Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Rhetor und Philosoph aus Lindos, 3. Jhdt. n. Chr.
Band VI,1 (1907) S. 829830
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13) Namhafter Rhetor und Philosoph ( Syrian. II 3, 24. 35, 3. 55, 6. 56, 20f. 128, 24. 151, 15. 161, 22 Rabe), wirkte nach Hermogenes (35, 41. 56. 60. 151) und Metrophanes (55), nicht vor 250, doch wohl noch im 3. Jhdt. n. Chr. Von seiner Abhandlung Περὶ τῶν στάσεων (3, 23f.; überschwenglich gelobt 56, 22; besonders wegen der Genauigkeit und Schärfe in den Definitionen und Divisionen 128f.; vgl. auch 127, 7. 17. 151, 15. 161. 22) sind ausdrücklich unter seinem Namen] nur wenige Fragmente βei Syrianos (5. Jhdt.) erhalten (3, 23. 35, 1. 41, 1. 55, 6. 56, 21. 60, 24). Derselbe hat ihn jedoch in seinen Scholien zu Hermogenes Περὶ στάσεων (II 1–54) neben andern wie Porphyrios (14, 9) und besonders Aquila (s. über ihn Bd. II S. 314 Nr. 6) in weiterem Umfange benützt. Nach Gloeckner Quaest. rhet. in Bresl. philol. Abhandl. VIII 2 (1901) 64-69 hat Syrianos den E. seinem Werke Über die 14 στάσεις (II 56ff.) allein zu Grunde gelegt; dagegen bezeichnet Schilling Quaest. rhet. selectae, Jahrb. f. Philol. Suppl. XXVIII 1903, 693-714 als grundlegende Werke, aus denen Syrianos geschöpft habe, E. und besonders Aquila, zweifellos für die gleichartigen Definitionen der Status; daneben habe er auch die Lehrbücher des Minukianos, Hermogenes, Metrophanes u. a. in eklektischer Weise zu Rate gezogen (vgl. auch Fuhr DLZ XV 1894, 523). Von einem Kommentar des E. zu Hermogenes wissen wir nichts; die Stelle: bei Syrian. II 55, 5f. spricht sogar gegen die Annahme eines Kommentars. Auf eine Schule des E. deutet das Zitat οἱ περὶ τὸν Εὐαγόραν in den Proleg. VII 12, 20 W. hin. Über das Verhältnis Aquilas zu E. läßt sich mit Sicherheit nichts behaupten; da sie indes auffallend oft gemeinsam mit übereinstimmenden Lehrmeinungen genannt werden (Ἀκύλας τε καὶ Ε. II 35; sonst Ἑ. τε καὶ Ἀκύλας 41. 55. 56. 60. 128; vgl. auch 127. 151. 161), so liegt die Vermutung nahe, daß sie in einem engen Abhängigkeitsverhältnisse zu einander gestanden haben, vielleicht in dem des Schülers zum Lehrer. Zweifelhaft ist auch, wo E. gewirkt hat; man könnte an Athen denken (Syrian. II 3, 23ff.). Gloeckner a. O. 66 identifiziert den Historiker Euagoras aus Lindos bei Suid. s. v. (s. Nr. 12) wegen der dort aufgeführten rhetorischen Werke völlig mit unserem E. Doch daß der Historiker, aus dessen bei Suidas genannter ägyptischer Geschichte sich ein Fragment bei Moses Chorenensis Hist. Armen. II 13 p. 177 der Ausg. v. Le Vaillant de Florival (vgl. Dictionnaire im Anhang S. 77) erhalten hat, mit unserem E. eine Person ist, erscheint ausgeschlossen. Der Historiker ist ein leichtfertiger, kritikloser Skribent (v. Gutschmid Philol. XI 1856, 779–781), während unser E. ein ernster, scharfdenkender Philosoph ist. Der Historiker ist höchstwahrscheinlich ein Schüler des Timagenes (v. Gutschmid a. O. 781), also zeitlich um viele Jahrhunderte älter, als unser E. Dagegen sind augenscheinlich bei Suidas, wie so oft, zwei Homonyme miteinander verschmolzen, vermutlich weil beide Lexika zu Thukydides verfaßt haben. Dann wäre unserem E. außer dem genannten Lexikon die dort erwähnte τέχνη ῥητορική in fünf Büchern zuzuweisen. Ein Fragment hieraus könnte die in den Proleg. VII 12, 20. 13, 5 W. angedeutete [830] Einteilung der Beredsamkeit in fünf ῥητορικά und die im Anschluß daran mitgeteilte Definition der Beredsamkeit in ihrer höchsten, mit der Philosophie übereinstimmenden Erscheinungsform als ἐπιστήμη τοῦ εὖ λέγειν (so die Stoiker) sein, die bei dem Philosophen E. nichts Befremdliches hat (vgl. auch die Aufnahme des stoischen κροκοδειλίτης unter die ἀσύστατα Syrian. II 42 und die Stelle II 55, wo nach dem Πλατωνικὸς Metrophanes die als φιλόσοφοι bezeichneten E. und Aquila wohl Stoiker sein dürften). Die Abhandlung Περὶ τῶν στάσςων kann wie des Hermogenes gleichnamige Schrift ein Teil der τέχνη ῥητορική gewesen sein. Gloeckner a. O. 70 sucht glaubhaft zu machen, daß E. in den fünf Büchern seiner Rhetorik dieselben Stoffe wie Hermogenes behandelt habe, nämlich προγυμνάσματα, στάσεις, εὑρέσεις, ἰδέαι, μέθοδος δεινότητος, die bei Tzetzes chil. VI 751. XI 111. 190. 259 als πεντάβιβλος zusammengefaßt sind. Dies ist unwahrscheinlich, denn eine Schrift Περὶ ἰδεῶν des E. hätte Syrianos in seinem Kommentar zu Hermogenes περὶ ἰδεῶν (Bd. I Rabe) bei seiner Abhängigkeit von E. wenigstens einmal zitiert, und die Annahme Gloeckners, daß E. προγυμνάσματα verfaßt habe (Syrian. II 171, 4; vgl. 39, 18), ist nicht erwiesen; auch pflegten προγυμνάσματα nicht ein Bestandteil einer τέχνη zu sein (vgl. die von Gloeckner selbst 41f. aus einem anonymen Traktat mitgeteilte, auf Hermogenes passende Stelle).