Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Honorius Verf. eines geograph. Werkes
Band X,1 (1918) S. 614628
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277) Iulius Honorius, in der sog. ersten Redaktion Iulius Honorius, magister peritus atque sine aliqua dubitatione doctissimus c. 51 und in der Subscriptio Iulius, orator utriusque artis (vgl. Sidon. epist. VIII 6, 1 vom Dictator Caesar. numquam se satis duxit in utriusque artis arce compositum), Verfasser oder vielmehr unfreiwillige Quelle eines geographischen Schriftchens, das allerdings so ungefähr den äußersten Tiefstand der uns bekannten römerzeitlichen Reste antiker Geographie darstellt, trotzdem aber von den folgenden Generationen in Ehren gehalten, immer wieder abgeschrieben und von Literaten, denen selbst ein so geringes Maß von Fachkenntnissen zu imponieren vermochte, benutzt, zitiert und nachgeahmt worden ist. Das Werkchen liegt uns in nicht weniger als drei Rezensionen vor, von denen keine direkt aus einer anderen geflossen ist und jede eine andere Überschrift führt; vgl. Kubitschek Krit. Beitr. I (1882) 4f.

Die erste Rezension (in den von Riese vereinigten Geographi Latini minores, Heilbronn 1878, 24–55 als A abgedruckt) ist bloß durch einen Parisinus (6. Jhdt.) vertreten. Die Überschrift lautet Exeerpta eius sphere vel continentia (zur Erklärung vgl. S. 623) und ähnlich die Subscriptio; c. 50 wird das Wort cosmographia so verwendet, daß man einen zweiten Versuch einer Überschrift darin zu erkennen versucht sein kann; dabei mag zweifelhaft sein, ob das nicht vielleicht eher die Überschrift der Erdkarte war, aus der die Excerpta geschöpft worden waren. Der Autor wird in der eingangs angegebenen Weise zweimal genannt.

[615] Die zweite Rezension (bei Riese als B unterhalb des Textes A, meist in Form von Varianten zu A abgedruckt) schickt genau so wie die dritte dem Text eine kurze Mitteilung über eine lulio Caesare et Marco Antoni[o] consulibus eingeleitete Vermessung omnis orbis durch vier sapientissimi et electi viri voraus. Daher mag einerseits die Überschrift cronica Iulii Caesaris, andererseits bei schon stark zunehmender Verderbnis des Textes die Überschrift dimensio universi horbis (so in einem Parisinus Colbertinus) sich erklären; aber man tut gut daran, sich zu vergegenwärtigen, daß der Text des I. H. von den Abschreibern, gleichsam als wenn es um ihre eigene Arbeitsleistung sich handelte, modernisiert und zurechtgeputzt wurde, wobei natürlich ihre Unkenntnis ihnen selbst auf einem so flachen Manövrierfeld Streiche spielte[1], und daß auch die statistischen Zahlenausweise in den Hss. entsprechend dem Ausmaß des Zuwachses oder Wegfalls abgeändert worden sind. Der älteste Vertreter dieser Klasse, ein Veronensis saec. VI/VII, ist zu Anfang verstümmelt, aber seine Subscriptio ist erhalten; sie bietet explicit cosmografia Iuli Caesaris. Die Überlieferung der zweiten Rezension ist durch mehrere Hss. vertreten, deren älteste ins 7. oder gar gleichfalls ins 6. Jhdt. zurückreichen. Der Name des I. H. ist hier bereits in Verlust geraten. Diese zweite Fassung (vgl. Kubitschek Krit. Beitr. I 6ff. und Wien. Stud. VII 1 f.), ist eine vielfach vermehrte und veränderte Auflage und zwar, was ihr neben dem ursprünglichen Text Beachtung verschafft, nach abermaliger Einsichtnahme in die beschriebene Karte ausgeführt. Die die zweite Rezension charakterisierenden Zusätze waren m. E. in der Form von Marginal- und Interlinearglossen im Archetypus eingezeichnet worden; der Parisinus 4808 (A), der einzige Vertreter der ersten Klasse der Hss., steht zwischen der ursprünglichen Fassung und dem Text des ersten Interpolators, weil er meist (nicht aber immer mit glücklichem Erfolg oder vielleicht nicht mit der nötigen Konsequenz) den Text ohne die Glossen mitzuteilen sucht. Die Handschriften der zweiten Klasse teilen uns das ganze Elaborat mit.

Die dritte Fassung des Textes ging aus der zweiten weniger durch Umarbeitung einzelner Teile als durch ansehnliche Interpolationen hervor, die fast ausschließlich Italien betreffen. Charakteristisch ist für die dritte Rezension die Verbindung des Honoriustextes mit dem kurzen Abriß der Erdkunde, den Oros. hist. adv. pagan. I 2 gibt.

Die dritte Rezension (bei Riese 71–90 abgedruckt) erscheint ferner in fester Verbindung mit dem Itinerarium Antonini (s. d.) und stand wohl auch weiter ursprünglich mit anderen gemeinnützigen Behelfen in irgend einem Zusammenhang, ähnlich etwa dem Corpus von Schriften, wie sie im sog. Chronographen vom J. 354 oder – in anderer und vielleicht weit späterer Zusammensetzung – im Spirensis, aus dem unsere [616] Handschriften der Notitia dignitatum geflossen sind, vereinigt worden sind. Wir verfügen über eine stattliche Zahl von Handschriften, deren älteste, ein Vindobonensis, bis ins 8. Jhdt. zurückreicht. Die alte Überschrift dieses Sammelwerkes ist in folgender Fassung erhalten: † in nomine d(omi)ni summi incipit cosmographia feliciter cum itenerariis suis et portibus, et ex fastibus (sic) Romanorum et consolum nominibus et diversis, sine quo nemo prudentium esse potest. In dieser Redaktion wird an den alten Text des I. H. eine ab und zu erweiterte oder geänderte Fassung des Kapitels I 2 von Orosius’ historia adversus paganos ohne sichtbare Grenze angeschlossen, und das Ganze erhält dann in der Subscriptio der ältesten Hss. dieser Fassung den Titel descriptio totius orbis tripertiti, augenscheinlich aus den Anfangsworten des neuen Kapitels selbst gezogen. Seit dem 12. Jhdt. taucht die Überschrift Aethici cosmographia auf (vgl. Riese proll. p. XXVIII).

