Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Turrinus Rhetor aus der Zeit des Augustus
Band IV,1 (1900) S. 103104
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59) Clodius Turrinus, Rhetor aus der Zeit des Augustus (Sen. contr. X 3, 12), gebürtig aus Spanien, von vornehmer Herkunft, patre splendidissimo, avo divi Iuli hospite (Sen. contr. praef. X 16). Als in den Stürmen der Bürgerkriege die Familie ihr Vermögen und Ansehen verloren hatte, gelang es C. vermöge seiner Beredsamkeit, den alten Ruf des Hauses wiederherzustellen und sich die geachtetste Stellung in der ganzen Provinz zu erringen. Mit ihm und seinem Sohne unterhielt der Rhetor Seneca, der bekanntlich auch Spanier von Geburt war, die engsten Beziehungen; des C. Sohn nennt er geradezu seinen Sohn, dieser seinerseits war mit Senecas Söhnen fraterno amore coniunctus (a. O. 16. 14). In Rom hörte C. nach 43 den Rhetor Apollodoros von Pergamon (s. Bd. I S. 2887f.). Eingeengt in die Schranken des apollodoreischen Systems, verlor er viel von seiner natürlichen Kraft; gleichwohl waren seine sententiae nach dem Urteile Senecas (a. O. 15), das die überlieferten Proben bestätigen, excitatae, insidiosae, aliquid petentes. Auf die actio als Mittel, colores prima facie duros, asperos probabel zu machen, verliess er sich im Gegensatze zu seinem Landsmanne Latro, mit dem er deshalb [104] oft in Streit geriet, nie; sagte dieser multa se non persuadere iudici, sed auferre, so stellte es C. als Norm für seine Reden auf nihil probare nisi tutum; non quia imbecillus erat, fügt Seneca a. O. 16 hinzu, sed quia circumspectus. Bedächtigkeit und Gründlichkeit waren die Haupteigentümlichkeiten seiner Rede: causas nemo diligentius proposuit, nemo respondit paratius, und von seinem Sohne heisst es: habet in dicendo paternam diligentiam, qua vires ingenii sui ex industria retundit. Auch dieser war ein sehr befähigter Redner, der es leicht zum Höchsten hätte bringen können, wenn er sich nicht mangels höheren Strebens mit bescheidenen Erfolgen begnügt hätte (a. O. 14. 16). Einige Proben aus Schulreden des Vaters C. hat uns Seneca im X. Buche seiner Controversiae überliefert (s. die Indices bei Kiessling 537. Müller 598), darunter die längste contr. X 2, 5f. In der Diction ist trotz Apollodoros der Einfluss des Asianismus unverkennbar.