Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Emmenidai, berühmte Familie in Akragas
Band V,2 (1905) S. 24982500
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Emmenidai, berühmte Familie (fälschlich φατρία. Schol. Pind. Ol. III 68 b) in Akragas (Pind. Pyth. VI 5; Ol. II 11ff. III 67ff.). Sie führte ihren Stammbaum auf Kadmos und Oidipus zurück (Schol. Pind. Ol. II 13 c. 65 c). Doch bestanden zwei von einander differierende Überlieferungen darüber; die eine, deren Vertreter Menekrates war (Schol. Pind. Ol. II 16 c; rec. 14), gab den Stammbaum folgendermaßen (vgl. auch Otfried Müller Orchomenos² 331. 461): [2499]

Kadmos
     |
Polydoros
     |
Labdakos
     |
Laios
     |
Oidipus
     |
Eteokles
     |
Polydoros
     |
Haimon
Haimon sei nach Athen geflohen, seine Nachkommen hätten gemeinsam mit den Argivern Rhodos besiedelt (auch Didymos Schol. Ol. III 1 d leitet sie aus Argos her) und seien von da nach Akragas gegangen. Der Version, daß sie unmittelbar nach Akragas gelangten, folgte auch Pindar in seinem Enkomion auf Theron (frg. 118. 119 Bgk.)und Timaios (Schol. Ol. II 15 a). Wie die Generationenzählung nach dieser Überlieferung zu erklären ist (die Stelle im Schol. Ol. II 16 c lautet: καὶ μέχρι Θήρωνος ἑπτὰ πρὸς ταῖς ὀκτὼ γενεὰς συναριθμεῖσθαι), ist unklar; Lübberts Aufstellungen (De Pindari studiis chronologicis XIXff.) sind ganz problematisch.

Die andere Überlieferung (Schol. Pind. Ol. II 82 d) bot folgenden Stammbaum:

 Laios
 |
 Oidipus

Eteokles      Polyneikes
 |
 Thersandros
 |
 Tisamenos
 |
 Autesion
 |
 Theras

Klythios Telemachos
bleibt in |
Thera)  Chalkiopeus
 |
 Emmenides
 |
 Ainesidamos
 |
 Theron

Vgl. Otfried Müller a. O. 461. Boeckh Pindar II 2,115. Siefert Akragas 65. Mezger Pindars Siegeslieder 250. Lübbert a. O. XXff. Christ Pindar CXIX 13ff. Auf diese Weise werden die B. mit Theras, dem Gründer von Thera, und den Aigiden (Studniezka Kyrene 66ff.; Roschers Lexik. der griech. u. röm. Mytholog. II 1739ff.) verknüpft; Telemachos wanderte von Thera nach Sicilien aus (Schol. Pind. a. O.) und stürzte dort Phalaris (Schol. Ol. III 68 d). Dieser Version, welche die offizielle des Hauses gewesen zu sein scheint (Boeckh a. O.), folgte auch Pindar (Ol. II 76ff.); wie die Verbindung desselben mit Rhodos, welche er ebenfalls vertrat, damit zu vereinbaren war, ist nicht klar. Der Stammbaum ist indes, wie Otfried Müller (a. O. 332. 461) erkannte, lückenhaft überliefert, da zwischen Theras und Telemachos mindestens 12 Glieder fehlen; Müller hielt es für das wahrscheinlichste, zwischen Samos und Telemachos 12 Geschlechter einzuschieben. Die Angabe von 27 Generationen (Schol. rec. Ol. II 14) wird von Lübbert a. O. XIXff. auf diesen Stammbaum bezogen und die Lücke zwischen den beiden Trägern des Namens Telemachos angenommen; doch ist Lübberts Konstruktion, wie auch sonst (Rannow Wochenschr. f. cl. Philol. V 1888, 678ff.), zweifelhaft, da die erwähnte Zahl der anderen Überlieferung angehört. Es existierte auch die Version, daß die E. zuerst nach Gela und von dort nach Akragas gelangten (Schol. Ol. II 15 c). Der Familie eigentümlich war der Kultus der Dioskuren (Pind. Ol. III 61ff. Schol. 1 a-c; sie war durch Reichtum ausgezeichnet (Pind. Ol. II 20; frg. 119). Die historische Realität des [2500] Stammbaumes steht dahin; es ist klar, daß Emmenides — oder vielmehr Emmenes — ursprünglich als Stammvater galt und die Anknüpfung an Theras und Oidipus erst eine spätere Stufe darstellt. Dabei würde allerdings Emmenes in hellhistorische Zeit heruntergerückt. Die Nachricht, dass Telemachos sich nach Phalaris Sturz der Herrschaft in Akragas bemächtigt habe (Schol. Pind. Ol. III 68 d), ist gewiß nichts anderes als eine Folgerung aus seinem Anteil an dem Ende des Phalaris. Die Nachkommen des Theras erscheinen Schol. Pind. Ol. II 82 d in der oben wiedergegebenen Folge, während Schol. Pind. Ol. III 68 a. d (wohl aus Hippostratos, vgl. Schol. Pyth. VI 4) Chalkiopeus ausläßt und den Stammbaum folgendermaßen vervollständigt:

