Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Jagdnetz
Band III,2 (1899) S. 16761677
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2) Ein Jagdnetz, in welchem die gehetzten Tiere sich verstrickten, so dass sie, in ihrer Bewegung gehindert, leicht gefangen oder getötet werden konnten. Ursprünglich scheint das Wort das Spinngewebe bezeichnet zu haben (Verg. g. IV 247. Mart. III 93, 5. Arnob. VI 16. Cael. Aurel. m. chron. I 62. Corp. gloss. l. IV 214, 14. 316, 49). Vielleicht liegt ihm die indog. Wurzel qēt- = bergen zu Grunde (A. Vaniček Etymol. Wörterb. d. lat. Spr.² 46). Es wird neben rete und plaga als eine dritte Art der Jagdnetze genannt (Nemesian. 299. Isid. orig. XIX 5; vgl. Prop. V 2, 33. Verg. g. III 371. Ovid. met. V 579; a. a. II 2). Nach Grattius (cyn. 29) sollte der C. in seiner Mitte Buchtungen, sinus, haben, von welchen jede ein Tier fassen konnte, 40 passus = 59,2 m. lang und 10 Maschen hoch sein. Gefangen wurden darin u. a. Eber (Tib. IV 3, 17. Ovid. a. a. I 392. Sen. Agam. 851), Gemsböcke (Mart. III 58, 28) und Hasen (Corp. gloss. lat. IV 27, 41). Auch wurde das Wort bildlich für die Liebesumgarnung gebraucht (Tib. I 6, 5. Ovid. a. a. III 554. Pers. sat. V 170). Dem C. entspricht im Griechischen die ἄρκυς (Plat. leg. VII 824 A. B. Hesych. Bekk. anecd. gr. I 445, 24. Eustath. Od. 1535, 17). Nämlich Pollux (V 27) sagt dass die ἄρκυς kleiner sei als die in ebenem Gelände gebrauchten δίκτυα und die auf den Wechseln (Wegen) des Wildes aufgestellten ἐνόδια und die Gestalt des spitz auslaufenden Haarnetzes der Frauen, κεκρύφαλος, hätte. Mehr erfahren wir von Xenophon in seinem Cynegeticus. Die ἄρκυς mussten von phasianischem (kolchischem) oder karthagischem Lein, neunfädig und aus drei Litzen gedreht (a. O. 2, 4; vgl. Poll. a. O. 26. 27) und fünf Spannen = 1,11 m. hoch, die Maschen zwei Handbreiten = 148 mm. weit sein (2, 4). Die Stützen, σχαλίδες (lat. varae bei Lucan. IV 439) sollten zehn Handbreiten = 740 mm. hoch sein, doch auch niedriger, damit in unebenem Gelände die Netze in gleicher Höhe gehalten werden konnten, ihre Spitzen mussten glatt sein und das Netz leicht von ihnen abgleiten können (ebd. 7), offenbar damit das Netz leicht auf das eingedrungene Tier herabfallen und dieses umstricken konnte. Das Netz wurde von einem Netzwächter, ἀρκυωρός, gestellt. Bei der Hasenjagd sollte er es an den Gängen, an unebenen, ansteigenden, hohlen und schattigen Stellen, an Flüssen und Gebirgsbächen, weil der Hase sich solche Stellen zur Flucht aussuche, bei Tagesanbruch aufstellen (6, 5). Die Stützen sollte er nach hinten (d. h. dem zu erwartenden Hasen entgegen) geneigt aufstellen, damit sie, wenn sie (von dem Hasen) angezogen würden, ihre Spannung behielten; das Netz sollte er über ihre Spitzen gleichmässig spannen, indem er den Bauch desselben, κεκρύφαλος, nach der Mitte zu hob; in die Leine (d. h. das Seil, welches durch die obersten Maschen lief) sollte er [1677] (wohl statt sie am Erdboden zu befestigen) einen langen und grossen Stein knüpfen, damit das Netz, wenn sich der Hase darin verfangen habe, nicht Widerstand leiste (ebd. 7. 8). Nach der Aufstellung sollte er auf die andere (d. h. dem zu erwartenden Hasen zugekehrte) Seite des Netzes treten (ebd. 10). Nachdem der Jäger, mit einer Keule bewaffnet, und die Hunde den Hasen auf das Netz zu gescheucht hatten (ebd. 17), sollte auch der Netzwächter sich an der Verfolgung beteiligen und, sobald der Hase ins Netz geraten war, dies dem Jäger durch Zuruf kundgeben (ebd. 10. 24). Im Netz wurde der Hase vom Jäger erschlagen (ebd. 25), oder man überliess ihn jungen Hunden zum Zerreissen (7, 9). Bei der Jagd auf Wildschweine war die ἄρκυς von demselben Lein wie vorher angegeben, 45fädig, indem jede Schnur aus drei Litzen zu fünfzehn einfachen Fäden bestand, und zehn Maschen hoch, jede Masche aber eine Pygon = 370 mm. weit, die Leinen (d. h. die durch die obersten und untersten Maschen gehenden Stricke) doppelt so dick als bei den für die Hasenjagd benutzten Netzen; durch die obersten Maschen gingen fünfzehn Ringe (10, 2). Das Netz wurde an den Wechseln aufgestellt und durch Gabelhölzer unterstützt; doch bildete man dabei einen vorspringenden Bauch, κόλπος, indem man durch beiderseitige Streben den einzelnen Teilen die richtige Lage gab, damit in diesen Bauch durch die Maschen das Licht möglichst ungehindert eindringen und das Innere dem anstürmenden Tiere möglichst hell erscheinen konnte; die (obere) Leine wurde noch an einem starken Baume befestigt; die Umgebung musste durch Reisig verschlossen werden (ebd. 7). Das bis an das Netz gehetzte Schwein wurde von den Hunden angefallen und von den hinter ihm stehenden Jägern mit Wurfspiessen und Steinen beworfen, bis es weiter vordringend die Netzleine anzog. Dann musste der beste Jäger um das Netz herumgehen und das Schwein von vorne mit dem Fangeisen abfangen (ebd. 10). Ein an diese ἄρκυς erinnerndes Netz finden wir auf einer in Capua gefundenen und aus dem Kreise des Nikosthenes hervorgegangenen thönernen Schale mit schwarzen Figuren auf weissem Grunde (G. Löschcke Arch. Ztg. XXXIX 1881, 33f. Taf. V 1). Hier ist auf einem der concentrischen Kreisstreifen eine Hasenjagd dargestellt. Hinter der convexen Seite eines schmalen, bogenförmig gespannten, aufrecht stehenden Netzes befindet sich ein Jäger, welcher in der Rechten einen Knüttel, λαγώβολον, hält; der concaven Seite des Netzes nähert sich ein von Hunden gehetzter Hase. In den ἄρκυς wurden Löwen (Opp. cyn. IV 121. Etym. M. 144, 10. Suid.), Bären (Opp. ebd. 381. Etym. M. ebd.) und Hirsche (Etym. M. ebd.) gefangen. Bei den Tragikern bezeichnete das Wort ein Todeswerkzeug in übertragenem Sinne (Aisch. Ag. 1116; Eum. 147. Eur. Med. 1278; Herc. fur. 729). Neben der Form ἄρκυς fand sich auch ἄρκυον (Hes. s. ἄρκυα); nach Prellwitz (Et. Wörterb. d. gr. Spr., 1892, 32) hängt das Wort etymologisch vielleicht mit ἀραρίσκω und ἀράχνη zusammen.

[Olck. ]