Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Athen. Feldherr im 4. Jh. v. Chr.
Band III,2 (1899) S. 21252128
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3) Athenischer Feldherr, Sohn des Theochares aus dem Demos Angele. Das Patronymikon Θεοχάρης ist uns bezeugt durch CIA II 1240, auch durch Plut. an seni gerenda sit resp. 8, wonach Κλεοχάρης bei Steph. Byz. s. Ἀγγελή zu emendieren ist; der Demos Ἀγγελή ist uns überliefert ausser durch Steph. Byz. a. O. durch CIA II 1240 und IV 2, 802 b 19; vgl. IV 2, 64, wo Χά[ρης Ἀγγελ(ῆθεν)] zu ergänzen ist. Strateg im J. 367/6, bringt er Anfang des J. 366 den von Argos und Sikyon bedrängten Phliasiern erfolgreiche Hülfe, Xen. hell. VII 2, 18-23. Diod. XV 75, 3. Schäfer[WS 1] Dem. I² 104, wird, nachdem Oropos den Athenern entrissen war, zurückgerufen, Xen. hell. VII 4, 1, geht aber auf Grund des bald darauf zwischen den Athenern und Arkadern geschlossenen Bündnisses wieder in den Peloponnes, Xen. hell. VII 4, 4-6. Schäfer I² 112. Strateg im J. 361/0, wird er wahrscheinlich Sommer 361 nach Kerkyra entsandt, welche Insel er durch seine wenig versöhnliche Haltung dem athenischen Einfluss zu entfremden weiss, Diod. XV 95, 3. Aen. Tact. XI 7. Schäfer I² 151. 152. Frühjahr 360 steht er zusammen mit den athenischen Feldherren Charidemos (s. d. Nr. 5) und Phokion, welche auf Beisteuern von Lesbos angewiesen werden, dem vom Perserkönig nach Diod. XV 91 im J. 362/1 abgefallenen Orontes bei, wie das Bergk[WS 2] Rh. Mus. XXXVII 357 aus CIA II 108 frg. 6 zu erweisen gesucht hat; vgl. Schäfer I² 155. 156, 1. Im J. 357/6 wird er unter den Strategen erwähnt, welche Sommer 357 das mit den Karystiern abgeschlossene Bündnis beschwören, CIA IV 2, 64. Diod. XVI 7, 2. Dittenberger[WS 3] Syll. 86 N. 15. Schäfer I² 162, 2. Mit einem von ihm gesammelten Söldnerheer geht er darauf als στρατηγὸς αὐτοκράτωρ in den Chersones, dessen Abtretung er von Kersobleptes erlangt, Dem. XXIII 173. 178. Schäfer I² 164. Wahrscheinlich hat Ch. nach der bald hierauf erfolgten Eroberung von Amphipolis durch Philipp den Befehl erhalten, gegen diesen zu Felde zu ziehen, Nep. Timoth. 3, 1; vgl. Aesch. II 70. Hypoth. Isokr. VIII. Schäfer I² 164, 4, ist aber durch den Ausbruch des Bundesgenossenkrieges daran verhindert worden. Er kämpft unglücklich bei Chios Herbst 357, Diod. XVI 7, 3. Im J. 356/5 wieder Strateg, wird er in dem am 11. Hekatombaion abgeschlossenen Bündnisvertrage der Athener mit den Fürsten der Thraker, Illyrier, Paioner genannt, CIA II add. 66 b; vgl. Diod. XVI 22, 3. Dittenberger Syll. 89 N. 9. Vereinigt mit den Strategen Iphikrates, Menestheus, Timotheos entsetzt er das belagerte Samos, Diod. XVI 21. Nep. Timoth. 3, 3. Schäfer I² 170, 1. Ende des Sommers 356 beginnt er trotz der Weigerung der [2126] anderen Feldherren, sich in eine Schlacht einlassen zu wollen, bei Embata eigenmächtig den Kampf mit der feindlichen Flotte, Polyaen. III 9, 29; vgl. Judeich Kleinasiat. Stud. 290, 1, wird geschlagen und macht seine Mitfeldherren für die Niederlage verantwortlich, welche denn auch von der athenischen Bürgerschaft ihres Commandos entsetzt werden, Diod. XVI 21, 4. Ch., der jetzt allein den Oberbefehl führt, verbindet sich, um zum Sold für seine Truppen zu kommen, mit dem vom Perserkönig abgefallenen Satrapen Artabazos Ende des J. 356, Diod. XVI 22, 1. Dem. IV 24, und besiegt die königlichen Truppen in einer Schlacht, die er in seiner Siegesbotschaft der marathonischen an die Seite stellt, Schol. Dem. IV 19. Plut. Arat. 16. Für seine Mannschaft erhält er von Artabazos reichlichen Lohn, nach Athen sendet er aus der gemachten Beute zur Speisung der Bürgerschaft eine Anzahl Rinder; gelohnt wird ihm von Athen aus mit einem goldenen Ehrenkranz, Diod. XVI 22, 1. Schol. Dem. III 31. Schäfer I² 171. Um diese Zeit erobert er Lampsakos und Sigieion, Schol. Dem. III 31; an letzterem Ort pflegte er Wohnung zu nehmen, wofern er nicht durch kriegerische Operationen beschäftigt war, Theopomp. bei Athen. XII 532 b. Arrian. I 12, 1. Nep. Chabr. 