Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Wanderkönig einer Gruppe aus Goten, Rheingermanen u. sueb. Alamannen
Band I A,1 (1914) S. 3031
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Radagaisus (Ῥοδογάϊσος Olymp. frg. 9. Zosim. V 26, 3), Wanderkönig (rex August. de civ. dei V 23; serm. 105, 10, 13 = Migne L. 38, 624. Oros. VII 37, 8. Mommsen Chron. min. I 299. 652) einer gemischten Horde, die zum größten Teil aus Goten (Olymp. frg. 9. Oros. VII 37, 4. 8. August. a. O. Mommsen I 299, 535. 464, 1218. 465, 1228. 652, 50. 653, 546), daneben aber auch aus Rheingermanen (Zosim. V 26, 3), wahrscheinlich suebischen Alamannen bestand. Sie umfaßte nach der geringsten Schätzung 200000 Köpfe (Oros. VII 37, 13; vgl. August. a. O.), nach anderen 400000 (Zosim. a. O.). Er selbst wird ein heidnischer Skythe genannt und zu den höher zivilisierten Goten als Angehöriger eines viel wilderen und grausameren Stammes in Gegensatz gestellt. Oros. VII 37, 5: paganus et [31] Scytha erat. 9: quorum unus (Alarich) christianus propiorque Romano et, ut res docuit, timore dei mitis in caede, alius (Radagais) paganus barbarus et vere Scytha, qui non tantum gloriam aut praedam quantum inexsaturabili crudelitate ipsam caedem amaret in caede. Da an einen wirklichen Skythen in dieser Zeit nicht gedacht werden kann und R. ein echt germanischer Name ist, dürfte wohl ein Krimgote gemeint sein. Den Krieg gegen ihn setzen die Chroniken teils 405 (Mommsen I 299. 465), teils 406 (Mommsen II 68. 69). Da er sich durch zwei Kalenderjahre hinzog (Mommsen I 299. 652), darf man vermuten, daß R. gegen Ende 405 in das römische Reich einbrach und 406 besiegt wurde. Dazu paßt, daß ein Gesetz, das wahrscheinlich noch im Winter, spätestens im Frühling 406 gegeben ist (Cod. Theod. VII 13, 16. 17, wo XV kal. Mart. für Mai. zu schreiben sein dürfte), von einer großen Gefahr redet und Freiwillige zum Kampf aufruft, wobei selbst die Sklaven nicht ausgeschlossen sein sollen. Als R. in Italien eingedrungen war, erwartete man, daß er gegen Rom ziehen werde, und die Heiden erblickten in seinem Siegen die Rache der vernachläßigten Götter und forderten die Herstellung des Opferdienstes (Oros. VII 37, 5–17. August. de civ. dei V 23; serm. 105, 10, 13 = Migne L. 38, 624. Zosim. V 26, 4). Stilicho gewann für den Kampf den Hunnen Uldin und den Goten Sarus mit ihren Scharen zu Bundesgenossen (Oros. VII 37, 12. Zosim. V 26, 4. Mommsen Chron. min. II 69. Iord. Rom. 321). Unterdessen hatte R., der seine ungeheure Horde schon deshalb nicht zusammenhalten konnte, weil sie vereinigt kaum zu ernähren war, sie unter verschiedenen Führern in drei Heerhaufen geteilt (Mommsen I 652) und belagerte mit dem größten derselben Florenz. Stilicho entsetzte die Stadt (Paulin. vit. S. Ambr. 50; vgl. Mommsen I 299) und drängte die Feinde auf den Berg von Fiesole zurück (Oros. VII 37, 13). Indem er sie hier einschloß und durch die hurtig schweifende Reiterei der Hunnen hinderte, sich aus dem umliegenden Lande zu verproviantieren (Mommsen I 652, 52), brachte er sie in die größte Not. R. suchte sich heimlich durch die Linien Stilichos durchzuschleichen (Oros. VII 37, 15), wurde aber am 23. August 406 gefangen und bald darauf enthauptet (Mommsen I 299). Ohne eine Schlacht zu wagen (Oros. a. O.), ergab sich seine ganze Horde auf Gnade und Ungnade (August. a. O. Dessau 798), und durch den Verkauf dieser Massen wurde der Preis der Sklaven so gedrückt, daß man schon für einen Solidus einen Menschen haben konnte (Oros. VII 37, 16). Nur 12000 Goten, die von edlem Geschlecht waren, nahm Stilicho in sein Heer auf (Olymp. frg. 9. Zosim. V 26, 5).