Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Miterbe
Band IV,1 (1900) S. 230231
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Coheres, der Miterbe, ist der neben einem oder mehreren andern mit einem Bruchteile der Erbschaft Bedachte, s. Heres. Die Klage, die zur Auseinandersetzung unter mehreren coheredes dient, heisst actio familiae erciscundae, s. Familia. Karlowa R. Rechtsg. II 913. Zur Bezeichnung der Anteile, die den verschiedenen Miterben am Nachlasse zukommen, der Erbquoten, verwendeten die Römer (ebenso, wie bei der Bezeichnung des Zinssatzes, s. Usurae) dieselben Ausdrücke, welche die Bruchteile des as benannten, Heres ex asse war hiernach der Alleinerbe, heres ex semisse der Miterbe zur Hälfte u. s. w. Inst. II 14, 5: Hereditas plerumque dividitur in duodecim uncias, quae assis appellatione continentur. habent autem et hae partes propria nomina ab uncia usque ad assem, ut puta haec: sextans, quadrans, triens, quincunx, semis, septunx, bes, dodrans, dextans, deunx, as. Hierbei konnte der Testator die Bedeutung des Wortes uncia dadurch umgestalten, dass er weniger als zwölf unciae verteilte. Der unverteilte Rest fiel dann im Verhältnisse zu den verteilten Quoten an die genannten Erben; durch eine verhältnismässige Vergrösserung der unciae wurde also der Nachlass erschöpft. Es hing dies damit zusammen, dass der unverteilte Rest nicht an die gesetzlichen Erben fallen durfte, sondern den Eingesetzten zu ihrem Teile hinzugelegt wurde, nach der Regel: nemo pro parte testatus pro parte intestatus decedere potest, d. h. niemand kann durch seinen Tod sein Vermögen zugleich an Testamentserben und an gesetzliche Erben bringen, nur die ersteren erhalten den Nachlass, Inst. a. a. O. Dieses Verbot, einen Teil des Nachlasses den gesetzlichen Erben zuzuwenden, deren Person erst bei dem Tode und nicht schon bei der Errichtung des letzten Willens feststeht, mag mit dem erst von Iustinian beseitigten Verbote, personae incertae einzusetzen (Gai. II 238. Ulp. XXII 4. Inst. II 20, 25), zusammengehangen haben und für die Rechtssicherheit bei der Nachlassteilung, sowie für eine gründliche Erwägung der Testamentserrichtungspläne förderlich gewesen sein. Im übrigen herrscht über die Bedeutung dieses Satzes viel Streit; vgl. d. Litteratur bei Windscheid Pandekten⁷ III 23 § 537, 2, insbesondere v. Jhering Geist d. r. R.⁴ III 149ff. Hölder Beiträge zur Gesch. d. röm. Erbrechts 1881, 151ff. und neuerdings Carpentier in der Nouvelle revue historique X 1886 nr. 11, 449ff., bes. 470. Dernburg Pand.⁵ 103 § 57. Karlowa Röm. Rechtsgesch. II 844. Scialoja Bulletino dell’ istituto di diritto romano III 176. 177 und Bonfante ebd. IV 97ff. Aus der erwähnten Regel ergab sich auch das Anwachsungsrecht, das Recht der Miterben auf eine verhältnismässige Vergrösserung ihrer Anteile, falls einer oder mehrere von ihnen vor dem Erwerbe der Portion wegfallen, s. Adcrescendi ius. Dies Recht beruht jedoch nicht blos auf der vorher erörterten Regel, da es nicht nur für Testamentserben gilt, sondern auch bei gesetzlichen Erben. Es gewährt insbesondere den Nachlassgläubigern [231] einen sofortigen Ersatz für den Wegfall eines ihrer Mitschuldner. Hofmann (Krit. Studien 93) bemerkt treffend: ,Die Accrescenz ist nur der juristische Ausdruck für den höchst einfachen Gedanken, dass der Nachlass ganz verteilt werden müsse‘.

Litteratur. S. Adcrescendi ius und dazu Franz Hofmann Kritische Studien im röm. Recht 1885 III: Über den Grund des Anwachsungsrechts unter Miterben S. 57ff. 179ff. Karlowa Röm. Rechtsgeschichte II 138. 867. 913. Leonhard Institutionen III 341ff. § 103, III.