Es ist nun vorerst wichtig, sich davon Rechenschaft zu geben, ob das Kapitel über die Erdvermessung, oder wie man heute gewöhnlich zu lesen erhält: Reichsvermessung, der ersten Redaktion fremd ist, oder ob es bloß durch Verstümmelung einer Hs., durch Versehen dächte ich oder aus absichtlicher Ignorierung, unserem einzigen Vertreter dieser Rezension verloren gegangen ist. Meiner Meinung nach ist die an zweiter Stelle genannte Eventualität fast sicher gegeben. Denn in den Hss. der zweiten Rezension folgt auf den Bericht über die Tätigkeit der vier Landmesser eine expositio, welche die zahlenmäßige Evidenz über die verschiedenen Kategorien liefert, die bei der Landbeschreibung je in den Landesteilen eines der Mensoren nun aufgezählt werden sollen; und in den Hss. der dritten Rezension ist es nicht viel anders; denn hier folgt auf den Vermessungsbericht die Zahlenevidenz doch wenigstens des ersten Hauptabschnitts, insofern die Zahlentabelle auf die vier Abschnitte (Erdviertel) des Schriftchens aufgeteilt wird. In dem Vertreter der ersten Rezension, dem wie gesagt die Landvermessung fehlt, schließt der meritorische Teil mit den Worten c. 49 quattuor oceanorum continentia explicit (also konform der Einteilung des Stoffes in vier durch die großen Meere bezeichnete Erdflächen abschnitte), incipium exceptorum haec, wie wenn nun die Excerpta oder meinetwegen auch Excepta, d. i. eben die Schrift selbst, ganz so wie die Fassung der Überschrift der Schrift und der ersten Zeilen (p. 24, 2 Riese) formuliert, folgen sollten; statt deren kommt aber die Zahlenstatistik. Da die Ankündigung also nicht zum Gehalt des Angekündigten paßt, erscheint dessen Platzwechsel genügend beglaubigt, oder es empfiehlt sich wenigstens diese Annahme; ist aber einmal eine Störung der ursprünglichen Anordnung eingetreten[2], dann wird gegen die Möglichkeit des absichtlichen oder unabsichtlichen Verlustes eines Teiles der von ihrem alten Platz gerückten Partien [617] nichts weiter einzuwenden sein. Der Beweis wäre nicht unerheblich verstärkt, wenn der auf die augusteische Reichsvermessung bezügliche Passus im Entwurf des Bestallungsdekretes für einen agrimensor bei Cassiodor (var. III 52) gerade im Hinblick auf die Schrift des I. H., die Cassiodor in späteren Jahren als Lernbuch angelegentlich empfohlen hat, konzipiert worden wäre; aber var. III 52 spricht vom orbis Romanus, und zwar als agris divisus censuque descriptus, ut possessio sua nulli haberetur incerta usw.; I. H. aber spricht und schreibt vielmehr vom omnis orbis, und der Einfall, daß seine Schrift auf die unbedingt vorauszusetzende Anlage oder Ausgestaltung eines Reichskatasters durch Augustus irgendwie zurückgreife, war modernen Schriftstellern vorbehalten; Cassiodor mag, wenn ihm nicht sonst irgendwoher etwas mehr an Kenntnissen angeflogen war, von der augusteischen Reichsvermessung durch einen der kleinen geographischen Traktate oder durch die mündliche Information seitens eines Technikers unterrichtet gewesen sein, der aus seiner kleinen Handbibliothek die falsche Ansetzung des Agrimensors Balbus (o. Bd. II S. 2820) im Kopf hatte: qui temporibus Augusti omnium provinciarum et formas civitatium et mensuras compertas in commentariis contulit (Lachmann Röm. Feldmesser 239).

Ein Exemplar dieses kleinen Werkes wird von Cassiodor den Mönchen seines Klosters geschenkt und seine Lektüre ihnen angelegentlich empfohlen; in c. 25 seiner Anweisung für die Lektüre der hl. Schriften (institutio div. script.) legt er ihnen das Studium der Geographie nahe, ut loca singula, quae in libris sanctis legitis, in qua parte mundi sint posita, evidenter agnoscere debeatis; quod vobis proveniet absolute, si libellum Iulii oratoris, quem vobis reliqui, studiose legere festinetis: qui maria, insulas, montes famosos, provincias, civitates, flumina, gentes ita quadrifaria distinctione complexus est, ut pene nihil libro ipsi desit, quod ad cosmographiae notitiam cognoscitur pertinere; es folgt noch im selben Kapitel die Empfehlung der vier Bücher des Marcellinus über Konstantinopel und Jerusalem, des Pinax eines Dionysios und eines Kodex des Ptolemaios. So sehr wir uns auch dagegen sträuben mögen, daß ein auf so ungenügender Sachkenntnis beruhendes Scriptum wie das dem I. H. zugeschriebene überhaupt empfohlen und hier als zweckmäßige Vorbereitung für das Bibelstudium speziell, trotzdem auch die Stoffwahl des I. H. jenseits des in den hl. Schriften Erzählten und Behandelten erfolgt ist, angesehen werden kann, es hilft nichts: der von Cassiodor empfohlene Iulius orator ist niemand anderer als I. H.; denn die Vierteilung und die Abfolge der Kategorien maria bis gentes kehren genau so bei I. H. wieder: Sunt enim, lesen wir am Schluß der ersten Fassung des I. H., per orbem totum terrae cosmographiae maria 25, insulae 51, montes famosi 30, provinciae 55, oppida 219, flamina 55, gentes 90 (Riese S. 55), also selbst das Epitheton zu montes[3] genau so [618] wie bei Cassiodor. Auf die Empfehlung Cassiodors wird auch die Erhaltung des Schriftchens zurückzuführen sein, wenngleich von den gleichzeitig gelobten und anempfohlenen Büchern zum mindesten Marcellinus verloren gegangen ist (s. o. S. 617, 46).

