Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Fabia, zwei Töchter des M. Fabius Ambustus Nr. 43
Band VI,2 (1909) S. 18841885
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168. 169) Fabiae, die zwei Töchter des M. Fabius Ambustus Nr. 43. Livius VI 34, 6–11 erzählt als Beleg des Satzes ,kleine Ursachen, große Wirkungen‘ (parva, ut plerumque solet, rem ingentem moliundi causa ebd. 5) folgende Geschichte: Von den beiden Schwestern war die ältere mit dem Patrizier Ser. Sulpicius, die jüngere mit dem Plebeier C. Licinius Stolo verheiratet. Im J. 378 = 376, als Ser. Sulpicius das Consulartribunat bekleidete, war die jüngere im Hause der älteren einmal zu Besuch; da schlug der Lictor, um den heimkehrenden Magistrat anzumelden, an die Tür; erschreckt durch dieses ungewohnte Zeichen fuhr die jüngere F. auf und wurde dafür von ihrer Schwester ausgelacht; der Spott kränkte sie so, daß sie sich bei ihrem Vater über ihre unebenbürtige Ehe und die dadurch hervorgerufene Zurücksetzung beschwerte; infolge dessen zog dieser ihren Mann und L. Sextius ins Vertrauen und veranlaßte sie, die bekannten Rogationen einzubringen, deren Annahme schließlich die Gleichstellung der Plebs mit den Patriziern und das Ende des Ständekampfes herbeiführte. Abweichend von Livius bezeichnet Zonar. VII 24 die Frau des Plebeiers als die ältere Schwester, wodurch das Beleidigende ihrer Zurücksetzung [1885] noch verstärkt wird; ihre Beschwerde richtet sich nach Zonaras und Auct. de vir. ill. 20. 1f. nicht an den Vater, sondern an den Gemahl; ähnlich lautet auch der verkürzte Livianische Bericht bei Flor. I 17, 26, 1–4; von dem ausführlichen Bericht des Dio ist außer Zonaras noch frg. 27, 1f. mit der Szene zwischen den beiden Schwestern erhalten. Die Ungeschichtlichkeit und Ungereimtheit der ganzen Anekdote ist seit L. de B(eaufort) Dissert. sur l’incertitude des cinq premiers siècles de l'hist. rom. (Utrecht 1738) 308–316 allgemein anerkannt; immerhin ist zu unterscheiden zwischen dem Kern der Tradition und den späten Zutaten der Livianischen Gewährsmänner. Ungereimt ist besonders, daß der Patrizier nur Consulartribun ist, weil ja zu dieser Würde auch der Plebeier gelangen konnte; die Geschichte hatte guten Sinn, wenn der Patrizier vielmehr Consul war; nun haben aber in den 30 letzten Jahren vor der Annahme der Licinischen Rogationen keine Consuln, sondern nur Consulartribunen fungiert; also könnte wohl eine ursprünglich zeitlose Erzählung erst durch die Versetzung in eine bestimmte Zeit an Verständlichkeit verloren haben. Ungereimt ist ferner die Beschwerde der Tochter bei dem Vater, der sie ja doch dem Manne geringeren Rechtes zur Ehe gegeben hat und der an den ganzen Folgen der Geschichte gar keinen Anteil hat; das Ursprünglichere ist hier jedenfalls das, was die von Livius abweichenden Berichte auch bieten, die Beschwerde der Frau bei dem Gatten, der dann selbst die Rogationen einbringt. Vielleicht ist gerade bei dem sonst von Livius abhängigen Florus eine Spur des ursprünglichen Zusammenhanges erhalten, in welchem die Anekdote erzählt worden war: tertiam seditionem excitavit matrimoniorum dignitas, ut plebei cum patribus iungerentur (Canuleius) ... quartam honorum cupido, ut plebei quoque magistratus crearentur (Fabiae); dann hätte also die Bewilligung des Conubiums an die Plebs die Folge gehabt, daß die patrizischen Frauen von Plebeiern ihre Männer zu weiteren Forderungen anstachelten, wofür Fabia als klassisches Beispiel diente. Daß eine Frau ebenso den Sturz der Patrizierherrschaft herbeigeführt haben soll, wie eine andere den der Königsherrschaft und wieder eine den der Herrschaft der Decemvirn, ist gewiß die jüngste von diesen drei in der römischen Geschichte vorkommenden Verwendungen desselben Sagenmotivs; immerhin dürfte jener Kern der Erzählung schon bei den ältesten Annalisten Aufnahme gefunden haben, und vielleicht ist gerade Fabius Pictor es gewesen, der Persönlichkeiten seines Geschlechts in sie hineinverflocht, weil zu seiner Zeit schon mehrfach Fabiertöchter in plebeische Familien hineingeheiratet hatten (vgl. Nr. 170. 171).