7) Arzt in Rom an der Wende des 1. zum 2. Jhdt. Die erste Erwähnung findet sich Martial. XI 60, 6 (ediert Dezember 96). Unter Traian ist K. Arzt am kaiserlichen Hofe (Suid. s. Ῥοῦφος. Gal. XII 445); wahrscheinlich ist er mit dem K. identisch, der den Kaiser in den Dakerkrieg begleitete (Lyd. de mag. II 28) und Γετικά verfaßte (FHG IV 373). Bei dem Adressaten des 23. Briefes des Apollonios von Tyana mag man an unseren K. denken. Dagegen darf man ihn kaum mit dem von Athen. XII 516 c genannten Verfasser eines Kochbuches (ὀψαρτυτικόν) identifizieren, der jedenfalls viel früher lebte; vgl. Susemihl Gesch. d. Alexandr. Lit. I 876ff. Die außerdem von Fabricius Bibl. Gr. XII¹ 688. XIII¹ 132 erwähnten Ärzte namens K. halten vor der Kritik nicht stand. Denn der angebliche Empiriker aus Erasistratos’ Zeit (Gal. ed. Bas. IV 8. 10 = XI 193ff. K.) ist ein Patient, den Fabricius wieder fälschlich mit Gal. ed. Paris. II 340 = de subfig. emp. 35, 10 Bonnet verbindet, wo Timone zu lesen ist; vgl. Bonnet De Claudii Galeni subfiguratione empirica, Bonn
[1936]
1872, 12; der Gortyniat K. aber Gal. XIII 253 ist sicher Tryphon, vgl. 246, wo dasselbe Rezept vollständiger steht.
Von K.s medizinischen Schriften waren zu Galens Zeit die Κοσμητικά in 4 Büchern in aller Händen (Gal. XII 446). Dieses Werk beschränkte sich nicht auf die wissenschaftliche κοσμητική, die wirkliche Schönheitsfehler bekämpfte, sondern griff auch in das Gebiet der κομμωτική über, die durch Kunstmittel das natürliche Aussehen zu verschönen suchte; hier mußte sich der Leibarzt dem Willen des kaiserlichen Hofes fügen (434f. 443. 445). Ein ausführliches Kapitelverzeichnis teilt Galen (446ff.) mit, aus dem sich die vielleicht im Proömium (435) angegebene Disposition ableiten läßt: Buch I und II behandelte die Schönheitspflege des gesunden, Buch III und IV die des kranken Menschen; Buch I und III den Kopf, Buch II und IV den übrigen Körper a capite ad calcem. Umfangreiche Fragmente dieser Schrift bietet Galen (XII. XIII), hauptsächlich in seinem Werke Π. συνθέσεως φαρμάκων τῶν κατὰ τόπους. Die ausdrücklichen Zitate der einzelnen Bücher (Buch I: XII 435. 452f. 458; Buch II: XIII 1040; Buch III: XII 401. 463. 816f. 825. 827) stimmen im ganzen mit dem Kapitelverzeichnis (446ff.), doch gehören die 452 und 458 dem ersten Buche zugewiesenen Mittel nach dem Kapitelverzeichnis ins zweite; dies letztere ist offenbar richtig, denn es handelt sich nicht um Beseitigung und Verfeinerung der Kopfhaare, sondern der Haare an anderen Körperteilen, vgl. 455: στλεγγίδι τὸ φάρμακον ἀφαιροῦσι κατά τι μέρος τοῦ σώματος, εἶτα ἄν αἴσθωνται τὰς τρίχας συναφαιρουμένας αὐτῷ, τὸ λοιπὸν ἅπαν ἄποπλύνουσι σῶμα. Galen scheint durch die Erinnerung an die XII 435 genannten Haarmittel des ersten Buches zu dem Irrtum veranlaßt worden zu sein; es liegt ja nahe, die Haarmittel alle zusammen zu behandeln, dies tut z. B. auch Dioskurides Π. ἁπλῶν φαρμ. I 89–98 W. K. sammelte in seinen Κοσμητικά die Mittel des Herakleides von Tarent, der Kleopatra ὅσοι τ' ἄλλοι μετ' αὐτοὺς ἐν τῷ μεταξὺ γεγόνασιν ἰατροί (446). Als solche Gewährsmänner nennt Wellmann Pneumatische Schule 14, 7 Damokrates (XII 486), Moschos (401), Antonius Musa (992 [nicht 994]), Artemidoros (828). Wir dürfen jedoch bei vielen dieser Ärzte nicht an unmittelbare Benützung denken, sondern müssen eine Mittelsquelle annehmen. Wie das Zitat Λεύκιος ὁ καθηγητής (828) beweist, war dies Asklepiades ὁ Φαρμακίων (vgl. XIII 648); aus diesem stammen die sich anschließenden Rezepte des Artemidoros, Magnos, Areios Asklepiadeios (vgl. XIII 182), Charixenes (vgl. XIII 48) usw. bis 846. Dieses Ergebnis läßt sich durch sprachliche Eigentümlichkeiten stützen; s. den Schluß des Artikels.