Theron
Xenokrates
 
Thrasydaios  Philokrates
Thrasybulos
(vgl. Pind. Pyth. VI 15ff.)

Chalkiopeus wurde von Bentley Abhdl. 102 (und Lübbert a. O. XXII) mit Unrecht herausgeworfen; da bei Herod. VII 154 ein Ainesidamos (δορυφόρος des Hippokrates von Gela) auftritt, der Sohn des Pataikos war (Boeckh a. O. 116), so ordnete O. Müller später (Dorier II² 487, ähnlich Siefert a. O.) das Stemma der Familie in folgender Weise: [2499]

Telemachos
     |
Emmenides
[Lücke]
Telemachos
     |
Chalkiopeus
     |
Pataikos
     |
Ainesidamos
     |
Theron
Doch ist die Identität des Ainesidamos bei Herodot mit demjenigen von Akragas durchaus nicht feststehend (Holm Gesch. Siciliens I 415. Freeman Hist. of Sicily II 105). Theron bemächtigte sich der Tyrannis von Akragas (485), die er bis zu seinem Tode (472/1) behielt; sein Bruder war Xenokrates, vgl. noch Pind. Isthm. II 41ff.; Ol. II 89 (die abweichende Behauptung Artemons Schol. Pind. Isthm. II in. ist ohne allen Grund, vgl. auch Freeman a. O. II 532ff.). Theron hatte gegen Verwandte zu kämpfen (Kapys und Hippokrates, Schol. Pind. Ol. II 173 e. g, vgl. Holm a. O. II 419.

Freeman a. O. II 147. 238. 529), die nach Hippostratos (Schol. Pind. Pyth. VI 4) von einem Bruder des Eumenides, Xenodikos, stammten. Thrasydaios, der schon zu Lebzeiten seines Vaters in Himera die Herrschaft führte (Diod. XI 48, 6ff.), folgte Theron in der Tyrannis von Akragas nach, die er in gewalttätiger Weise ausübte; er verwickelte sich gleich zu Anfang seiner Regierung in einen Krieg mit Hieron von Syrakus, der für ihn unglücklich ausging (Diod. XI 53). Die Folge war sein Sturz in Akragas; er flüchtete nach Megara, wo er zum Tode verurteilt wurde. Damit war die Herrschaft der Emmeniden in Akragas zu Ende.

Literatur: Bentley (-Ribbeck ) Abh. über die Briefe des Phalaris 100ff. Boeckh Pindar II 2. 115ff. Grote Hist. of Greece V² 7Off. Holm Gesch. Sic. I 205. 242. 414ff. Duncker Gesch. d. Altert.5 VI 652. VIII 390ff. 403ff. Freeman Hist. of Sic. II 28. 144ff. 278ff. Ed. Meyer Gesch. d. Altert. II 825f. III 628ff.