemeinschaft, später allein, die Güter an und schloss mit den Brüdern einen Erbvertrag, wodurch er ihnen eine Jahresrente zu zahlen versprach. Er starb 1654 unvermählt, und seine Brüder Otto und Bruno von Dieskau nahmen von den Gütern Besitz. Otto starb 1682 ohne Nachkommen, und der Bruder, vermählt mit Helene von Strachwitz geborener von der Dahm, war Eigenthümer sämmtlicher Güter, musste jedoch eines nach dem andern verkaufen. Von seinen drei Söhnen starb Karl Simon sehr jung, Georg Friedrich fiel im zwanzigsten Lebensjahre in einer Schlacht gegen die Franzosen, und Hieronymus Bruno starb als Pachter des Rittergutes Trakendorf bei Jena. Von des Letzteren fünf Töchtern starben Maria und Anna Sophie unvermählt und hochbejahrt 1742 zu Grosszschocher, als Besitzerinnen eines kleinen Bauerngütchens; auf dem Schlosse aber, das der Familie Jahrhunderte gehört, sass ein Herr von Ponikau. Hieronymus Bruno der ältere starb am 1. Mai 1690, nachdem er Gohlis und Möckern schon 1670 an den chursächsischen Leibarzt und Professor Dr. Michael Heinrich Horn in Leipzig verkauft hatte. Dessen Tod erfolgte 1681 und Gohlis kam in Besitz seines Schwiegersohnes, des chursächsischen Rathes und Ordinarius der Juristenfakultät, Dr. Lüder-Menke, eines Mannes, dem Gohlis viel Dank schuldig ist, denn 1724, zwei Jahre vor seinem Tode, legte er ein Capital von 600 Thalern nieder, um eine wöchentliche Betstunde für Alte und Kranke einzurichten, weshalb man im Gemeindehause einen Betsaal herstellte. Zwei Jahre nachher gab der Nachbar Hans Lorenz zu gleichem Zwecke, als Vergütung für den Prediger und Lehrer, ein Capital von hundert Gülden her, und die Gattin des Professors Künhold, Lüder-Menkes Tochter, bestimmte, dass zwei Vesperprediger an der Paulinerkirche zu Leipzig die Zinsen von 1000 Thalern erhalten, und dafür jeden Sonntag Nachmittag im Betsaale zu Gohlis eine Predigt halten sollten. Um das Jahr 1750 gehörte Gohlis dem Kaufmann und Kammerrath, auch Rathsbaumeister zu Leipzig, Caspar Richter, dem Erbauer des herrlichen Gohliser Schlosses. Er erbaute dasselbe in den Jahren 1755 und 1756 auf der Stelle von drei Halbhufengütern, und nannte es das Thurmgut. Nach Richters Tode vermählte sich dessen Wittwe (1771) mit dem Hofrath Böhme, diesem um Gohlis so hochverdienten Manne, der 1772 auch das Rittergut durch Kauf an sich brachte. Böhme liess das Innere des Schlosses von dem berühmten Oeser mit prachtvollen Allegorien schmücken, den Betsaal bequemer einrichten, schaffte auf seine Kosten eine Orgel an, vermehrte das Legat des Professor Kühnhold um 1000 Thaler, setzte 2000 Thaler zur Unterhaltung des Betsaales aus, 1000 Thaler für Wittwen und Waisen und 240 Thaler für das Orgelspiel. Ueberall liess er Lindenalleen anlegen und das Dorf pflastern. Es ist uns nicht bekannt, ob ein Denkmal zu Gohlis das Andenken dieses wohlthätigen Mannes ehrt. Er starb sammt seiner Gattin am 30. Juni 1780.

Im Jahre 1763 kam das Rittergut Gohlis durch Erbschaft an die Stadt Leipzig, und blieb deren Eigenthum bis vor wenigen Jahren, wo es zum Verkauf ausgeboten wurde. Die Gohliser steckten die Köpfe zusammen und meinten, dass aus dem Schlosse sich eine prachtvolle Kirche herstellen liess, und überhaupt verschiedene Gründe es als höchst vortheilhaft darstellten, wenn die Gemeinde das Gut erkaufte. Während man darüber stritt und sich nicht einigen konnte, begann die Subhastation und das herrliche Besitzthum wurde für einen sehr massigen Preis Eigenthum des Baron von Alvensleben, der 1838 mit Tode abging und Gohlis seiner Wittwe hinterliess. Der jetzige Besitzer ist deren Sohn, Herr Baron J. H. G. von Alvensleben. – Die Gerichte zu Gohlis, sowie die Verwaltung der Böhmeschen Stiftung sind übrigens in den Händen des Stadtraths zu Leipzig geblieben. –

Gohlis ist nebst Möckern in die ziemlich weit entlegene Kirche zu Eutritzsch eingepfarrt, ein altes neuerdings gründlich restaurirtes Gebäude, [59] das 1503 vom Bischof von Merseburg, Thilo von Trotha, eingeweiht wurde. Vor dem Jahre 1544 gehörte Gohlis in die Thomaskirche zu Leipzig, wohin auch bis 1543 das Dorf Möckern eingepfarrt war. Die vielen interessanten Alterthümer, welche die Kirche zu Eutritzsch barg, sind dem Alterthumsvereine in Dresden überlassen worden, selbst der alte ehrwürdige Altar mit seinen trefflichen Schnitzarbeiten, hat einem modernen Nachfolger Platz machen müssen. Bis zum Jahre 1684 war Gohlis nach Eutritzsch auch eingeschult, seit dieser Zeit aber hat es einen eigenen Lehrer. Durch die Bemühungen der beiden ehemaligen Gohliser Wirthe, Berthold und Legel, kam es 1817 zum Umbau des Schulhauses, in welchem sich der Betsaal, das Schullokal und die Wohnung des Lehrers befinden. Die Schuljugend ist in zwei Klassen abgetheilt und besteht aus etwa 170 Köpfen.

Otto Moser.