Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Palicanus, M. Volkstribun 72 v. Chr.
Band XIII,2 (1927) S. 1391
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21) M. Lollius Palicanus. Alle drei Namen geben Sall. hist. IV 43 Maur. (aus Quintilian. inst. or. IV 2, 2) und Ps.-Ascon. Verr. 193 Or. = 250 St., den Vornamen und Beinamen Cic. Verr. II 100 und Val. Max. III 8, 3, nur den Beinamen die übrigen Zeugnisse, und zwar die von einem jüngeren Verwandten (Nr. 20) geschlagenen Münzen in der Schreibung Palikanus. L. war ein Picenter von niedriger Herkunft (Sall.)‚ als Volksredner beliebt (loquax magis quam facundus Sall. aptissimus auribus imperitorum Cic. Brut. 223) und als Kämpfer gegen die Sullanische Restaurationsherrschaft voll Leidenschaft (vgl. noch Val. Max.) ähnlich wie Cn. Sicinius (Bd II A S. 2198 Nr. 9), L. Quinctius C. Licinius Macer (o. S. 412), deren Angriffe er als Volkstribun fortsetzte. Er trat das Amt am 10. Dez. 682 = 72 an (vgl. dazu Drumann G. R.² III 57f. IV 400. Ziegler Fasti trib. pl. [Progr. Ulm 1903] 24) und nahm sich gleich darauf des C. Sthenius an, der von dem sizilischen Statthalter C. Verres verfolgt und nach Rom geflüchtet war (Cic. Verr. II 100); vielleicht führte er bei dieser Gelegenheit, um gegen Verres Stimmung zu machen, einen Bürger vor, der von jenem schon während seiner städtischen Praetur im J. 680 = 74 mißhandelt worden war (Cic. Verr. I 122 ohne den Namen des Tribunen, den Ps.-Ascon. 193 Or. = 250 St. hinzufügt). Während seines Amtsjahres 683 = 71 agitierte er vor allem für die Beseitigung der Schranken, die Sulla dem Tribunat gezogen hatte, und für die seiner Geschworenenordnung; als einer der Führer der Volkspartei schloß er mit dem aus Spanien heimgekehrten Cn. Pompeius den Vertrag, durch den Pompeius das Consulat und das Volk im Consulat des Pompeius und Crassus die Erfüllung jener populären Forderungen erlangte (Ps.-Ascon. div. in Caec. 103 = 189. Verr. 148 = 220. Schol. Gronov. Verr. 386 = 328). Als Belohnung für sich selbst hat er sich wohl die Praetur für das J. 685 = 69 ausbedungen, denn im J. 687 = 67 konnte er sich bereits um das Consulat bewerben. Infolge der Gunst des Volkes und des Beistands der Tribunen, von denen der einflußreichste, A. Gabinius, sein Schwiegersohn gewesen oder geworden zu sein scheint (vgl. Nr. 28), waren seine Aussichten nicht schlecht; aber der Consul C. Piso erklärte standhaft, daß er ihn im Falle seiner Wahl nicht renuntiieren werde und vereitelte dadurch seine Hoffnungen (Val. Max. III 8, 3 aus gut unterrichteter, dem L. entschieden feindlicher Überlieferung). Mit der Möglichkeit seiner erneuten Bewerbung wurde in den nächsten Jahren noch gerechnet (Cic. ad Att. I 1, 1 vom J. 689 = 65 über die Wahlaussichten des nächsten Jahres); doch wird L. weiterhin nur noch wegen seiner Schmähungen gegen den Consul L. Afranius, einen Mann von ähnlicher Vergangenheit, im Anfang 694 = 60 erwähnt (ebd. 18, 5). Ob sich etwas von den Darstellungen der Münzen des Palicanus Nr. 20 auf seine Geschichte beziehen läßt, ist unsicher, ebenso wie seine Identifikation mit L. Nr. 8.