Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Sohn des Teleklytos
Band V,1 (1903) S. 310311
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2) Diagoras aus Melos, Sohn des Teleklytos. (Schol. Aristoph. Ran. 320. Suid.) oder Telekleides (Suid.), wird von Aristophanes in den Wolken Ol. 89, 1 (423) und in den Fröschen 0l. 91, 4 (414) als ein in Athen allgemein bekannter Verächter der Götter verspottet und ist noch bis in das 4. Jhdt. n. Chr. als ὁ ἄθεος sprichwörlich (Cic. de nat. deor. I 2. 63. 117. Aet. plac. I 7, 1 [Dox. 297]. Aelian. v. h. II 31, frg. 33. Sext. hyp. III 15; math. IX 51. Tatian. adv. Graec. 27. Athenag. suppl. 4. Cyrill. c. Iulian. VI 190. Arnob. adv. gent. IV 29). In seiner Jugend, so berichtet man (Sext. math. IX 53. Schol. Ar. Nub. 830), dichtete er Dithyramben und war ein gottesfürchtiger Mann, bis die Erfahrung, dass ein Meineidiger, der ihn schwer geschädigt hatte, von der Gottheit ungestraft blieb, ihn an dem Dasein der Götter irre werden liess und zum Atheisten machte. Mit dem Faustkämpfer und späteren Gesetzgeher von Mantineia Nikodoros eng befreundet, soll er diesen bei der Abfassung seiner Gesetze unterstützt haben (Aelian. v. h. II 22). In Athen machte er sich durch Verletzung und Verspottung der Mysterien so verhasst, dass man ihn zum Tode verurteilte und durch ein Psephisma einen Preis auf seinen Kopf setzte (Aristoph. Av. 1073 c. schol. Lysias VI 17. Suid. Joseph. c. Apion. II 37). Einer Überlieferung zufolge, die ihn mit Protagoras zu verwechseln scheint, kam er auf der Flucht von Athen bei einem Schiffbruch um (Athen. XIII 611 A), nach einer anderen (Suid.) starb er eines natürlichen Todes in Korinth.

Die Verurteilung des D. in Athen setzt Diodor XIII 6 in das J. 415; dazu will aber die Anspielung des Aristophanes in den Wolken schlecht stimmen. Wenn Eusebios (Chron. Ol. 78) ihn um 466 blühen und zugleich von Demokrit aus der Gefangenschaft befreit werden lässt, so behauptet er zwei unvereinbare Dinge. Überhaupt berechtigen die chronologischen Daten so wenig als der Atheismus, von dessen philosophischer Begründung durchaus nichts bekannt ist, ein Schülerverhältnis zu Demokrit anzunehmen. Philodem (π. εὐσεβείας 85 Gomp.) überliefert von D. den Anfang eines Gesanges an den Arianthes aus Argos, sowie zwei Verse aus einem Gedichte an den Nikodoros aus Mantineia (auch bei Sext. math. IX 402 erhalten) und erwähnt dabei ein Enkomion [311] auf die Mantineer, das eine ebenso fromme Gesinnung atme, als jene beiden Dichtungen. Nur diese galten dem Aristoxenos, dem Gewährsmanne des Philodem, als unbestritten echt; er scheint also die atheistische Schrift des D. für untergeschoben zu halten. Eine solche unter dem Titel Φρύγιος λόγος — derselbe Titel findet sich in dem Verzeichnis der Schriften Demokrits bei Diog. Laert. IX 49 -— oder ἀποπυργίζοντες λόγοι (Suid. Arnob.) gab es in späterer Zeit jedenfalls. Sie wird durch Verspottung phrygischer Culte mit Anspielungen auf athenische Verhältnisse die alten Götter zu stürzen unternommen haben. Sittl (Gesch. d. griech. Litt. III 110. II 485) hält nicht nur diese Schrift für Pseudonym, sondern betrachtet überhaupt den Atheismus des D. als eine durch die Spöttereien der Komoedie hervorgerufene Übertreibung späterer Schriftsteller. Monographien: J. L. Mounier De Diagora Melio, Rotterdam 1838. Th. Münchenberg De D. M., Dissert., Halle 1877. Vgl. ferner Zeller I b⁵ 967. Bergk Poet. lyr.III⁴ 562. Gomperz Griech. Denker I 463.