Der Erdkreis ist in vier Sektoren zerlegt, die nach den Ozeanen benannt sind: oceanus orientalis, oc. occidentalis, oc. septentrionalis und oc. meridianus. Dann setzt sofort der Katalog der geographischen Namen ein, gruppenweise vereinigt, eingeleitet durch Wendungen wie ergo oceanus orientalis haec maria habet; insulae orientalis oceani quae sunt u. ä. Es folgen diesen Einführungen die zu der betreffenden Gruppe gehörigen Namen, stets mit dem Zusatz des Appellativum (also z. B. Caucasus mons, Caumestes mons, Nysa mons usw.), offenbar um falsches Zerreißen oder Verbinden von Eigennamen zu verhüten. Ganz vereinzelt wird ein zweiter Name beigefügt (z. B. mare Asphaltitis, hoc est mare Mortuum, oder mare Arabicum quem sinum Arabicum dicunt) oder eine Zahl (Orcades insulae, sunt novem[4], daher hier die Überschrift oceanus occidentalis, insulae quae et quantae sint). Das Appellativum wird zwar nur in der ersten Rezension und im Colbertinus der zweiten Rezension regelmäßig hinzugesetzt; daß es aber auch in der Vorlage gestanden hat, erkennt man daraus, daß auch in den anderen Hss. der zweiten Klasse dem ersten Namen das Appellativum regelmäßig zugefügt ist. Nur bei den Völkern des Ostviertels ist das Appellativum gens in allen Hss. (auch in der ersten Rezension), weggefallen, hat also wohl auch schon in der für alle Hss. vorauszusetzenden gemeinsamen Quelle gefehlt.

Ganz verschieden von der Dürftigkeit der nackten Nomenklatur in den übrigen Gruppen ist die Behandlung der Flüsse, vgl. meine Ausführungen und die Behandlung der Flußteile in den Wien. Stud. VII 2–24 und 278-303. Die Überschrift der Flußlisten in der ersten Rezension ist etwa fluminum ortus et egestio (occasus, egressio); aber auch in der zweiten Klasse, die sonst nur flumina quae sint (also ähnlich wie bei den übrigen Kategorien) bietet, sind im Westviertel überdies auch noch die eben hervorgehobenen Worte fluminum ortus et egressio aus der alten Fassung erhalten, und ergänzend tritt hinzu, daß in der viel weitläufigeren Fassung [619] der dritten Rezension in den ersten drei Erdvierteln die Schlagwörter fluminum ortus cursus occasus (mersus) hervortreten. Daß die ausführlichere Behandlung der Flüsse bereits dem Archetypus angehört, habe ich in Wien. Stud. VII 3f. zu erweisen gesucht. Daß Flüsse, deren Namen I. H. auf der Karte nicht aufgefunden zu haben scheint, nur mit der Beziehung auf die von ihnen durchströmte Landschaft angedeutet werden (z. B. im Ostviertel Carmaniae fluvius, im Nordviertel fluvius Bicorni iunctus), daß andere Flüsse falsch z. B. nach anwohnenden Völkerschaften namhaft gemacht werden (z. B. im Ostviertel tres Ichthyophagi), und daß die Reihenfolge der (wie bei Ptolemaios nach ihrer Mündung angeordneten) Flüsse im ganzen gut überliefert und nicht wie sonst durch Vermengung der aus Ersparungsrücksichten in parallelen Kolumnen geschriebenen Namen verwirrt ist, waren meine Beweismittel. Irgendwer hat außerdem (vermutlich in Randglossen) die Länge der Flußläufe nachgetragen; diese Bemerkungen sind manchmal auch in unsere erste Klasse gelangt, regelmäßig in die zweite aufgenommen worden. Diese Flußlängen sind fast durchaus falsch berechnet (vgl. meine Ausführungen ebd. 4ff.[5]; aber man bemerkt bald, daß alle Flüsse mit vorzugsweise nach Norden oder Süden gerichtetem Laufe zu kurz, die west- oder ostwärts strömenden zu lang angenommen werden, und daraus habe ich auf eine langgestreckte, d. h. in der Richtung von Norden zu Süden ähnlich wie die TPeutingersche Tafel stark zusammengedrängte Karte geschlossen. ,Die Zahlen sind daher auch nicht ganz wertlos; sie können uns zwar nicht die Meinungen alter Geographen über die effektive Länge der genannten Flüsse repräsentieren, allein sie geben uns ein nicht zu verachtendes Mittel für die Rekonstruktion der Karte in die Hand‘. Ferner finden sich in den Hss. zweiter Klasse, aber nicht im Nordviertel, sehr oft Zusätze, die den Lauf des Flusses skizzieren. In der ersten Klasse haben solche Zusätze im West- und Südviertel nur zum Teil Aufnahme gefunden. ,Der ausführlichste Zusatz ist die Beschreibung des Nillaufes. Auch sie sind zu beachten, da sie gewiß unter Beiziehung der Originaltexte oder einer ihr ganz ähnlichen Karte und wohl gleichzeitig mit der Berechnung der Flußlängen ausgeführt wurden.‘ Wenigstens widersprechen sie nirgends dem Bild von der Karte, das wir uns nach den übrigen Teilen der Schrift entwerfen; dafür spricht auch der Satz vom Bicornis, der dem Rhonefluß occurrit (vgl. meinen Kommentar zu dieser Stelle Wien. Stud. VII 280): ubi et nascitur et ubi inruit, utrum in oceano occidentis an in mari Tyrreno, non potest in praesenti (nämlich auf der vorliegenden Erdkarte) videri, quia ab aqua ad aquam videtur recurrere; dafür spricht ferner Tigris de monte Caucaso quasi videtur natus (Wien. Stud. VII 22) und in ea provincia ei [620] (nämlich dem Fluß Axius) alius adiungitur fluvius, qui videtur ex ipso monte Caucaso nasci, was doch nur ein sklavischer Ausschreiber der Karte sagen konnte; außerdem die häufige Ableitung von Flüssen ex campo (campis), weil die Karte den Zusammenhang mit Gebirgen zu wenig deutlich gezeigt haben dürfte. Das Exemplar, das die Grundlage der dritten Rezension abgegeben hat, muß in der Flußpartie irgendwie verstümmelt gewesen oder unlesbar geworden sein; von der langen Nilbeschreibung ist bloß der Anfang wiederholt worden, und von den ihr folgenden fünf Flußläufen bringt die dritte Rezension nur den Namen des Bagradas mit dem Ausdruck der Verwunderung (Riese 89) cum provinciae Africae sit magnus nobilis et unicus, cur a metitoribus inter fluvios nominatus non sit, ignoramus; ihr Redaktor kann also hier unseren Text - nicht gekannt haben. Hingegen ist, entsprechend der besonderen Berücksichtigung des sonst von I. H. vollständig vernachlässigten Italiens der Tiber (Riese 83; abgedruckt auch von Jordan Topogr. d. Stadt Rom I 1, 393 und stellenweise verbessert; für die Topographie Roms nicht unwichtig) nachgetragen (s. o. S. 615 und Riese Proll. p. XXII. Beiläufig möchte ich auf einen analogen Passus bei Iordanes verweisen, der in seinem Getenbuch ungefähr in der Art des I. H. den Donaulauf (dieser bei I. H. p. 38f., bei mir Wien. Stud. VII 281 f.) darstellt und auch die Flußlänge anmerkt: hic in Alamannicis arvis exoriens, sexaginta (vgl. Ammian. Marc. XXII 8, 44) a fonte suo usque ad ostia in Ponto mergentia per mille ducentorum passuum milia hinc inde suscipitur flumina in modum spinae usw.