3, 4; vgl. Dem. II 28. XXIII 139. Schäfer II² 54. Judeich a. O. 211, 1. Auf eine wegen des Vorgehens des Ch. vom Perserkönig nach Athen gerichtete Beschwerde und auf die verlautbarte Drohung, der König wolle die von Athen abgefallenen Bundesgenossen mit 300 Schiffen unterstützen, wird der Bundesgenossenkrieg beendigt im J. 355, Diod. XVI 22, 2, worauf sich Ch. von Artabazos getrennt haben wird, Diod. XVI 34, 1. Erst im J. 354 unter dem Archon Diotimos (Dionys. Halic. Din. 13 p. 668, 2) finden wir Ch. wieder in Athen, wo er gemeinschaftlich mit Aristophon von Azenia seine Mitfeldherren Timotheos, Iphikrates, Menestheus mit einer Meldeklage belangt, Polyaen. III 9, 29. Über die Zeit des Processes vgl. Schäfer I² 174, 4. Judeich a. O. 291 Anm., wo die bestimmte Datierung des Dionysios in Schutz genommen wird gegen den Ansatz Belochs Att. Polit. 364, der den Process im J. 356 oder 355 verhandelt sein lässt. In ebendemselben Jahre des Archonten Diotimos (354/3) Strateg, führt er eine Zeit lang auf eigene Faust Krieg, so dass die Athener über seinen Aufenthaltsort keinerlei Kunde haben. Aesch. II 73. Anfang 353 besiegt er ein makedonisches Söldnerheer unter Adaios in Thrakien, Theopomp. bei Athen. XII 532 d; vgl. ebd. 532 e. Herakleides = Kock[WS 4] CAF II 435. Antiphan. frg. 303, Kock II 130. Dagegen entkommt das makedonische Geschwader einer unter des Ch. Commando bei Neapolis liegenden athenischen Flotte, Polyaen. IV 2, 22. Schäfer I² 443. Zur Feier seines Sieges über die Söldner veranstaltet Ch. einen Opferschmaus auf dem Markte von Athen vermittels aus dem delphischen Tempelschatze stammenden Talenten, Theopomp. a. O. Feldherr im J. 353/2 , erobert er Sestos, Diod. XVI 34, 3, wohin athenische Kleruchen entsandt werden, Diod. XVI 34, 4; vgl. CIA II 795 f 103-119. 120-145 mit Köhlers Bemerkungen. Auf der Rückfahrt vom Hellespont nach Athen nimmt er an der thessalischen Küste phokische [2127] Flüchtlinge aus dem Heere des Onomarchos an Bord der athenischen Schiffe im J. 352, Diod. XVI 35, 5. Schäfer I² 445. Um diese Zeit etwa leistet er eine Trierarchie, wovon uns CIA IV 2, 802 b 19 Kunde giebt. Strateg im J. 349/8, wird er im J. 349 (ἐπὶ Καλλιμάχου ἄρχοντος, Philoch. frg. 132, FHG I 405. Dion. Hal. ad Ammae. I 10 p. 736, 11) den Olynthiern zu Hülfe gesandt. Über seine Unternehmungen vor Olynth ist nichts bekannt. Nach Athen zurückgekehrt Ende des J. 349, wird er von Kephisodotos angeklagt, Aristot. Rhet. III 10 p. 1411 a 5; vgl. Dion. Hal. a. O. p. 734, 4ff. Schäfer II² 139. 143, 2. B. 156. 5. Anfang 348 geht Ch. auf Grund fortwährender Mahnungen des Demosthenes mit einem Bürgerheer nach Olynth, Philoch. frg. 132, FHG I 406. Schäfer I² 142. 151. Als er infolge des herrschenden Unwetters später als beabsichtigt in Olynth anlangt, findet er die Stadt durch Philipp erobert Anfang 348/7 (ἄρχων Θεόφιλος, Dion. Hal. a. O. 736, 14. Suid. s. Κάρανος). Schol. Aristid. Panath. p. 179, 9 (III 299 Ddf.). Schäfer II² 152, 3. 157, 3. Ch. muss somit auch im J. 348/7 Strateg gewesen sein. Strateg im J. 347/6, weilt er an der thrakischen Küste, Aesch. II 90-92. Dem. IX 15. Polyaen. III 13, 2. Schäfer II² 178, 3. 179, 2. Er erringt einen choregischen Sieg unter dem Archon Lykiskos (344/3), CIA II 1240. Strateg im J. 343/2, befindet er sich bei Thasos, Schol. Dem. VII 15; vgl. Dem. LVIII 38. Schäfer II² 450, 4. III² 444. Auf dem thrakischen Chersones operiert er als Strateg des J. 341/0, CIA II 116; vgl. Dittenberger Syll. 107 N. 4. Als Feldherr dieses Jahres wird er auch in den Seeurkunden CIA II 808 c 82. 