Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Turranius, Mönch 4./5. Jh. n. Chr., Rufinus von Aquilea, literarisch tätig
Band I A,1 (1914) S. 11931196
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24) Rufinus wird mit vollem Namen Turranius Rufinus bei Apollin. Sidon. epist. II 9, 5, Tyrannus (var. Toranus) Rufinus in der Überschrift seines Comm. in symb. apost. p. 51 Vall. genannt, worauf Hieronymus im Beginn der apol. adv. Ruf. I mit in schola Tyranni (vgl. Act. apost. 19, 9) anspielt. Da Turranius ein altes römisches Gentilicium ist, liegt kein Grund vor, daraus dem Witz des Hieronymus zuliebe Tyrannius zu machen, wie es meist geschieht. Er selbst und seine Zeitgenossen brauchen stets nur das Cognomen R. Er stammte aus Concordia (heute C. Sagittaria bei Portogruaro, westlich von Aquileia, Hieron. epist. 5, 2 vgl. mit vir. inl. 53). Er scheint Altersgenosse des Hieronymus gewesen zu sein, da er mit ihm zusammen in Rom studierte und vel erravit aliquando vel sapuit (Hieron. epist. 3, 1. 4). Bald nach 370 trat er zu Aquileia in ein Kloster und empfing dort durch Bischof Valerianus die Taufe (apol. ad Hieron. I 4): er gehörte zu dem Kreise, in dem auch Hieronymus lebte und sich glücklich fühlte (s. o. Bd. VIII S. 1566, 8ff). Bald nachdem Hieronymus ‚von seiner Seite gerissen war‘ (Hieron. epist. 3, 3), hat auch er sich zur Pilgerfahrt ins Morgenland gerüstet, und sein Freund vernahm bald verwundert die Kunde, daß R. in Ägypten weile (Hieron. epist. 3, 2). Hier traf er die Witwe Melania (s. d.), welche Rom zu gleichem Zwecke verlassen hatte. Sie blieb etwa ein halbes Jahr dort und besuchte die Mönchskolonien der Wüste, im Spätherbst (ingrediente iam hieme Hieron. epist. 39, 5, 5) traf sie in [1194] Begleitung des R. in Palästina ein: das geschah im J. 373 (Hieron. Chron. Ol. 288, 1; vgl. epist. 4, 2. Pallad. hist. Laus. c. 46). R. scheint aber sofort nach Ägypten zurückgekehrt zu sein, denn apolog. in Hieron. II 12 behauptet er sex annis dei causa in Ägypten gewesen zu sein et iterum post intervallum aliquod aliis duobus. In die ersten sechs Jahre muß der Abstecher nach Jerusalem fallen. Danach nahm er seinen Wohnsitz in Jerusalem, und zwar auf dem Ölberg (apol. ad Hieron. II 8bis p. 363, vgl. Hist. Monach. praef. p. 115 Vall.) als geistlicher Berater und Freund der Melania (Pallad. hist. Laus. c. 46), auch mit Hieronymus lange treulich verbunden. Der origenistische Streit (s. o. Bd. VIII S. 1579) trennte die beiden für immer. Nach vorübergehender Versöhnung verließ R. Jerusalem und reiste nach der Heimat zurück, wohl 397 (über 2 Jahre vor Hieron. epist. 81, vgl. Hieron. apol. III 24; für die höchst komplizierten chronologischen Fragen vgl. J. Brochet St. Jérome et ses ennemis, Paris, Diss. 1905 und La correspondance de St. Paulin de Nole, Paris, Diss. 1906). Auch Melania traf 398/9 wieder in Rom ein (Paulin. Nol. ep. 29, 5. 6. 12 post quinque lustra, was runde Zahl ist; Pallad. hist. Laus. c. 46 rechnet an zwei Stellen εἴκοσι ἑπτὰ ἔτεσιν ἐχρόνισεν ἐκεῖ, das führt von 373 an gerechnet auf 399; ebendahin weist quarto anno in dem 402 entstandenen carmen XXVII 333 des Paulinus, vgl. epist. 29, 14). R. blieb längere Zeit in Rom, verließ es aber, wohl beim Tode des Papstes Siricius († 26. Nov. 399), um zuerst nach Mailand, dann nach Aquileia zu gehen (vgl. Hieron. epist. 81).