Außer der Kosmetik verfaßte K. noch ein pharmakologisches Werk in fünf Büchern (XIII 708. 786). Galen bezeichnet es allgemein als ἡ φαρμακῖτις βίβλος (XIII 883) oder αἵ φαρμακίτιδες βίβλοι (XIV 103. XIII 903). Es war eine Schrift Π. τῆς τῶν φαρμάκων συνθέσεως (XIII 786), aber doch gab K. ihr, wenn unsere Überlieferung richtig ist, den Titel Π. τῶν ἁπλῶν φαρμάκων (XIII 862). Auch die an der eben genannten Stelle angeführten Pflaster sind nicht
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einfach, sondern zusammengesetzt. Dieser Umstand zwingt uns, ἀπλᾶ nicht in dem strengen Sinne als einfache Mittel zu nehmen, in dem Galen Π. ἁπλῶν φαρμάκων schrieb (XI 380: ἁπλοῦν φάρμακον ὠνόμασται μὲν καὶ αὐτὸ κατὰ τὴν πρὸς τὸ σύνθετον ἀντίθεσιν), sondern in dem weiteren als ,verhältnismäßig einfache‘ Mittel. Diese Auffassung wird durch XIII 516 bestätigt, wo Galen, vielleicht mit Bezugnahme auf den Titel des Werkes, von K.s Pflaster διὰ χαμαιλέοντας, das aus Bleiglätte, Wachs, Grünspan, Mastix, Öl zusammengesetzt ist, sagt: ἁπλῆν μὲν, ὅσον ἐπὶ τῷ τῶν μιγνυμένων ἀριθμῷ, τῇ δ' ἐπαγγελίᾳ μεγάλην. Auch Dioskurides hat in seiner Schrift Π. ἁπλῶν φαρμάκων öfters zusammengesetzte Mittel aufgeführt, auch ihm schwebte nicht so sehr der reine Gegensatz ἁπλοῦς ... ποικίλος (S. 152. 3f. W.) als der gemilderte ἁπλοῦς ... ποικιλώτερος (152, 10) vor. Bei K. sind die Rezepte allerdings stärker zusammengesetzt; um seinen Begriff von ἁπλοῦς zu erfassen, muß man an die Riesenrezepte von 50, ja 100 Bestandteilen denken, wie sie in jener Zeit gebräuchlich waren. Es ist jedoch eine zweite Möglichkeit ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Da XII 587 der Titel schlechthin Π. φαρμάκων lautet (vgl. XIII 516 ἐν τῷ τετάρτῳ τῶν φαρμάκων), so könnte XIII 862 τῶν ἁπλῶν eine Interpolation sein, deren Entstehung sich durch das kurz vorhergehende φαρμάκων ἁπλῶν leicht genug erklären ließe. Der Stoff scheint in den fünf Büchern zunächst κατὰ τόπους, dann aber κατὰ γένη angeordnet gewesen zu sein. Für das erste Buch sind XII 587 (ἐν τῇ πρώτῃ βίβλῳ περὶ φαρμάκων) ἀποφλεγματισμοί bezeugt. Daran reihen sich ordnungsgemäß die ἔρρινα (588), κεφαλαλγικά (593), ὠτικά (659), πρὸς ὀδόντων πάθη (880), στοματικοί (933ff.), πρὸς ἐσχάρας ἐν τῷ στόματι (953), πρὸς κιονίδας (987), πρὸς ἄφθας (991). Ist so im ersten Buche (vielleicht noch in einem Teil des zweiten) der Kopf behandelt, so schließt sich im zweiten und dritten Buche der übrige Körper an. Hierher gehören die ἀρτηριακαί (XIII 35. 