9) Boëthos von Sidon, Peripatetiker etwa der augusteischen Zeit (bisher in die Zeit Ciceros gesetzt). Er war Schüler (Amm. in cat. 5) des Andronikos von Rhodos (s. d. Nr. 25) und Studiengenosse, nicht Lehrer, Strabons (XVI 757 ᾧ συνεφιλοσοφήσαμεν ἡμεῖς τὰ Ἀριστοτέλεια), der selbst in Rom bei Xenarchos in den Jahren 29–26 hörte (XIV 670); den Xenarchos scheint B. citiert zu haben (Alexander Aphr. de anima 151 Br. Ξέναρχος καὶ Β.), war also wohl auch dessen Schüler. Nach Andronikos Tode scheint er Schulhaupt in Athen geworden zu sein (Amm. Schol. Arist. Org. I 45 W.). Wie dieser erklärte B. mehr philologisch als philosophisch die aristotelischen Schriften, wurde von Aspasios, Alexander Aphrod., Porphyrios, Aeneas Gaz., Dexippos, Themistios, David, Ammonios, Simplikios benutzt, wegen seines Scharfsinnes gerühmt und mit Ehrennamen (ἐλλόγιμος, θαυμάσιος) bedacht. Von seinen Schriften ist nichts erhalten, die Bruchstücke sind noch nicht gesammelt. Am meisten ausgebeutet wurde seine Erklärung der Kategorien; Bemerkungen über Stellen [604] von Aristoteles I. Analytik, Physik, Psychologie und Ethik ist man geneigt auf ebensoviel Commentare zurückzuführen; ob er wie etwa Alexander von Aphrodisias auch selbständige Monographien veröffentlicht hat, ist nicht zu ermitteln. Zu einer selbständigen philosophischen Anschauung hat er es nicht gebracht trotz einzelner Abweichungen von Aristoteles. Platons Beweise für die Unsterblichkeit der Seele scheint er eingehend besprochen und widerlegt zu haben. Auch auf die stoischen Lehren nahm er vielfach Rücksicht, bald sie ablehnend, bald sich an sie anlehnend. Seine Verteidigung der Kategorien ποιεῖν, πάσχειν, ἔχειν (und κεῖσθαι?)) war vermutlich gegen seinen Lehrer Andronikos gerichtet (s. Bd. II S. 1040), von dem abweichend er das Studium des Aristoteles mit der Physik beginnen wollte (David Schol. Arist. 25 b 41). Litteratur: Brandis Abh. Acad. Berl. 1833, 276. Prantl Gesch. d. Logik im Abendl. I 540ff. Zeller Philos. d. Griech. III 1³, 624ff. III 2³, 678 Anm.