Der Titel oder Untertitel des Katalogs des I. H. lautet wie gesagt in der ersten Fassung[6]Excerpta eius sphaerae vel continentia[7], und das Nachwort, das in ebenderselben Fassung erhalten ist, verlangt gleichfalls, sicut a magistro dictum est, hic liber exceptorum ab sphaera ne separetur; für die Sache ist es gleichgültig, ob exceptorum (hier und in der Subscription p 55 incipiunt exceptorum haec; zur Erklärung Riese proll. p. XXI) neben excerpta (vgl. auch in der Einleitung p. 24, 2 excerpendam esse) verteidigt oder als Schreibfehler eingeschätzt wird. Also wird ausdrücklich bestätigt, was aus den Sonderbarkeiten der Auswahl der Schlagwörter und aus der Textierung auch ohnedies deutlich geworden ist, daß die Schrift des I. H. eine Karte ausschreibt. Auch der Zweck dieses Ausschreibens wird klar ausgesprochen: die Einleitung (Riese 24) der Schrift lautet nämlich propter aliquos anfractus ne intellectum forte legentis perturbet [621] (n. sphaera) et vitio nohis acrostichis[8] esset, hic excerpendam (n. sphaeram) esse credidimus; es soll der richtige Gebrauch einer Karte gewahrt bleiben, deren Benutzung durch wiederholtes Aufteilen geographischer Namen auf zwei oder mehr Zeilen oder durch akrostichische Anordnung erschwert erschien. Die Akrostichien und das Brechen der Legenden lassen beispielsweise auch die Benutzung der Mosaikkarte von Madeba in Palästina nicht gerade bequem erscheinen, während die Tabula Peutingeriana unter diesen Umständen nicht zu leiden hat, wenn allerdings auch die über weitere Räume sich erstreckende Zerdehnung von Länder-, Meeres- und Völkernamen mitunter empfindliche Schwierigkeiten dem Lesenden verursacht. Aber wir können gar nicht ermessen, wie mühsam die Schrift der Karte zu lesen war, die Iulius Honorius seinen Schülern erklären sollte.

Haec omnia, sagt der Schluß des bloß in der ersten Fassung erhaltenen Nachwortes p. 55, in describtione recta orthographiae transtulit, publicae rei consulens, Iulius Honorius magister peritus atque sine aliqua dubitatione doctissimus: illo nolente ac subterfugiente nostra parvitas protulit, divulgavit et publicae scientiae obtulit; also liegt unserer Überlieferung die Abschrift oder Nachschrift durch einen Schüler zugrunde, nicht das von I. H. selbst angefertigte Exzerpt, dessen Wert in der Genauigkeit und Korrektheit der Namen liegen sollte. Der Schüler würdigt dankbar den pädagogischen Weg des Lehrers, der den Inhalt der Karte durch Gliederung und Richtigstellung der geographischen Namen einzuprägen sucht und durch die Summierung der einzelnen Gruppen ein sicheres mnemotechnisches Hilfsmittel gewinnen will. Auch die Vierteilung der Karte unterstützt den Lehrer. Das Schlußwort der ersten Fassung wiederholt das ohnehin völlig deutliche Prinzip dieses Unterrichtsganges mit aller Pedanterie: et ut haec ratio ad conpendia[9] ista deducta in nullum errorem cadat, sicut a magistro dictum est, hic liber exceptorum ab sphaera ne separetur; sequuntur enim conpendia, quae infra scripta videbis: quatuor, ut iterum dicam, oceanorum ratio non praetermittenda; sunt [622] enim per orbem terrae cosmographiae maria XXV usw. (vgl. o. S. 617, 60).