38) und die Mittel gegen Wassersucht (257). Dazu stimmt das Zitat Oreib. VI 397: ad eos qui sanguinem per urinam faciunt. Crito in libro tertio ... Wenn nach Galen (XIV 103: περὶ τῶν ὑπὸ Κρίτωνος γεγραμμένων περὶ τῆς θηριακῆς ἐν τῷ γ' τῶν φαρμακιτίδων βίβλων) K. im dritten Buche das kräftige Allgemeinmittel θηριακή verzeichnete, so mag dieses einen wirkungsvollen Schluß des Buches gegeben und zugleich den Übergang zu den φάρμακα κατὰ γένη geboten haben, die die letzten beiden Bücher füllten. Im vierten Buche wurden die Pflaster abgehandelt (XIII 516 ἐν τῷ τετάρτῳ τῶν φαρμάκων; wörtliche Wiederholung desselben Stückes 715 κατὰ τὴν τετάρτην βίβλον; 708 κατὰ τὴν τετάρτην Κρίτωνος βίβλον οὐσῶν τῶν ἁπασῶν ἐ'; 786 ἐν τῷ τετάρτῳ τῶν πέντε; 862 ἐν τῷ δ' περὶ τῶν ἁπλῶν φαρμάκων). Im fünften Buche werden die μαλάγματα, ἄκοπα u. ä. dargestellt worden sein. Aus den zahlreichen Bruchstücken, die Galen besonders in Π. συνθέσεως φαρμάκων τῶν κατὰ τόποῦς und κατὰ γένη erhalten hat, geht hervor, daß K. auch in diesem Werke die Arbeiten seiner Vorgänger auf pharmakologischem Gebiete ausgiebig ausgebeutet hat. Solche Quellen
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sind Herakleides von Tarent (XII 992. Wellmann A. Cornelius Celsus 1913, 38, 3. 41 vermengt die Κοσμητικά mit der Pharmakologie), Heras (XII 593. XIII 787. 863f. 882), Damokrates (XIII 798); eine wichtige Rolle spielt wiederum der jüngere Asklepiades (XIII 14. 463. 903–905). Gelegentlich hat K. auch seinen Zeitgenossen Herodotos herangezogen (XIII 788f. 801; vgl. Wellmann Pneumatische Schule 14, 7 a E.). Auf Beeinflussung durch methodische Lehre deutet XII 588 der Ausdruck μετασυγκρίνει. In der Terminologie weicht K. mitunter von seinen Vorgängern ab; so nennt er gewisse Pflaster buchsbaumfarbene (πύξιναι), die bei den andern quittegelbe (μήλιναι) heißen. Er neigt zu reklamehafter Bezeichnung seiner Heilmittel; ein Pflaster trägt den Namen ἀνίκητος (XIII 877. 879) διὰ τὰ θαυμαστὰ καὶ πολλὰ αὐτῆς ἔργα. Der Stolz des kaiserlichen Leibarztes klingt XIII 886 aus dem Zusatz: εἰ δὲ βασιλεῖ σκευάσεις, ἐμβαλεῖς κινναμώμου < α'. Einige Beobachtungen über K.s Sprachgebrauch gibt Wellmann Die Schrift des Dioskurides Π. ἁπλῶν φαρμάκων, Berlin 1914, 63. 72; 72, 2 bestätigt in erwünschter Weise unsere Ansicht, daß K. Asklepiades den Jüngeren ausgeschrieben hat. Für die Sammlung der Fragmente K.s ist nicht nur Galen zu berücksichtigen, sondern auch Oreibasios und die von diesem abhängigen Schriftsteller; so kann ich die σμήγματα Paul. Aeg. VII 13 bei Galen nicht finden.