809 d 220 genannt, Schäfer II² 450, 4. 451, 2. Damals etwa wird Ch. Methymna unter dem Tyrannen Aristonikos belagert haben, Polyaen. V 44, 3, sofern hier Ἀριστώνυμος der Hss. in Ἀριστόνικος zu ändern ist, Schäfer III² 171, 1. Als Feldherr des J. 340/39, wird er den von Philipp bedrängten Byzantiern zu Hülfe gesandt im Spätherbst 340, Plut. Phoc. 14; reg. et imp. apophtheg. Phoc. 8 p. 188 b. Hesych. Miles. orig. Constantinop. 28. FHG IV 151. Porphyr. Tyr. 1 = FHG III 692. Schäfer II² 508, 1. 4. 509, 2. 514 Anm. Vor Byzantion stirbt und findet ihr Grab seine Gemahlin Damalis, die ihn begleitet hatte, Hesych. Miles 29. 30 = FHG IV 151. 152. Schäfer II² 509, 4. Feldherr im J. 339/8 steht er Frühjahr 338 bei Amphissa an der Spitze des Söldnerheeres, das von Philipp geschlagen wird, Polyaen. IV 2, 8; vgl. Aesch. III 146. Schäfer II² 557. 4. 5. Auch im J. 338/7 Feldherr, befehligt er am 7. Metegeitnion, (Plut. Cam. 19) die Athener bei Chaironeia, Diod. XVI 85, 2. [Plut.] de nobilit. 2. Stob. LIV 47. Schäfer II² 564, 1. Nach der Eroberung Thebens im J. 335 wird er unter denen genannt, deren Auslieferung Alexander verlangt, Arrian. anab. I 10, 4. Suid. s. Ἀντίπατρος. Nachdem er Athen verlassen, begiebt er sich nach Sigeion und begrüsst von dort aus im J. 333 bei Ilion Alexander, dem er einen goldenen Kranz überreicht, Arrian. a. O. I 12, 1. Schäfer III² 183. Droysen[WS 5] Hellenism. I 1, 187. Im J. 332 stellt er sich in den Dienst des Grosskönigs und übernimmt den Oberbefehl über 2000 Perser in Mytilene. Beim Herannahen der makedonischen [2128] Flotte capituliert er unter der Bedingung freien Abzuges und begiebt sich nach Imbros, Curt. IV 5, 22. Arrian. III 2, 6. Schäfer III² 183, 2. Droysen I 1, 315. Schliesslich hören wir von ihm, dass er in Tainaron, dem grossen Söldnermarkte, sich befindet, Vit. X orat. Hyperid. p. 848 e. Schäfer III² 183. Droysen I 1, 315; das geschah jedenfalls vor dem J. 324/3, sofern er in diesem Jahr in Dem. epist. III 31 (über dessen Echtheit vgl. Blass[WS 6] Att. Bereds. III² 1, 440) als tot erwähnt wird, Schäfer III² 307, 4. Über eine Anklage des Ch. durch Eubulos in nicht näher betimmbarer Zeit berichtet uns Aristot. Rhet. I 15 p. 1376 a 10. Schäfer I² 196, 4. Über seine vielfachen Processe vgl. Aesch. II 71. Von seiner Familie ist uns nichts bekannt; wahrscheinlich war er ein Homo novus, Köhler Athen. Mitt. II 189. Ch. war von kräftigem Körperbau und gewaltiger Leibesstärke, Plut. an seni gerenda sit resp. 8; vgl. Isokr. XV 116. Persönlich tapfer, hatte er einen mit Narben bedeckten Körper, Plut. Pelop. 2. Prahlerisch und ruhmredig, Aesch. II 70ff. Plut. reg. et imperat. apophtheg. Timoth. 2. 3, machte er leichtsinnig Versprechungen, die er nicht halten konnte; daher sprichwörtlich αἱ Χάρητος ὑποσχέσεις, Zenob. II 13 und öfter bei den Paroemiographen. Dem Wohlleben und den Ausschweifungen war er ergeben, daher bei den Athenern beliebt, Theopomp. bei Athen. XII 532 b. c. Nep. Chabr. 3, 4. Wenn ihm wegen der Plackereien der Bundesgenossen im Interesse des Unterhalts seiner Söldner Vorwürfe gemacht werden, Plut. Phoc. 14, so liegt die Schuld weniger an ihm als an der mangelhaften Leitung der Geschäfte in Athen selbst, Dem. XIX 332; Demosthenes wird an letztgenannter Stelle seinen Verdiensten gerecht und nimmt ihn gegen die gegen ihn erhobenen Anfeindungen in Schutz.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Arnold Dietrich Schaefer
  2. Theodor Bergk
  3. Wilhelm Dittenberger
  4. Theodor Kock
  5. Johann Gustav Droysen
  6. Friedrich Blass