Die Verteilung denkt man sich auf der Karte durch zwei Linien vollzogen, und daß diese beiden Orientierungsstriche senkrecht aufeinander stehen sollen, erscheint als fast selbstverständlich; die Wiederholung der gleichen Namen in benachbarten Vierteln wird wie von den Früheren (vgl. Riese proll. p. XX) so von mir und von Miller von Namen oder Zeichen (z. B. Inseln) verstanden, durch die eine solche Linie läuft; z. B. mare Caspium p. 24 im Viertel des Ostmeeres und p. 40 im Viertel des Nordmeeres, überhaupt der erste Fall dieser Art bei I. H. und wohl daher (Riese a. O.) in der zweiten und in der dritten Fassung als mare Caspium in bis aufgezählt. Das Linienkreuz, dessen Bedeutung Riese p. XXIVf. ermitteln wollte (anders urteilen ich Wien. Stud. VII 304 und Miller M. m. VI 70f.), habe ich als senkrecht stehend angesehen, Miller als schräge; danach unterscheiden sich unsere graphischen Rekonstruktionen (meine Tafel in den Wien. Stud., die Millers M. m. VI Taf. 4), die natürlich nur ungefähre Wahrscheinlichkeit erstreben können; sie unterscheiden sich ferner außer im (hier unwesentlichen) Detail der Zeichnung vor allem durch die Gesamtform: bei Miller ein Kreis, bei mir oblong. Die Stellung des Linienkreuzes hat trotz Millers gegenteiliger Versicherung bei unserer übrigen Unkenntnis der Elemente von I. H.s Karte nur sekundäre Bedeutung; wenn Miller behauptet: ,nur das schiefe Kreuz berechtigt von der continentia des östlichen usw. Ozeans zu sprechen‘, so weiß ich nicht, was er unter continentia[10] versteht. Meine Rekonstruktion hält er (S. 70) für ,in der Hauptsache verfehlt‘. Dasselbe glaube ich erst recht von der seinen. Wenn meine Erklärung der zum Teil ungeheuerlichen Zahlen für die Flußlängen aus empirischer Abmessung auf der Karte des I. H. (Wien. Stud. VII 4f.) und aus einem schreienden Mißverhältnis zwischen Flußläufen in der Richtung von Meridianen oder Parallelkreisen (a. O. 6. 309) notwendig zur Annahme einer gestreckten Karte führt (auch Miller, der anderer Arbeiten kaum zitiert, glaubt an ,Abmessung mit dem Zirkel aus einer Weltkarte‘ S. 82), so muß Millers Entwurf abgelehnt werden. Freilich folgt aus meiner Annahme sowohl gegen ihn als auch gegen mich, daß die Karte des I. H. nicht geostet (d. i. oben Osten, nicht Norden) gewesen sein kann; Millers Anführungen 71, 2 entscheiden nichts, vgl. meine Bemerkungen Wien. Stud. 309f. Ebenda habe ich das Verhältnis der für die vertikale und für die horizontale Achse verwendeten Maße zu ungefähr 3 : 5 angesetzt. Weder mir (a. O. 310) noch Miller (a. O. 71) ist es gelungen, den durch das Linienkreuz gevierteilten Inhalt (continentia) der einzelnen Ozeane restlos an ihre richtige Stelle zu versetzen; das mag aber an der schlechten Überlieferung liegen, an der Verschleierung des Textes durch die Leser und die Schreiber der Hss. [623] Aber vielleicht haben wir gar kein Recht, das Linienkreuz auf der Karte selbst vorauszusetzen; wenigstens scheint mir heute bei einer Wiederholung meiner Studien, daß die Annahme genügt: der Lehrer habe das Kreuz in die Karte hineingesehen und den Schülern etwa durch einen Stock demonstriert; dann würden geringere Unregelmäßigkeiten der von I. H. vorgetragenen Vierteilung, die den modernen Rekonstruktionsversuch störend beeinflußen, weniger ins Gewicht fallen. Und daß die Karte des I. H. nicht das Linienkreuz getragen hat, möchte ich jetzt durch das Schlußkapitel der ersten Fassung bestätigt sehen; der Lehrer oder der Schüler hätten nicht immer und immer darauf bestanden; quatuor, ut iterum dicam, oceanorum ratio non praetermittenda; sondern sie hätten vielmehr, sofern in ihnen römische Tradition lebendig wirkte, vom Cardo und Decumanus, oder wie sie sonst das Linienkreuz benennen mochten, gesprochen; die Ozeane beherrschen das Kartenbild, und ein Rekonstruktionsversuch müßte dieser Forderung entsprechen.

Wenn die von I. H. seinen Schülern erklärte Karte (p. 24 und 55) sphaera genannt wird, so ist sie vielleicht auf einem Globus zu sehen gewesen (Wien. Stud. a. O. 303) oder war wenigstens durch den örtlichen Zusammenhang, in welchem sie aufgestellt war, leicht mit einem solchen zu verbinden. Man scheint hier zwar allgemein stillschweigend sphaera als gleichbedeutend mit orbis anzusehen; aber ich finde keinen Beleg für einen anderen Gebrauch des Wortes denn als Kugel oder als Sternbahn (= Kugelkreis). Ich zweifle nicht, daß die Karte, die I. H. seinen Schülern erklärte, nur in einem einzigen Exemplar diesen gezeigt werden konnte; die Mahnung p. 55 hic liber exceptorum ab sphaera ne separetur, spricht nicht dagegen; ein positiver Beweis scheint nicht durchführbar; aber die gestreckte Gestalt der Erdkarte und Fälle akrostichischer Schreibung zeugen ziemlich sicher für eine Anbringung, die bestimmten baulichen Bedingungen sich anpassen muß; andernfalls hätte I. H. besser getan, seine Schüler anzuweisen, wie sie die Karte – etwa auf vier Blättern – neu zu zeichnen und die nicht allzu zahlreichen (die Summierung der für uns ersten Auflage ergibt weniger als 525) Namen gut leserlich, also ohne Zeilenbrechung und ohne akrostichische Platzausnutzung oder Manier, einzutragen vermöchten. Daß Cassiodor bloß den Text, nicht auch noch eine Kopie der Karte des I. H. seinen Mönchen geschenkt hat, mag als Zeugnis der frühen Trennung des Textes von der Karte eingeschätzt werden; dann kann das Publikum, in dessen Interesse der unbefugte Editor die Arbeit des I. H. publicae scientiae obtulit, nur in der Nähe des Ortes gedacht werden, an dem jene sphaera zu sehen war. Nach Cassiodors Absicht soll das, was jene sphaera bot, anscheinend durch die kleine Ausgabe von Dionysios’ πίναξ ersetzt werden; penacem Dionysii discite breviter comprehensum, ut quod auribus in supradicto libro (nämlich im libellus Iulii oratoris) percipitur, pene oculis intuentibus videre possitis. Auch Miller M. m. VI 96 (dort 93ff. über diesen Pinax und die zugehörige Literatur; reicher und besser Crusius o. Bd. V S. 915ff., aber ohne S. 920 der Frage nach der Karte gerecht zu werden) hat angenommen, daß der [624] Pinax, wie wir ihn nach der Periegese des Dionysios von Alexandria[11] entwerfen können, als Illustration zu I. H. dienen könne.

