Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Enthauptung, Form der Todesstrafe
Band IV,2 (1901) S. 22872289
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GND: 4369008-7
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Decollatio (so Paul. V 17, 3, auch capitis amputatio, so Callistr. Dig. XLVIII 19, 28 pr.), [2288] Enthauptung, ist eine den Römern seit den ältesten Zeiten bekannte Form der Todesstrafe. Anfänglich wird sie mit dem Beil (securis, securi percutere, ferire) vollzogen ,dem Handwerkszeug des Schlächters‘ (Mommsen); dies weist auf den Ursprung der Todesstrafe (Opferhandlung) hin; Anwendungsfälle bei Liv. II 5. 59. IX 24. Dionys. II 29. Val. Max. V 8, 1; vgl. Flor. II 5: ne gladio quidem, sed ut victimas securi percutiunt. Mit dem valerischen Provocationsgesetz verschwindet für das städtische Amtsgebiet das Beil aus den fasces, Liv. X 9. Dionys. V 19. Cic. de republ. II 31. 55 und macht anderen Formen der Todesstrafe Platz. Die Enthauptung durch das Beil bleibt für das militärische Ortsgebiet die normale Todesstrafe. Anwendungsfälle finden sich häufig: Liv. VIII 7. X 1. XXIV 9. XXVI 15. XXX 43. Dionys. V 19. X 59. Val. Max. II 7, 6 u. 12. Cic. in Verr. I 75. III 156. V 71. 118 I u. ö. In der Kaiserzeit tritt das Schwert an die Stelle des Beiles, die Execution wird regelmässig von einem Soldaten vollzogen; vgl. die Art. Carnifex, Speculator. Tac. ann. XV 68. Suet. Calig. 32 (miles decollandi artifex). Joseph. ant. Iud. XIX 270, vgl. 38. 42. Senec. de ir. III 18, 4. Hist. Aug. Carac. 4, 1. Mit dem allmählichen Vordringen der Todesstrafe wird die Enthauptung durch das Schwert (gladio animadvertere) eine allgemein, auch ausserhalb der militärischen Disciplin, übliche Form der Todesstrafe, die Hinrichtung durch das Beil wird in classischer Zeit ausdrücklich untersagt, Ulp. Dig. XLVIII 19, 8, 1; vgl. Cass. Dio LXXVII 4. Hist. Aug. Carac. 4, 1; Get. 6, 3. Die Enthauptung gilt als einfache Todesstrafe und wird den complicierteren und schwereren Formen (bestiis obici, crematio, crux) gegenübergestellt, namentlich in der Weise, dass Freie und honestiores mit der einfachen (capite puniri schlechthin), Unfreie und humiliores mit der qualifizierten Todesstrafe bedroht werden, s. z. B. Paul. V 23, 1. Constantin. Cod. Iust. IX 20, 16. Die Strafe findet, wie früher, namentlich gegenüber Soldaten Anwendung, Paul. Dig. XLVIII 19, 38, 11 vgl. mit Mod. Dig. XLIX 16, 3, 10. Ruinart Act. mart. sinc. p. 300–304. Die Verbrechen , für welche bald schlechthin, bald mit Beschränkung auf bestimmte Stände, Enthauptung angedroht und vollstreckt wird, sind sehr verschiedenartig; Beispiele: Mord, Paul. V 23, 1. Ammian. Marc. XIV 11, 23. Agath. IV 11; Wahrsagerei, Paul. V 21, 3. Constantin. Cod. Iust. IX 18, 5; Menschenraub, Constantin. Cod. Iust. IX 20. 16; Ehebruch und Paederastie, Constantin. Cod. Iust. IX 9, 29. 30. Ammian. Marc. XXVIII 1, 16; Majestätsverbrechen, Hist. Aug. Carac. 4, 1. Liban. or. I 642 Reisk. Zosim. IV 52. Act. proc. Cypr. bei Ruinart Act. mart. sinc. 216–218 u. ö. Der Enthauptung geht Geisselung (virgis caedere) voraus, Liv. II 5. 59. IX 24. X 1; der Verurteilte wird dazu an einen Pfahl gebunden (ad palum deligare), Liv. VIII 7. XXVI 15. Cic. Verr. V 71. Cass. Dio XLIX 22. Eine Binde um die Augen (ursprünglich wohl Hauptverhüllung?) ist erwähnt in den Act. proc. Cypr. (s. o.) und anderwärts in Märtyreracten und Bildern, s. Le Blant Rev. archéol. 1889, 152–154. Mehrheit der Schläge, Fehlschlagen (mit Beil) Cic. Verr. V 118. Joseph. ant. Iud. XIX 271. [2289]

Litteratur: P. Daude De capitis poenis iure Iustinianeo 66ff. E. Brunnenmeister Tötungsverbrechen im altröm. Recht 168. 169. Mommsen Gesch. d. Todesstrafe im röm. R., Cosmopolis I (1896). A. Pernice Ztschr. d. Savigny-Stiftg. rom. Abt. XVII (1896) 211. 212.

[Hitzig. ]