Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Gebäude auf d. Akropolis v. Athen
Band III,2 (1899) S. 20972098
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Chalkotheke (χαλκοθήκη), ein besonderes Gebäude (οἴκημα) auf der Akropolis von Athen (CIA II 61 Z. 13. 12), das nur auf Inschriften des 4. Jhdts. v. Chr. erwähnt wird (CIA II 61. 720 B. 721 B. 722 B; dass die erste Erwähnung in die Zeit des Perikles falle, ist eine irrige Angabe bei Curtius Stadtgesch. v. Athen 153). Es war für gewöhnlich verschlossen (CIA II 61 Z. 13. Lycurg. frg. 102) und hatte einen ὀπισθόδομος (CIA II 720 B I Z. 32. 721 B II Z. 19. 22f. [hier zwar von Dörpfeld Athen. Mitt. XIV 309, 1 angezweifelt, aber durch 720 geschützt]). Ob die Stoa, die CIA II 720 B II Z. 11 u. 19 (στοὰ μακρά) erwähnt wird, zu ihm gehört, könnte an sich wegen der Beschaffenheit der hier aufbewahrten Gegenstände (Kleider, Wolle u. dgl.) zweifelhaft sein; doch scheinen diese Sachen erst infolge eines besonderen Psephisma des Hegemon (CIA II 720 B II Z. 8) nachträglich aus einer andern Stoa hieher übersiedelt worden zu sein. Jedenfalls folgt aus der Bezeichnung CIA II 61 Z. 35f. ἐν τῇ χαλκοθήκῃ αὐτῇ, dass ein Neben- oder Vorraum (oder eine Vorhalle) dagewesen sein muss. Inventare (vielfach auf den Übergabeurkunden der Schatzmeister der Burggöttin mitverzeichnet) finden sich seit ca. 370 (CIA II 678 B) bis zum Ende des 4. Jhdts. nicht ganz wenige: CIA II 689. IV pars II 700 b. II 715. 716. IV pars II 716 b und c. II 720 B. 721 B. 728 B. 729 B (Add. p. 508). 729 b B. 733 B. 734 B. 736 B. Danach muss die Ch. ein ziemlich stattliches Gebäude gewesen sein. Denn es enthielt erstens als ,Dependenz des Parthenon‘ alle möglichen ehernen Geräte, die Eigentum der Göttin waren (wie für Apollon denselben Zwecken die χαλκοθήκη in Delos diente), z. B. Gefässe zum Wassersieden, Schöpfkellen, Fleischzangen, Bratspiesse, Trinkschalen u. s. w. Zweitens war es das Zeughaus für die dem Staate gehörigen Schilde (z. B. werden CIA II 678 B Z. 65 verzeichnet 1500 ἀσπίδες Λακωνικαί), Panzer, Lanzen, Beinschienen und andere Waffen, selbst Katapulte und Wurfgeschosse. Drittens wurde es (seit Ol. 112, 3 = 330 v. Chr.) auch als Reservearsenal für das hängende Geräte der hundert zurückgestellten Trieren (τριήρεις ἐξαίρετοι) benutzt (CIA II 721 B Z. 21ff. 807. 808. 809; vgl. Wachsmuth Stadt Athen II 91ff.). Diesem gemischten Charakter der Magazine entsprechend wurde die Neuinventarisierung, die 358 oder 354 stattfand (das betreffende Psephisma steht CIA II 61), unter dem Vorsitz der Prytanen und der Assistenz sowohl der Schatzmeister der Göttin als der Militärbehörden vorgenommen.

Hienach ist unzweifelhaft die Ch. identisch mit dem armentarium, aus dem die Waffen fortzuschaffen Lykurgos (frg. 102 bei Rutilius Rupus I 7) einmal (Ol. 109, 4 = 341/40 v. Chr., vgl. Böhnecke Forsch. I 459f.) die Jugend verhinderte. Und die dreihundert in der Schlacht am Granikos erbeuteten persischen Schilde (Plut. Alex. 16) oder gar Panoplien (Arrian. anab. II 16, 7), die Alexander nach Athen als Weihegabe für die Ἀθηνᾶ ἐν πόλει sandte, müssen ebensowohl hier aufbewahrt worden sein, als die Waffen und 50 000 [2098] Geschosse, die bei den von ihm geleiteten Kriegsrüstungen Ol. 109 3/4 (342–40 v. Chr.) Lykurgos auf die Burg bringen liess (s. Psephisma des Stratokles bei Ps.-Plutarch. vit. X orat. p. 852 B. Paus. I 29, 16), wie auch die Waffen, Geschosse und Kriegsmaschinen, die Demochares bei der durch Kassandros drohenden Belagerung der Stadt zusammenbrachte (c. 306; s. Droysen Gesch. d. Hellen.² II 2, 179. Ps.-Plut. vit. X orat. p. 851 D. CIA II 250; und die Inventare CIA II 733 B. 734 B).

Nichts zu thun hat dagegen die Ch. mit der ὁπλοθήκη, wie als Gebäude vielmehr (uncorrecter Weise) die Philonische Skeuothek öfters genannt wird (vgl. Wachsmuth Stadt Athen II 78).

Gesucht hat man die Ch., die Kirchhoff noch für einen Teil des Parthenon hielt, an drei verschiedenen Stellen der Burg. Zuerst in dem Gebäude in der äussersten Südostecke (so schon Ulrichs Plan der Akropolis, Abh. Akad. Münch. III 3 zu S. 677; Taf. I 2 bei 27; dann Koehler Arch. Anz. 1864, 299. Pervanoglu Bull. d. Inst. 1864, 84. 1866, 132; es ist das Gebäude, das auf Taf. V bei Curtius Stadtgesch. mit nr. 21 bezeichnet ist). Dann bei Beginn der jüngsten Aufräumung der Burg in dem damals am Nordrand nahe der westlichen Ecke zum Vorschein gekommenen grösseren Bau, der durch eine von Nord nach Süd laufende Mauer in zwei Abteilungen zerfällt und dem nach Süden eine Halle vorgelegt ist (nr. 37 auf Curtius Plan; so Lolling in Müllers Handb. III 343f. Penrose Journ. of Hell. Stud. VIII 270). Für diese Annahme spricht, dass die Reste der Inventarisationsurkunde von 354, die ἔμπροσθεν τῆς χαλκοθήκης (CIA II 61 Z. 19) aufgestellt war, zwischen Propylaeen und Erechtheion gefunden sind; aber die hier hervorgezogenen Bronzen (die man gleichfalls zu Gunsten der Annahme anführt) stammen nicht aus dem Bau selbst, sondern aus der unter ihm gelegenen Cisterne; und insbesondere ist das Gebäude (17 ✕ 18½ m.) kaum geräumig genug. So hat die meiste Wahrscheinlichkeit, dass der im Winter 1888/9 blossgelegte viermal grössere Bau mit Halle gleich westlich des Parthenon am Südrande der Burg (nr. 15 auf Curtius Plan) die Ch. war, was Dörpfeld Ath. Mitt. XIV 306ff. vertreten hat; auch die Zeit stimmt, da diese Anlage nach dem Parthenon, aber spätestens Anfang des 4. Jhdts. errichtet sein muss.

Litteratur: Kirchhoff Philol. XV 202ff. (bei Behandlung der Inschr. CIA II 61). Böhnecke Demosth., Lykurg, u. Hyper. II 306. Michaelis Parthenon 306f. 365 (zu S. 293)f. Lolling a. a. O. Dörpfeld a. a. O. mit Plan des Gebäudes auf S. 307.