Die Karte des I. H. mag nicht mehr durchaus gut erhalten oder überhaupt unklar ausgeführt gewesen sein, so daß der Meister, dessen Vorzüge auf anderem Gebiete begründet gewesen sein mögen, der aber sonst in Realien und speziell in der Geographie so wenig Bescheid gewußt haben mag als etwa heutzutage der größere Teil der französischen oder italienischen Intelligenz und Zeitungschreiber, irregeführt werden konnte. Die Insel Thyle exzerpierte er nicht, weil bloß ihr Name (nicht aber auch die Kontur der Insel) zu lesen war, daher p. 33, 4 mare Thyle; Celtiberia oppidum, Phocis oppidum, fossa Traiani oppidum, Thebais oppidum, Sirtis maior insula und Sirtis minor insula, Syria Apamea provincia und vor allem das Unvermögen, Rhein und Rhone auseinander zu halten, illustrieren den Mangel an Fachkenntnis. Letzterer Zwischenfall müßte die Annahme, daß I. H. in Gallien oder Norditalien zuhause gewesen wäre, ausschließen; an Italien denkt Riese proll. p. XXII; aber an Afrika scheint Miller (S. 70 und 82) zu denken, indem er die richtige Beschreibung des Bagradas-Laufes hervorhebt. Wäre übrigens Afrika wirklich Heimat des I. H., so würde das relativ sicherste Spätzeugnis Constantina oppidum für Cirta eher auf die Zeit des I. H. als auf die Entstehungszeit seiner Karte fallen; I. H. selbst muß ohnehin, da die Form seines eigenen Namens früher als im 3. Jhdt. nicht gut denkbar erscheint, in die spätere Kaiserzeit gesetzt werden.

Wenn Werke von Menschenhänden (montes II Brittanniae vallum und mons Pyramides) unter den Bergen erscheinen, so mag das auf die Art der orographischen Darstellung einen Schluß gestatten. Die Vermutung Rieses p. XXI, daß die Karte des I. H. eine Itinerarkarte gewesen sei, kann nicht gestützt werden; daß I. H. bei Aufzählung der oppida öfter eine an Itinerare gemahnende Ordnung einhält, bedeutet nicht viel in diesem Zusammenhang. In Krit. Beitr. I 37 habe ich vielmehr die Abfolge der oppida als ein Mittel angesehen, die Erdviertel deutlicher abzugrenzen oder zu charakterisieren; daraus wäre weiter zu folgern, daß die Karte immerhin mehr enthalten haben kann, als I. H. exzerpiert.

Die zahlreichen griechischen Deklinationsformen und verschiedene griechische Bezeichnungen wie Nili ceras (dazu Wien. Stud. VII 296) oder Theriodes, auf die Miller 70 noch besonders aufmerksam gemacht hat, sind anscheinend auf keine andere Ursache zurückzuführen, als auf die starke Abhängigkeit des römischen Geographen von der griechischen Literatur, zumal für die östlichen Erdteile; die gleiche Beobachtung kann man z. B. auch in der geographischen Übersicht des Ammianus Marcellinus machen. Wenn endlich I. H. ,Orte nennt, die kaum noch ein- oder das anderemal in der geographischen Literatur auftauchen, so wird man dies aus [625] durchaus naheliegenden Gründen weder als gelehrten Prunk noch als Indizien einer genaueren Lokalkenntnis des Verfassers, auch wohl nicht als Interpolation ansehen, auch kaum auf einen unvergleichlich reicheren Inhalt der Karte, sondern auf irgend eine uns nicht genauer erkennbare Eigentümlichkeit dieser Karte zurückführen‘ (Kubitschek Krit. Beitr. I 37).

Für die Quellen der Karte des I. H. liegen noch keine Untersuchungen vor; was Miller VI 80ff. unter diesem Titel gibt, ist unbrauchbar. Daß das Büchlein des I. H. dann ein Schul- und Handbuch geworden ist, ist schon oben angedeutet worden. Aber nicht alles, was dafür geltend gemacht wird, kann eine Prüfung bestehen. So wird Iordanes’ im J. 551 geschriebenes Buch über die Geten unter jenen angeführt, die bei I. H. Anleihen gemacht haben. Aber, so geringwertig und so eilfertig auch Iordanes gearbeitet haben mag, so tief steht er doch nicht, daß er bei I. H. zu lernen brauchte. Was er aus I. H. haben soll, beschränkt sich (c. 1, bei Mommsen 6 p. 55) auf die Aufzählung von Inseln in orientali plaga et Indico oceano, und zwar Hippodem, Iamnesiam, Solis perustam …, Taprobanem …, … Silefantinam nec et Theron; das ist genau die Reihenfolge der Inseln des Ostmeeres bei I. H.: Hippopodes, Iannessi, Solis Perusta, Taprobane, Silenfardine und Teron. Zu dreien dieser Inseln fügt I. H. Bemerkungen, von denen eine aus Orosius I 2, 16, aber ebensogut auch anderwärts her geschöpft sein kann. Ist es dann nicht besser, für Iordanes und die Karte des I. H. eine gemeinsame Quelle als Abhängigkeit des Iordanes von I. H. vorauszusetzen? Wer dem beipflichtet, muß dann auch mit der Möglichkeit rechnen, daß die von Iordanes aus irgend einer Quelle wiederholten Zusätze zu den geographischen Namen auch auf der Karte des I. H. gestanden haben, daß also die von Iordanes und die von I. H. eingesehene Karte auf denselben (wer weiß in wie vielen Exemplaren in spätrömischer Zeit verbreiteten) Kartentypus zurückgehen, und daß also die Karte des I. H. genau so wie die eine oder andere mittelalterliche Karte viel zu textreich gewesen ist, als daß ohne ein Exzerptenheft ähnlich dem des I. H. geographischer Elementarunterricht auf sie hätte gestützt werden können.

Einige Worte verdient noch der kurze Abschnitt über eine Vermessung des ganzen Erdkreises (omnis orbis, nicht des orbis Romanus), die der ,Kosmographie‘ des I. H. in den Hss. der zweiten und dritten Fassung vorausgeschickt ist; in dem einzigen Vertreter der ersten Rezension (vgl. o. S. 614) fehlt er, warum weiß ich nicht zu sagen. Überblick über die bisher mit geringem Erfolg versuchte Behandlung und Erklärung dieses Berichtes gibt z. B. Gardthausen Augustus u. s. Zeit II 549; vgl Teuffel R. Lit-Gesch. § 220, 13 und Herzog R. Staatsverf. II 15, 1.