In Italien beginnt die Periode im Leben des R., welche ihn in eifriger literarischer Tätigkeit zeigt. Er übersetzte des Pamphilus Apologie für Origenes (erhalten Buch I, Origenes ed. Lommatzsch Bd. XXIV 289) und gab ihr einen Epilogus de adulteratione librorum Origenis bei (Orig. XXV 382 Lo.). Sodann entstand die Übersetzung des dogmatischen Hauptwerkes des Origenes, περὶ ἀρχῶν (Ausg. v. Koetschau 1913 im Berliner Korpus). Die Vorrede zu dieser Arbeit rief den Hieronymus erneut auf den Kampfplatz (s. o. Bd. VIII S. 1579, 29ff.). R. verteidigte sich in einer kurzen Apologia vor dem römischen Bischof Anastasius (403 Vall.)‚ der aber in einem Schreiben an Johannes von Jerusalem den Origenes scharf verdammte, den R. seinem Gewissen überließ (408 Vall.). Gegen Hieronymus schrieb R. eine dem Apronianus gewidmete Apologie in zwei Büchern, welche man sich gewöhnt hat Invectivae zu nennen (307 Vall.). In der Übersetzung der Werke des Origenes wurde er, durch Bitten seiner Freunde ermuntert, nur noch eifriger: er übertrug nacheinander die Homilien zu Genesis (Orig. VIII 105 Lo.), Exodus (IX 1 Lo.), Leviticus (IX 172 Lo.), Josua (XI 6 Lo.), Iudicum (XI 217 Lo.), Psalm 36–38 (XII 151 Lo.): diese zählt er als bereits vollendet auf im Epilog (VII 459 Lo.) seiner stärker eingreifenden und kürzenden Bearbeitung der Homilien zum Römerbrief (Bd. VI. VII Lo.). Die Homilien zu Numeri sind in Sizilien übersetzt worden (X 9 Lo.), die geplante Bearbeitung der Homilien zum Deuteronomium [1195] (X 9 Lo.) hat sein Tod verhindert. Unsicher ist die Entstehungszeit der Übersetzung des Hoheliedkommentars (XIV 287. XV Lo.). Von Basilius und Gregor von Nazianz sagt R. in seiner Kirchengeschichte XI 9 (1017, 9 Schwartz) nos denas ferme singulorum oratiunculas transfudimus in Latinum‚ Basilii praeterea instituta monachorum: beide Arbeiten sind, wie die Vorreden uns mitteilen, in Rom von Apronianus angeregt, aber später, also in Aquileia, fertiggestellt worden. Wir haben die neun Homilien des Gregor von Nazianz in neuer Ausgabe von A. Engelbrecht 1910 im Wiener Korpus, die acht Homilien des Basilius in der Ausgabe von Garnier (t. II p. 713 = Migne G. XXXI 1723 und XXXII 369): die Mönchsregeln sind nur in älteren Separatdrucken verbreitet. Die Klementinischen Recognitiones sind bald nach den Römerbriefhomilien des Origenes (vgl. VII 460) auf Veranlassung des Bischofs Gaudentius von Brescia (s. o. Bd. VII S. 860, 32ff.) übersetzt worden (Ausg. von E. G. Gersdorf 1838 = Migne G. I 1205). Wir besitzen ferner eine Übersetzung von Adamantius de recta in deum fide (s. o. Bd. I S. 343 Nr. 3), einem Paulus in Padua gewidmet: neue Ausg. von W. H. van de Sande-Bakhuyzen 1901 im Berliner Korpus. Die von Gennadius vir. inl. 17 bezeugte Übersetzung der Sprüche des Sextus gab J. Gildemeister 1873 und mit dem inzwischen gefundenen griechischen Original zusammen A. Elter heraus (Gnomica I 1892 Bonner Progr.). Die ebenfalls übersetzten (Hieron. epist. 133, 3. Gennad. vir. inl. 17) Sententiae Euagrii sind nicht erhalten. Die beiden Traktate de benedictionibus patriarcharum hat R. auf Bitten des Paulinus (wohl des von Nola, s. dessen epist. 46, 3. 