Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Berthelsdorf

Textdaten
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Autor: Moritz Grimmel
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Titel: Berthelsdorf
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aus: Markgrafenthum Oberlausitz, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 3, Seite 106–108
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Erscheinungsdatum: 1854–1861
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons und SLUB Dresden
Kurzbeschreibung: Beschreibung des Rittergutes Berthelsdorf bei Herrnhut
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Berthelsdorf
Berthelsdorf


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Berthelsdorf.


Berthelsdorf, am Fusse des Hutberges, – an dessen südlichem Abhange das nur eine Viertelstunde entfernte, weltberühmte Herrnhut liegt, grenzt gegen Abend mit Strahwalde und gegen Morgen mit Rennersdorf. In alten Urkunden wird es Berthelsdorf oder Bertelsdorf genannt, wodurch klar wird, dass seine ersten Bewohner Deutsche waren. Aus einer alten Urkunde ersieht man, dass im Jahre 1346 Berthelsdorf zur Diöcese Reichenbach gehörte. Es kann als die Wiege von Herrnhut angesehen werden. Denn die wegen Bedrückung der Glaubensfreiheit aus Mähren ausgewanderten Familien fanden bei dem Grafen von Zinzendorf eine liebreiche Aufnahme und erhielten Erlaubniss sich auf diesem seinem Gute anzubauen. Am 17. Juni 1722 fällten diese Auswanderer den ersten Baum zu dem von ihnen an der Landstrasse, die von Löbau nach Zittau führt, [107] erbautem Häuschen, welcher Platz jetzt noch durch ein Denkmal bezeichnet wird. Nach und nach wurde der Wald gelichtet und so erhob sich, da mehrere Auswanderer nachfolgten, und sich ebenfalls da anbauten, das liebliche Herrnhut, welches sich nicht allein durch Fleiss und Betriebsamkeit auszeichnet, sondern auch durch seine Missionen unter die Heiden, ungemeinen Segen für die Lehre Christi gestiftet hat.

Die ersten bekannten Besitzer von Berthelsdorf waren die Herren von Gersdorf-Tauchnitzer Linie, welche in dieser Gegend überhaupt viele und ansehnliche Güter besassen. Durch Verheirathung mit Anna von Gersdorf erlangte gegen 1486 Hans von Metzrath Berthelsdorf. Im Jahre 1490 gehörte es den Herren von Tzschirnhausen und 1499 einem Herrn von Eberhardt, von welchem es noch vor 1528 wieder an die Familie Gersdorf-Tauchnitz überging. Im Jahre 1574 wurde die Besitzung unter drei Brüder getheilt und es entstanden so drei Güter, von welchem das Hauptgut mit dem Herrenhause an Christoph von Gersdorf fiel und bei dessen Nachkommen bis 1633 blieb, wo es durch Kauf an Jareslaw von Kyaw überging, welcher dasselbe in Folge der Verwüstungen des dreissigjährigen Krieges im Jahre 1660 an seine Gläubiger abtreten musste, die solches an den in der Geschichte des dreissigjährigen Krieges als kühnen Partheigänger und tapferen Vertheidiger Zittaus berühmt gewordenen ehemaligen schwedischen Oberst Johann Reichwald von Kämpfen auf Kemnitz verkauften. Im Jahre 1672 veräusserte es jedoch Reichwalds Sohn an Heinrich von Ziegler und Klipphausen, der es indess nicht lange behaupten konnte: Denn noch in demselben Jahre sah er sich genöthigt, das Gut an Bernhardt Edlen von der Planitz zu verkaufen, welcher es bis zum Jahre 1687 im Besitze hatte, wo es nochmals in die Hände der von Gersdorf überging, nämlich an Nicolaus Freiherrn von Gersdorf, churfürstl. sächs. Geheimeraths-Director und Landvoigt der Oberlausitz. Im Jahre 1722 erkaufte die Besitzung der Enkel des Freiherrn Nicolaus von Gersdorf, der berühmte Graf Nicolaus Ludwig von Zinzendorf und Pottendorf, mit dessen Hülfe, wie oben erwähnt, Herrnhut gegründet worden ist. Graf von Zinzendorf hat auch im Jahre 1727 durch Ankauf die übrigen Theile von Berthelsdorf wieder mit dem Hauptgute vereinigt. Doch schon im Jahre 1732 musste Zinzendorf auf landesherrlichen Befehl das Gut verkaufen: Käuferin war seine Gemahlin Erdmuthe Dorothea geborne Gräfin von Reuss, bei deren Töchtern, beide mit Freiherrn von Wattewille vermählt, Berthelsdorf bis 1811 blieb. In diesem Jahre acquirirte es Fräulein Charlotte Sophie Gräfin von Einsiedel, aus dem Hause Reibersdorf, von welcher es im Jahre 1844 an die Unitäts-Direction der Herrnhuter Brüdergemeinde überging, die gegenwärtig das Gut noch besitzt.