Es werden vier ,Gelehrte‘ namhaft gemacht, die Iulio Caesare (es fehlt die Ziffer V) et Marco Antonino (soll heißen Antonio, eine auch sonst in späteren Consularfasten wiederkehrende Verwechslung der Namen), also 44 v. Chr., oder vielmehr von diesem Jahre ab (a Iulio Caesare usw. hat der stärker interpolierte Colbertinns der zweiten und die dritte Klasse) den Erdkreis durchwandert haben: [626] und zwar Nicodomo orientis (oder Nicodoro, lies Nicodemo; Nicodoxo hat der Scorialensis), Didimo occidentalis, Theudoto septemtrionalis, Policlito meridiani. Von diesem J. 44 ab hätten die Landmesser, jeder seinen Teil, durchmessen (z. B. meridiana pars dimensa est) und zu verschiedenen Zeiten ihre Aufgaben beendet; der Endtermin wird durch Angabe der Consuln des Jahres und durch die Länge der auf die Aufgabe verwendeten Zeit ausgedrückt; der Anfangstermin nur durch die bereits genannten Consuln des J. 44, nicht auch mit Tag und Monat, wenn auch kaum daran zu zweifeln ist, daß der Erzählende den Dictator Iulius Caesar als Urheber der Aktion im Auge hatte und nicht etwa an posthume Ausbeutung seiner politischen und administrativen Papiere dachte, und somit nur die Zeit vom Neujahr bis zu den Märziden ihm zur Verfügung stand.

Nur die dritte Fassung, deren Entstehung allerdings schon um des den Tiberfluß behandelnden Kapitels willen nicht später als das 5. Jhdt. angesetzt werden kann, gefällt sich in direkter Bezeichnung des Urhebers und der Durchführungsart des ganzen Planes ('Iulius Caesar, bissextilis rationis inventor, … ex senatus consullo censuit omnem orbem iam Romani nominis admetiri), ferner in wertlosem, rein formalem Zusatz zu den Zeitangaben für die Aufarbeitung jedes einzelnen Viertels und in einem zusammenfassenden Schlußsatz über die Dauer der gesamten Arbeit und über die Vorlage des ganzen Materials an den Senat. Solche Zusätze und Detailbestimmungen wird man ebenso wie die weiteren Abänderungen der Namen der dimensores sowie in zwei Fällen ihrer Arbeitsdauer auf sich beruhen lassen dürfen.

Als Endconsulate werden nun genannt:

(Ostviertel) Augusti IIII (oder III) et Crassi, d. i. 30 v. Chr.,
(Westviertel) Augusti VII, et Agrippae [III, die Zahl fehlt], 27 v. Chr.,
(Nordviertel) Augusti X, 24 v. Chr. (richtiger wäre Augusto X et Norbano Flacco),
(Südviertel) Saturnini et Cinnae, wahrscheinlich 19 v. Chr. gemeint, welches Jahr sonst Saturnino et Lucretio (Chronograph vom J. 354), von Mommsens sog. Consularia Italica (Auct. Germ. antiqu. IX 276) mit Saturnino et Cinna und in dessen Consularia Constantinopolitana (ebd. IX 218) mit Saturnino et Lucretio Cinna und also auch in den Fasti Hydatiani [12]

ebenso, vielleicht infolge irgend einer Entgleisung eines Namensinterpreten [13] benannt wird. Die Arbeitsdauer wird angegeben für das

(Ostviertel) mit 21 Jahren 5 Monaten 9 Tagen
(Westviertel) mit 26 Jahren, 3 Monaten, 17 Tagen
(Nordviertel) mit 29 Jahren, 8 Monaten – Tagen
(Südviertel) mit 32 (oder 22), 1 Monat, 20 Tagen,

also seltsamerweise nicht in runden Zahlen ausgedrückt, [627] sondern anscheinend genau präzisiert. Die verbrauchte Zeit ist aber durchaus um 7 bis 9 Jahre »u lang angesetzt. Nähme man das Schlußjahr und die Arbeitsdauer zur Basis, so würde man für zwei Erdviertel zum J. 51 und für die beiden anderen zum J. 53 als Ausgangspunkt gelangen. Unsere Kenntnis der Geschichte dieser Zeit erlaubt uns nicht zu ermitteln, welcher Art der Fehler ist, den der Redactor dieser Notiz bei der Benutzung seiner Fasten begangen haben kann [14]; Fehler und Eigentümlichkeiten besonderer Fasten offenbaren sich uns ja übrigens auch in anderen antiken Schriftstellern. Aus solchen Fehlern und aus der Vereinzelung des Berichtes über die Erdvermessung (nicht um eine Reichsvermessung handelt es sich) Zweifel an der Wirklichkeit des berichteten Faktums zu ziehen, scheint ebensowenig erlaubt als der gewalttätige Versuch eines Gelehrten ersten Ranges, die Überlieferung nach unserer besseren Kenntnis der Fasten abzuändern. Es wäre wohl möglich, daß mehrere Gelehrte gleichzeitig mit der Durchführung ihrer Arbeit, mehr einer Quellenarbeit als einer unmittelbar praktischen Zwecken dienenden Leistung, von Caesar betraut worden sind, und daß die Daten der Ablieferung ihrer Arbeiten, die in verschiedenen Jahren, aber nach dem aktischen Sieg erfolgte, aus irgend einem uns heute nicht erkennbaren Grund in der Erinnerung festgehalten worden sind. Vielleicht darf man in diesem Zusammenhang an die Analogie des Isidorus von Charax erinnern, den Plin. nat. hist. VI 141 (in Verwechslung der Namen) meint: Dionysium terrarum orbis situs recentissimum auctorem, quem ad commentanda omnia in orientem praemiserit divus Augustus, ituro ad Armeniam ad Parthicas Arabicasque res maiore filio; allerdings handelte es sich bei der Mission des Isidorus um eine Aufgabe von eminent praktischer Bedeutung.