47, 2) geschrieben (1 Vall.), um 406 (Brochet Jérome 376; Pauline de Nole 62f.). Der einem Bischof Laurentius gewidmete Commentarius in symbolum apostolorum (p. 51 Vall.; Separatausgabe von Whitacker, London 1908) erläutert vielfach mit den Mitteln des Kyrill von Jerusalem das Taufsymbol von Aquileia (vgl. Kattenbusch Das apost. Symbol I 102ff. II 433ff.). Als im J. 402 die Westgoten zum erstenmal die italienische Grenze überschritten (diruptis Italiae claustris Alarico duce Gothorum, 951 Schwartz), begann R. auf Wunsch des Bischofs Chromatius von Aquileia eine Übersetzung der Eusebianischen Kirchengeschichte (s. o. Bd. VI S. 1406, 50ff.), die er in neun Bücher zusammenzog und durch eine vielfach wertvolle Fortsetzung in zwei Büchern bis zum Tode des Theodosius (395) ergänzte (Ausg. v. Mommsen bei Schwartz großer Ausg. des Euseb. [im Berliner Korpus 1903–1909. 3 Bde.]). In diesem Werke XI 4 (1007, 3 Schw.) verweist er auf eine geplante Übersetzung der ‚Historia monachorum‘ (s. o. Bd. VIII S. 2110), die uns gleichfalls erhalten ist (115 Vall.; vgl. Hieron. epist. 133, 3). Verloren sind uns von den im Katalog des Gennadius (vir. inl. 17) aufgeführten Schriften außer der Übersetzung der Euagriusschriften die zahlreichen erbaulichen Briefe inter quas praeeminent illae quas ad Probam dedit. Während der Abfassung der Schrift de benedictionibus patriarcharum plant R. bereits, nach Palästina [1196] zurückzukehren (Paulin. epist. 47, 1 remeaturus ad Orientem). Im September 410 finden wir ihn in Sizilien, wo er mit Pinianus, dem zum Mönchtum bekehrten Mann der Enkelin seiner Freundin Melania, und dessen Familie vor dem Gotensturme Schutz gesucht hat: er arbeitet an der Übersetzung der Numerihomilien des Origenes (X 9 Lo.: in conspectu ... nostro barbarus, qui Rhegino oppido miscebat incendia, angustissimo a nobis freto, ubi Italiae solum Siculo dirimitur, arcebatur, und weiterhin filius noster Pinianus‚ cuius religiosum coetum pro amore pudicitiae profugum comitamur; dazu vgl. Pallad. hist. Laus. c. 54 p. 147 Butler). Bald darauf ist er gestorben, denn die geplante Übersetzung der Homilien zum Deuteronomium ist unterblieben; auch Melanie, die nach Jerusalem zurückkehrte, starb gleich darauf (Pallad. a. a. O.). Die einzige Gesamtausgabe des R. hat Vallarsi, Verona 1745, besorgt: doch enthält sie nur die eigenen Schriften des R., die Übersetzungen sollte der nie erschienene zweite Band bringen. Sehr liederlicher Nachdruck dieser Ausgabe bei Migne L. XXI. Unecht sind ein Kommentar zu Psalm 1–75 (Vall. app. 1), ein Kommentar zu Osee‚ Joel, Amos (Vall. app. 389, von G. Morin in Revue Bénédictine 1913, 3 dem Iulian v. Aeclanum zugesprochen), eine vita S. Eugeniae (Vall. app. 562), ein Libellus und ein Liber de fide (Vall. app. 580f.). Über eine Josephusübersetzung des R. besitzen wir kein altes Zeugnis: vgl. Destinon De Flavii Josephi bello iudaico recensendo, Kiel 1889. R. als Übersetzer wird gewürdigt von Engelbrecht (s. o. S. 1195) p. XVIIIff. van de Sande-Bakhuyzen (s. o. S. 1195) p. XLIff. Koetschau (s. o. S. 1194) p. CXXIX. K. Paucker De latinitate Hieronymi, Berlin 1880, 154ff. Eine Biographie von Fontanini abgedruckt bei Vallarsi I und Migne L. XXI 75f., von Tillemont in den Mémoires pour servir à l’ histoire ecclés. XII. Weiteres bei Bardenhewer Altkirchl. Literatur III 549ff. Schanz Gesch. d. röm. Lit. IV 1, 371ff.