Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Schiff der Argonauten
Band II,1 (1895) S. 721723
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Argo (Ἀργώ). 1) Das Schiff, auf welchem Iason und seine Genossen, die Argonauten, das goldene Vliess und Medea heimholten, schon von Hom. Od. XII 69 ποντοπόρος νηὺς Ἀργὼ πᾶσι μέλουσα genannt und dem entsprechend auch später vielbesungen. Den Bau der A. leiteten Iasons alte Schutzgöttin Hera und insbesondere Athena (z. B. Apoll. Rhod. I 18. 111. 226 nebst Schol. 551. 721. II 1187f.). Als Erbauer wird neben Iason gewöhnlich Argos genannt, der Sohn des Phrixos (Pherekyd. frg. 61. Apollod. I 9, 16, 6) oder der auch sonst durch seine Schnitzkunst berühmte Eponymos des peloponnesischen Argos (Sohn des Arestor, Apoll. Rhod. I 19. 111. 226. 325. II 1188, des Zeus Schol. Apoll. Rhod. p. 535, 28 Keil, des Polybos oder Danaos Hygin. fab. 14; seine Tracht, das Stierfell, gleicht der des Argos Panoptes, Preller-Robert Griech. Mythol. I 396, 1) oder ein gleichnamiger Held aus Thespiai (Val. Flacc. I 93. 124. 477). Orpheus Argon. 238. 267. Phaedr. fab. IV 7, 9. Myth. Vat. I 24. II 135 u. a. äussern sich über die Heimat dieses Argos nicht näher. Nach Possis bei Athen. VII 296 d war dagegen Glaukos, nach Ptol. Heph. 2 p. 185 Westerm. war Herakles der Erbauer. Das Holz war auf dem Pelion (nur nach Ptol. Heph. a. a. O. auf dem Ossa) gefällt, weshalb die A. auch das Beiwort Πηλιάς führt (Herod. IV 179. Eurip. Med. 3. Apoll. Rhod. I 386. 525. II 1188. Diod. IV 41, 1. Catull. LXIV 1. Prop. IV 22, 12. Ovid. amor. II 11, 2; Heroid. XII 8. Val. Flacc. I 2. 95 u. a.). Nach Alexand. Polyhistor (Plin. XIII 119) hatte man eine besondere Holzart gewählt, der weder Wasser noch Feuer schaden konnte; andere denken an eine Holzart ἀργώ, Hesych. Etym. Magn. 136, 29. Schol. Oppian. Cyneg. I 28; sonst wird zumeist von Föhrenholz gesprochen (Eurip. Androm. 863; Med. 4 u. a.). Hinzugefügt aber war am Kiel, am Vorder- oder Hinterteil durch [722] Hera (Val. Flacc. I 305) oder Athena ein Stück Eiche aus Dodona, in welchem die Gabe der Rede und Weissagung lag, wie sie sich auf der Fahrt bei mancherlei Gefahren bethätigte (Aeschyl. Argo frg. 20. Apoll. Rhod. I 524. IV 581. Lykophr. 1319ff. nebst Schol. u. Tzetz. Apollod. I 9, 16, 6. Philostrat. imag. II 15. Luc. saltat. 52. CIG 4721. Val. Flacc. I 301ff. VI 317. Claudian. XXVI 18 u. a.). Als Ort des Schiffsbaus galt gemeinhin die Gegend von Iolkos, speciell Pagasai, dessen Name von dem Bau (πήγνυμι) abgeleitet wurde und wo auch Altäre des Apollon Aktios und Embasios von den Argonauten errichtet sein sollten (Kallim. frg. 545 b. Apoll. Rhod. I 238 nebst Schol. 359. 404. Strab. IX 436. Etym. M. s. Παγασαῖος. Prop. I 20, 17. Ovid. met. XIII 24. Stat. Achill. I 65. Mela II 43. Hygin. astron. II 37 u. a.); nach Hegesand. bei Athen. XII 572 d soll auch der Kult des Zeus Hetaireios und das Hetairidienfest in Magnesia eine Stiftung der Argonauten sein. Daneben weisen aber andere Zeugnisse auf Versionen, nach denen die A. entweder in Boiotien oder in Argos erbaut wurde (s. Argonautai). Pelias hatte gewollt, dass die A. möglichst schwach werde, damit Iason unterwegs den Tod finde (Demaget. bei Schol. Apoll. I 224), allein sie wurde im Gegenteil das stärkste und schnellste Schiff (vgl. Hesiod. Theog. 998 ὠκείη. Apoll. Rhod. I 113 πασάων προφερεστάτη νηῶν), dabei doch so leicht, dass die Helden sie auf ihren Schultern über Land tragen konnten (Hesiod. frg. 88. Pind. Pyth. IV 25ff. u. a.); nach Val. Flacc. I 129ff. war sie mit reichem bildlichen Schmuck versehen. Die Zahl der Ruder wird zumeist auf 50 angegeben (Apollod. I 9, 16, 6. Orph. Argon. 300), womit die Kataloge der Argonauten übereinstimmen. Nur Theokrit XIII 74 nebst Schol. berechnet die Zahl auf 60.

