Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Iohannes, Gall. Theologe z. Zt. Augustins
Band III,2 (1899) S. 16681669
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11) Gewöhnlich Iohannes Cassianus genannt, obwohl man den Namen Iohannes ihm erst im Kloster beigelegt zu haben scheint, einer der grossen gallischen Theologen im Zeitalter Augustins. Geboren um 360, nach herkömmlicher Annahme in Skythien (Gennad. de vir. ill. 62: natione Scytha: oder sollte die Variante natus Serta auf einen anderen Urtext schliessen lassen?), höchstwahrscheinlich aber in Gallien, hat er seinem vornehmen Stand entsprechend eine sorgfältige Bildung genossen, ist aber frühe in ein Kloster zu Bethlehem getreten. Von hier reiste er mit seinem Herzensfreunde, dem abbas Germanus um 385 nach Ägypten, dem gelobten Lande des Anachoretentums, wo sie mit vielen Heroen der Askese in Verkehr traten; erst nach sieben Jahren erfüllten die beiden das ihren Seniores zu Bethlehem gegebene Versprechen zurückzukehren. Aber möglichst bald entledigten sie sich hier aller Verpflichtungen und suchten Ägypten aufs neue auf, wo sie einige Jahre, diesmal vorzüglich in der sketischen Wüste, ubi monachorum probatissimi patres et omnis commorabatur perfectio, verweilten; wohl gegen ihre ursprüngliche Absicht haben sie 400, als der Osterbrief des Theophilus von Alexandrien gegen die Anthropomorphiten unangenehme Streitigkeiten unter den Einsiedlern hervorrief, sich zu Chrysostomus nach Constantinopel begeben, wo C. zum Diaconen geweiht wurde. Nach der Absetzung des Chrysostomus begaben sich die Freunde 405 im Auftrage der Kleriker und des Volks von Constantinopel nach Rom, um die Hülfe des Papstes Innocentius I. nachzusuchen (s. dessen epist. VII 1 = Migne Patrolog. lat. XX 501ff. aus Sozom. hist. eccl. VIII 26). C. scheint jetzt nicht wieder nach dem Orient zurückgekehrt zu sein. In Rom dürfte er den Rang eines Presbyters erlangt und sich dann nach seiner Heimat gewandt haben, wo er in Massilia ein Männer- und ein Frauenkloster gründete und bis an seinen Tod (um 435) mit Wort und Schrift daran arbeitete, Gallien für die Ideen und Ideale des ägyptischen Mönchtums zu erobern. Von seiner Correspondenz ist nichts erhalten, eine wohl 430 auf Bitten des Diacons Leo in Rom, des späteren Papstes, verfasste Streitschrift de incarnatione Domini contra Nestorium libri VII hat wenig Einfluss geübt, so wertvoll sie für uns, schon durch ihre Mitteilungen über zeitgenössische und ältere Theologen ist; dagegen [1669] haben eine ganz colossale Verbreitung gefunden — frühe sind auch Auszüge angefertigt und ins Griechische übersetzt worden, s. Phot. Bibl. cod. 197 — die beiden Werke: de institutis coenobiorum et de octo principalium vitiorum remediis l. XII und conlationes (patrum) XXIV, von denen das eine mehr dem exterior ac visibilis monachorum cultus, das zweite, worin er Vorträge bezw. Gespräche der von ihm besuchten ägyptischen Heiligen über die höchsten Geheimnisse des Verkehrs mit Gott wiedergiebt, dem invisibilis interioris hominis habitus gewidmet ist.

Der Plan beider Schriften war vielleicht schon vor 415 auf Veranlassung des Bischofs Castor von Apt entworfen worden, die Ausführung und Veröffentlichung des Vollendeten erfolgte in Absätzen, zuerst l. I—IV der Instituta, dann, durch eine Art von Vorrede eingeleitet, l. V—XII, von den Conlationes erst I—X, die die jüngsten Gespräche enthalten, dann XI—XVII, die zu den ältesten übergehen, zuletzt, die chronologische Reihenfolge wahrend, XVIII—XXIV. Es erklärt sich hieraus, dass die Arbeiten in der Überlieferung zum Teil nur stückweise begegnen. Die Entstehungszeit der einzelnen Abteilungen lässt sich nicht fixieren, das letzte Drittel der Conlationes ist 427 oder 428, das zweite vor 426 herausgegeben worden, während der Ausarbeitung des ersten war Bischof Castor gestorben, der die Instituta noch ganz zu lesen bekommen hatte; da aber sein Todesjahr nicht feststeht, so wenig wie das Jahr seiner Ordination, fehlt ein Terminus a quo für beide Bücher.

Als Schriftsteller zählt C. zu den hervorragendsten nicht blos seines Zeitalters; er beherrscht die Sprache und seinen Stoff, von rhetorischer Künstelei hält er sich ebenso frei wie von vulgärer Plattheit. Seine beiden Hauptbücher sind die vollkommenste und edelste Darstellung der in den Mönchskreisen um 400 vorherrschenden Form der Religion; die semipelagianischen Sätze, die C. zweifellos, besonders in Conl. XIII vertreten hat, und die den Zorn der strengen Augustiner hervorriefen, sind von dieser unabtrennbar. Vgl. Tillemont Mémoires XIV 1732 p. 157–188. 739–742. Wiggers Pragmatische Darstellung des Augustinismus und Pelagianismus II 1833. Al. Hoch Lehre des Ioh. Cass. von Natur und Gnade 1895. C. v. Paucker Die Latinität des Io. Cass. in Romanische Forschungen II 1886. Die beste Ausgabe der Werke C.s von M. Petschenig in Corpus Script. eccles. lat. Vindob. XIII u. XVII 1886–88 (s. dazu über den verschollenen, aber wieder aufgetauchten cod. Sessorianus Wissowa Gött. gel. Anz. 1895, 523).