Von Ausgaben kommen außer dem Anhang von Pomponius Mela ed. Gronov² 1722 nur noch die entsprechenden Kapitel in den Geographi Latini minores ed. Riese 1878 in Betracht: p. 21–55. 71–103 und proll. p. XIX–XXXI; s. dazu Berger Art. Aethicus o. Bd. I S. 698f. So fleißig und eindringend Riese seiner Aufgabe nachgegangen ist, so ist doch viel übrig geblieben, um die Gänge der Überlieferung zu erforschen und die Texte festzustellen. Dieser Aufgabe habe ich meine Kritischen Beiträge zur Cosmographia [628] des I. H., Progr. Oberhollabrunn 1882 und 1883 und den Aufsatz Die Erdtafel des Iulius Honorius, Wien. Stud. VII (1884) 1–24. 278–310 gewidmet, aber ebensowenig den Stoff erschöpft. Für eine neue Ausgabe habe ich inzwischen die handschriftliche Grundlage überprüft und erheblich vermehrt. Miller hat in seinen Mappae mundi VI (1898) 69–82 I. H. ähnlich wie andere Autoren behandelt, deren Karten er rekonstruieren wollte (dort S. 69 Aufzählung von Literatur).

  1. So interpoliert und fehlt der ebengenannte Colbertinus gleich in den allerersten Worten der Schrift, indem er die Worte Iulio Caesare et Marco Antonino (statt Antonio) consulibus in a Iulio Cesare Augusto usw. umwandelt.
  2. Die Annahme einer solchen Störung empfiehlt sich obendrein auch dadurch, daß die Überschrift Excerpta eius sphere ohne die nötige Beziehung dasteht.
  3. In der Schrift des I. H. selbst werden sonst außerdem als famosi -ae -a (aber nur von der dritten Redaktion und dort bloß in den ersten drei Erdvierteln) die insulae, montes und oppida, im Ostviertel auch die provinciae bezeichnet. Den beiden anderen Fassungen fehlt dieses Wort.
  4. Dieser Zusatz aber bloß in der ersten Rezension; deshalb, und weil die Zahl 9 nicht in die Summierung der Inseln einbezogen worden ist, habe ich ihn Kritische Beitr. II 6 als Glosse angesehen; vielleicht mit Unrecht, da sonst nie 9, sondern 30 oder 33 oder 40 Orkaden gezählt werden und die Zahl 9 doch wohl aus einer Karte abgezählt worden ist, auf der die große Zahl der Inselchen durch eine vielleicht beliebige Zahl von Ringelchen angedeutet worden war; nur freilich braucht diese Karte nicht die des I. H. gewesen zu sein.
  5. Wie wunderlich nehmen sich nebeneinander aus einerseits der Eurotas mit 725, der Acheloos mit 790 Millien, andererseits die Garumna mit 209 und der Ebro mit 204 Millien! – Eine Tabelle der Flußläufe und Flußlängen ist in den Wien. Stud. VII 10–13 gegeben.
  6. Über die Überschrift in der zweiten und dritten Redaktion vgl. o. S. 615f. Dicuil, der im J. 825 sein Buch de mensura orbis terrae zum guten Teil auf der Grundlage des I. H. aufgebaut hat, hat kurz (hodie, vgl. p. 36, 7 ed. Parthey) vor Niederschrift seines Werkchens das Büchlein des Iulius Honorius zitiert als cosmographia, quae sub Iulio Caesare et Marco Antonio (so, nicht Antonino!) consulibus facta est (p. 28, 5), s. u. S. 625f.
  7. Nicht richtig ist das, was Miller Mappae mundi VI 71 darüber sagt.
  8. In dem Vertreter der ersten Fassung steht achrosticis, worin Riese richtig Akrostiche erkannt hat; er liest (proll. p. XX) acrostichides oder acrostiches; doch erscheint es nicht nötig, das Überlieferte abzuändern; acrostichis ist dann meines Erachtens entweder Instrumentalablativ, Subjekt zu vitio esset wäre wiederum sphaera, oder allenfalls Nominativ (ἡ ἀκροστιχίς, vgl. Graf o. Bd. I S. 1200), und in diesem Falle wäre Subjektswechsel eingetreten. Die zweite Fassung des I. H. bietet statt acr. esset entweder adscribatur oder atrocia essent und verwischt damit den Zusammenhang ganz; aus der dritten ist wie alles andere Persönliche so auch die Einleitung überhaupt und damit der Hinweis auf die akrostichen Schreibungen entfernt.
  9. ratio, nämlich oceanorum ratio, wie gleich im folgenden gesagt wird: conpendium = Zusammenfassung, hier wie aus der Art der Wiederkehr (zwei Zeilen weiter, Riese p. 55, 13) hervorgeht, zahlenmäßige Zusammenfassung.
  10. )continentia = συνέχεια oder περιοχή, ,Inhalt‘; die Stellen aus I. H. sind im Thesaurus 1. Lat IV 700, 21ff. verzeichnet. Vgl. z. B. p. 46: oceani septentrionalis continentia explicit, incipit oceani meridiani continentia.
  11. Oben Bd. V S. 917, 17 ist das eine der von Laue entdeckten Akrostiche nicht vollständig gegeben; es soll heißen ἔ[π]η Διονυσίου τῶν ἐντὸς Φάρου.
  12. Damit erübrigen sich auch alle Folgerungen, die an einen Zusammenhang zwischen den spanischen Fasten und der Heimat des Iulius Honorius geknüpft worden sind.
  13. Lucretius Vespillo; über die Möglichkeit daß er auch das Cognomen Cinna geführt habe, Prosop. imp. Rom. II 305 n. 302.
  14. Nach freier Erfindung späterer Zeiten sehen die Daten nicht aus. Wären sie das, so würde die Dauer der Arbeit in Übereinstimmung mit dem Intervall zwischen dem J. 44 v. Chr. und dem jeweiligen Abschluß des Pensums gebracht worden sein, und zwar mit Benützung eines der damals üblichen Consulnverzeichnisse. Meiner Meinung nach verfügte der Redaktor über Daten nach Consuln und Tagen; benützte er ein Consulnverzeichnis, in welches auch die Suffecti eingetragen waren, so konnte es einem unerfahrenen oder unaufmerksamen Mann leicht begegnen, daß er das Intervall zwischen dem J. 44 und den Endconsuln zu hoch einschätzte; dabei brauchte das Verzeichnis nicht viel anders angelegt zu sein als etwa die uns vorliegenden Stücke der Fasten von Ameria oder Venusium.