Das Schloss ist ziemlich in der Mitte des Dorfes an einem kleinen Abhange gelegen, und früher, wie die Besitzer von Berthelsdorf ihren Wohnsitz gewöhnlich in den nahen Rennersdorf hatten, wohl ohne viele Bedeutung gewesen. Vielleicht wurde es gleich der Kirche in dem Hussitenkriege mit verheert. Im Jahre 1687 brannte es zum Theil ab und 1722 liess Graf von Zinzendorf das im schlechten Zustande befindliche Herrenhaus gänzlich niederreissen und das gegenwärtig noch bestehende erbauen. Ueber das Portal des Schlosses liess Zinzendorf ausser einigen Bibelversen folgende Inschrift setzen:

Hier übernachten wir als Gäste,
Drum ist das Haus nicht schön und feste

so kehret euch nun zur Vestung, ihr, die ihr auf Hoffnung gefangen lieget. Zach. 9, V. 12.

So recht, wir haben noch ein Haus
Im Himmel, das sieht anders aus. 2. Cor. 5, V. 1. 2.

In diesem Schlosse hat die Unitäts-Direction der Brüdergemeinde ihren Versammlungssaal, theils zu ihren gottesdienstlichen Versammlungen, theils zu ihren Berathungen für das Beste ihrer sämmtlichen Anstalten in und ausser Europa.

Ausserdem wurden im Jahre 1790 noch 2 Häusser nahe des Schlosses zur Wohnung für die übrigen Mitglieder der Unitäts-Direction, die vorher ihren Sitz theils in Herrnhut, theils zu Zeiss in Holland und auch zu Barby im Magdeburgischen gehabt hatte, erbaut und im Jahre 1791 bezogen.

Von hieraus werden alle Angelegenheiten der sämmtlichen Brüdergemeinden, in geistlicher und weltlicher Hinsicht berathen und besorgt. Die übrigen 2 herrschaftlichen Höfe haben keine besonderen herrschaftlichen Wohnungen, als nur für die bei der Oeconomie angestellten Personen.

In den 70ger Jahren des vorigen Jahrhunderts erkaufte die damalige Gutsherrschaft einen neuen Anbau auf ihren Fluren von 14 Häusern, welcher den Namen Neu-Berthelsdorf führte.

Die Kirche von Berthelsdorf war bis zum Jahre 1771 sehr finster, winkelig und klein. In diesem Jahre wurde sie erweitert und verschönert. Der Taufengel weggenommen und ein Taufstein angeschafft.

Das Kirchenvermögen ist nicht unbedeutend, doch muss aus demselben viel, sehr viel bestritten werden.

Bis zum Jahre 1758 war Herrnhut nach Berthelsdorf eingepfarrt, und wenn auch ihre Kinder in Herrnhut getauft, ihre Leichen dort begraben, ihre Ehen dort eingesegnet wurden, so mussten doch diese Geburts-, Sterbe- und Copulations-Fälle ins Kirchenbuch von Berthelsdorf eingetragen werden.

[108] Seit Errichtung einer neuen Kirche und Pfarrmatricul ist noch bestimmt worden, dass die in Herrnhut dienenden oder sich aufhaltenden Personen hieher zur Beichte und Communication müssen.

Der Kirchhof als Begräbnissplatz ist gut eingefriedigt; es finden keine Erbbegräbnisse statt und die Geschlechter liegen separirt von einander.

Von Herrnhut aus haben sich in den spätern Jahren Zweiggemeinden in Sachsen, Preussen, Dänemark, Holland, England, Russland u. s. w. gebildet und kommen trotz aller Hindernisse immer mehr empor.

Berthelsdorf liegt 2 Stunden von Löbau, 3 von Zittau, 1 von Bernstadt und 1/4 Stunde von Herrnhut. Vom Schlosse aus führt eine herrliche Lindenallee bis nach Herrnhut.

Berthelsdorf mit Neuberthelsdorf hat 303 bewohnte Gebäude, und 455 Haushaltungen mit 1921 Einwohnern. Das Gut nebst den von ihm abhängigen Gütern hält in seiner Flur 1213 Acker 61 □Ruthen, darunter befinden sich 534 Acker 220 □Ruthen Ackerland, 135 Acker Wiesen und 589 Acker Waldung.

Die berühmte Dürningersche Handlung in Herrnhut hat hier 2 bedeutende Bleichen, 1 Leinwandbleiche im Dorfe und 1 Garnbleiche in Neuberthelsdorf, auf welchen beiden Bleichen viele Einwohner Arbeit und Verdienst finden. Ausserdem haben auch viele Bewohner reichlich Tagelohnarbeit in Herrnhut und auf den herrschaftlichen Höfen.

M. G.