Nach der glücklichen Heimkehr (über die Fahrt selbst s. Argonautai) wurde die A. auf dem Isthmos dem Poseidon geweiht (Apollod. I 9, 27. Diod. IV 53, 2. Ps.-Dio Chrysost. XXXVII p. 107 R.), wo sie noch bei dem Tode Iasons eine verhängnisvolle Rolle spielte (Eurip. Med. 1387 nebst Schol. und Dikaiarch. Hypothes.). Ein Überbleibsel des Schiffes wurde nach Martial VII 19 auch in Rom gezeigt. Daneben herrschte die Sage, dass Athena die A. unter die Sterne versetzt habe als ein lebendiges Sinnbild kühner Schiffahrt; ausführlichere Angaben über das Sternbild bei Eratosthen. Katast. 35 p. 174f. Robert. Arat. Phainom. 342ff. nebst Schol. Cic. Arat. 126ff. German. Caes. Arat. 344ff. 620. 683 nebst Schol. Hygin. fab. 14; astron. II 37. III 36. Val. Flacc. I 4. 301ff. Stat. Achill. II 77.

Die A. wurde fast allgemein für das erste Schiff gehalten, das die östlichen Meere befahren (Eurip. Androm. 864 u. a.). Manche erklärten sie für das erste grössere, kriegsgemässe Fahrzeug (Kleidem. bei Plut. Thes. 19. Philosteph. bei Plin. VII 206. Diod. IV 41, 1. Cassiod. var. V 17). Andere nannten sie schlechthin das erste Schiff (z. B. Eratosth. Katast. 35. Catull LXIV 11ff. u. a.). Phaedr. fab. IV 7 wendet dagegen ein, dass doch Minos Schiffahrt älter sei, und andere erklären Danaos Schiff, das gleichfalls mit Athenas Hülfe erbaut war, für das erste Fahrzeug (Schol. Apoll. I 4. Schol. Eurip. Med. 1. Plin. VII 206. [723] Hygin. fab. 277, vgl. Knaack Herm. XVI 590). Ja, es wird eben deswegen auch das Schiff des Danaos selbst A. genannt (Schol. Strozz. Germ. Arat. 172, 7 Breysig. Mythogr. Vatic. I 134. II 103), wie vielleicht auch das Schiff des Deukalion im Etym. M. s. Ἀφέσιος Ζεύς.

Den Namen A. leiteten die Alten entweder von dem Erbauer Argos ab (Pherekyd. frg. 61. Apollod. I 9, 16, 1 u. a., ähnlich auch Ptol. Heph. 2 p. 185 Westerm.) oder von ἀργός = schnell (Diod. IV 41, 3. Schol. Eurip. Med. 1. Serv. ecl. IV 34. Schol. Stat. Theb. V 475. Hygin. astr. II 37), ferner von der Erbauung in Argos (Hegesandr. bei Tzetz. Lykophr. 883. Hegesipp. im Etym. M. 136, 31. Schol. Theokr. XIII 21), endlich auch davon, dass die Insassen der A. Argiver waren (Ennius Medea exul frg. 1). In neuerer Zeit wird gemeinhin die Ableitung von ἀργός festgehalten und der doppelten Bedeutung (schnell, glänzend) entsprechend die A. entweder als das ‚schnelle Schiff‘ (z. B. Preller Griech. Myth.³ II 324, 1) oder als das ‚Lichtschiff‘ erklärt (Schwenk Etymol.-mythol. Andeutung. 67f. Gerhard Griech. Mythol. § 686, 3 c). Daneben sind Ableitungen aus dem Semitischen versucht (Weichert Leben u. Gedichte des Apoll. 126), aus dem Sanskrit (raģanî = Nacht, Kuhn Abh. Akad. Berl. 1873, 151), von ἄεργος (A. = Nässe, die das Land unbebaubar macht, Forchhammer Jahrb. f. Philol. CXI 395). Über bildliche Darstellungen vgl. Argonautai Abschnitt III.

[Jessen. ]