Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Sohn des Epikures, athenischer Feldherr 428/7 v. Chr. gegen lesbischen Aufstand
Band XVIII,2 (1942) S. 20662068
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Paches. Sohn des Epikures (Thuk. III 18, 4. CIA IV 1, 35 c p. 15 = SIG² 27, fehlt in der 3. Aufl.; bei Diod. XII 55 fälschlich S. des Epikleros), athenischer Feldherr 428/27 und wahrscheinlich [2067] auch schon 429/28, vgl. Busolt Philol. L 563f. Beloch GG II² 2, 213. Im Beginn des lesbischen Aufstandes Sommer 428 hatten die Athener 40 Schiffe dorthin entsandt, die aber nur zu einer vorläufigen Blokade, nicht zu einer regelrechten Belagerung hinreichten (Thuk. III 3–6. Diod. XII 55, 3–4). Inzwischen hatten die Mitylenäer bei den Olympien 428 von den Spartanern Hilfe zugesagt erhalten und im Vertrauen darauf die übrigen Städte der Insel mit Ausnahme von Methymna auf ihre Seite gebracht (Thuk. III 18, 1–2). Jetzt entschloß sich Athen endlich, Ernst zu machen: im Anfang des Herbstes, also wohl September 428, ward P. mit 1000 Hopliten nachgesandt; auf die Vorbereitungen zu dieser Unternehmung bezieht sich wohl die Inschrift CIA IV 1, 35. 65. Sofort schloß er die Stadt auch von der Landseite ein und begann eine regelrechte Belagerung, die den Winter über andauerte (Thuk. II 18, 1–5); der Widerstand war bereits im Erliegen begriffen, als im Ausgang des Winters der Spartaner Salaithos erschien und durch die Ankündigung der spartanischen Hilfsflotte den Mut der Mitylenäer wieder belebte. Als aber dann die Flotte ausblieb, bewaffnete er den Demos der Stadt, um ihr durch einen Ausfall Luft zu machen (Thuk. III 25. 27, 1–2). Allein jetzt verlangte der bewaffnete Demos Verteilung der Vorräte und drohte mit Übergabe der Stadt, worauf die leitenden Kreise es vorzogen, sich mit P. zu verständigen, und ihm die Stadt auf Gnade und Ungnade überlieferten: die Entscheidung sollte den Athenern überlassen bleiben, an die sofort eine Gesandtschaft abging (Thuk. III 27, 3–28, 1. Diod. XIII 55, 6–8. Aristot. Pol. V 3, 3). Dann besetzte P. die Stadt; die am Aufstand Beteiligten, die sich an die Altäre geflüchtet hatten, bewog er durch das Versprechen, daß ihnen bis zur Entscheidung Athens nichts geschehen solle, zum Verlassen der Heiligtümer und brachte sie nach Tenedos in Gewahrsam. Auch Antissa ergab sich ihm (Thuk. III 28, 2–3).

Acht Tage nach diesen Vorgängen erschien die peloponnesische Entsatzflotte in Embata im Gebiet von Erythrai, wagte aber auf die Nachricht von der vollzogenen Übergabe kein weiteres Eingreifen, sondern beschloß, eiligst nach Hause zurückzukehren (Thuk. III 20–30). Inzwischen hatte P. teils durch die Salaminia und die Paralos, teils von Ionien her die Ankunft der Pelo-ponnesier erfahren und machte sich sofort an die Verfolgung; er kam bis Patmos, ohne sie erreicht zu haben, was ihm sehr recht war, sofern ein Zusammentreffen mit dem Feinde Aufenthalt verursacht haben würde und seine Anwesenheit in Lesbos dringend notwendig war (Thuk. III 31–33, 4–5). Auf der Rückfahrt bemächtigte er sich der Stadt Notion durch gemeinen Verrat (c. 34); in Lesbos angekommen unterwarf er Pyrrha und Eresos (c. 35, 1) und ließ die in Tenedos Inhaftierten, sowie den größeren Teil des Heeres nach Athen abtransportieren. Er selbst blieb und ordnete vorläufig die Verhältnisse auf der Insel.

Inzwischen war in Athen die Entscheidung gefallen: unter dem Einfluß Kleons hatte man beschlossen, nicht nur die Inhaftierten, sondern die gesamte erwachsene männliche Bevölkerung umzubringen und Frauen und Kinder in die Sklaverei [2068] zu verkaufen. Der Beschluß wurde P. sofort mitgeteilt und er war schon im Begriff an die Ausführung zu gehen, als die zweite Triere anlangte, die den Gegenbefehl überbrachte (Thuk. III 49, 1–50, 1. Diod. XII 55, 8–10). P. hat dann wahrscheinlich noch die Niederlegung der Mauern und die Auslieferung der Flotte überwacht: mit Ablauf seines Amtsjahrs Mitte 427 wird er nach Athen zurückgekehrt sein. Hier ward er aus unbekannten Gründen angeklagt und gab sich, um der Verurteilung zu entgehen, vor den versammelten Richtern selbst den Tod (Plut. Arist. 26; Nikias 6). Nach einem Gedicht des Agathias (Anthol. Graeca VII 614 ed. Stadtmueller) soll er sich an zwei vornehmen lesbischen Frauen, Hellanis und Lamaxis, vergangen haben, deren Männer er hatte hinrichten lassen. Die beiden Frauen sollen dann seine Verurteilung herbeigeführt haben. Allein, wie Beloch Att. Politik 33, 1 und Busolt GG III 2, 1034, 2 richtig ausgeführt haben, es ist wenig wahrscheinlich, daß die Athener, die die Abschlachtung der Männer und die Versklavung der Frauen verfügten, P. sein Verbrechen, wenn er es wirklich begangen hätte, so schwer angerechnet haben würden; wahrscheinlich handelt es sich also um eine lesbische Lokalsage, die dann an P.’ Namen angeknüpft ward. Auffällig ist übrigens, worauf Busolt aufmerksam macht, daß Thukydides an zwei Stellen, c. 28, 5 und 35,2, betont, P. habe die Verhältnisse nach seinem Gutdünken geordnet. Möglicherweise war das der Grund, auf den hin die Anklage erhoben ward: daß sie von Kleons Partei ausging, kann wohl als sicher gelten. Vgl. Ed. Meyer G. d. A. IV 343ff. Beloch GG II 1, 317B. Busolt GG III² 2, 1015–1034. Kirchner Prosop. Att. II 11748. Παχήτειος πόλεμος bei Strab. p. 600.