Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Sammelbezeichnung einer Gruppe vorsokratischer Philosophie
Band V,2 (1905) S. 22442245
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Eleatische Philosophie. Schon im Altertum (vgl. Plat. Sophist. 242 D Ἐλεατικὸν ἔθνος und Clem. Alex. strom. I 64 Ἐλεατικὴ ἀγωγή) faßte man eine Gruppe von vorsokratischen Philosophen unter dem Namen Eleaten zusammen, weil ihre bedeutendsten Vertreter in der von ionischen Griechen aus Phokaia um 543 v. Chr. neu besiedelten Stadt Elea (Velia) an der Westküste von Lukanien gelebt haben. Begründet wurde die Schule um 540 v. Chr. von Xenophanes (s. d.), ihr bedeutendster Vertreter war sein Schüler Parmenides (s. d.), der gewandteste Verteidiger ihrer Lehre Zenon (s. d.) und der letzte namhafte Vertreter der Richtung der um 440 v. Chr. lebende Samier Melissos (s. d.). Nach etwa 100jährigem Bestehen scheint die Schule als solche aufgehört und ihre Anhänger an die Sophistik und die Sokratischen Gemeinschaften verloren zu haben.

Wie Xenophanes ein Schüler des Anaximandros (Diog. IX 21) und eines Pythagoreers (Diog. I 15) gewesen sein soll, so ist es unverkennbar, daß die eigentümliche Weltanschauung der Eleaten in nahem Zusammenhange steht mit dem ionischen Hylozoismus und dem Pythagoreismus. Denn wie diese beiden Richtungen will sie das Wesen der Naturerscheinungen ergründen, und da ihr Annahme eines Urstoffes, aus dem alles geworden ist, oder einer mathematisch bestimmten Gesetzmäßigkeit aller Vorgänge nicht genügt, so sucht sie es in dem, was allem Stofflichen unveränderlich innewohnt und in allem Wechsel beharrt, und findet dieses in dem ewigen unveränderlich Seienden, das aber nicht als abstraktes Sein, sondern konkret als das Raumerfüllende gedacht wird, welches zugleich Eins und Alles ist.

Für den phantasievollen, religiös gesinnten Xenophanes, der sich durch den volkstümlichen Polytheismus lebhaft abgestoßen fühlte, fällt dieses Eine als das Beste mit dem Weltganzen, das zugleich die einzige wahre Gottheit ist, zusammen. Sein nach begrifflicher Klarheit strebender Schüler Parmenides scheidet nun das Eine, Volle, Seiende, das, ewig unveränderlich und gleichmäßig, einer wohlgerundeten Kugel zu vergleichen ist und als allein wirklich Seiendes der alleinige Gegenstand wirklichen Denkens sein kann, von dem Nichtseienden, d. h. von dem Geteilten, Wechselnden, Bewegten, das uns unsere Sinne vortäuschen. Aber die Mühe einer hypothetischen Konstruktion und genaueren Ausmalung verwendet er doch noch an die Welt des Sinnenscheins. Anders sein Nachfolger und Freund Zenon. Dieser strengt allen Scharfsinn und die ganze Kunst seiner Dialektik an um zu beweisen, daß diese Scheinwelt durchaus nichtig sein muß, weil die in ihr herrschende Vielheit der Dinge und die Bewegung mit unauflösbaren Widersprüchen behaftet ist. Steht dies fest, so ist damit indirekt das Seiende, Unbewegte, Eine als das Wahre und Wirkliche erwiesen. Melissos verficht den eleatischen Standpunkt [2245] gegenüber den neuen physikalischen Anschauungen eines Empedokles und Leukippos, die das eine Seiende in eine Vielheit auflösten und dem Nichtseienden durch die Annahme eines leeren Raumes eine Art von Wirklichkeit zugestanden, um so die Kluft zwischen dem Schein und dem Sein in der Natur zu überbrücken. Neben dieser veränderten Richtung der Naturphilosophie trat die eleatische Lehre, wie es scheint, zunächst völlig zurück, aber in den großen Systemen eines Platon und Aristoteles zeigt sich ihre nachhaltige Wirkung nicht minder als die des Herakliteismus, zu dem sie den denkbar stärksten Gegensatz bildete. Vgl. Zeller I⁵ 165. 174. 618ff. Gomperz Griech. Denker I 166. Diels Philos. Aufsätze Zeller gewidmet, Leipzig 1887, 247.