Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Fingierte Person in einem Religionsgespräch
Band I,2 (1894) S. 2788 (IA)–2793 (IA)
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Aphroditianos (Ἀφροδιτιανός ist die Form der guten Hss., nicht Ἀφροδισιανός), wird von dem Mönch Epiphanios (p. 14 Dressel) und dem sogenannten Hippolytos von Theben (jetzt am besten bei Tischendorf Anal. sacr. et prof. 21) als Berichterstatter über die Jungfrau Maria citiert (vgl. Lambecius comm. de bibl. Caesar. Vindobon. IV 132. VIII 65 und Usener Religionsgesch. Unters. I 33), und thatsächlich findet sich in verschiedenen Hss. (vgl. Lambecius V 12. 234. cod. Par. 2408) ein von Ducange (Notae ad Zonar. 50), dann besser von Boissonade (Anecd. gr. III 39) aus cod. Par. 2408, jetzt wieder von Wirth (Aus orientalischen Chroniken 210) aus cod. Par. 2408 und Vindob. 315 herausgegebenes Excerpt mit einer erbaulich blödsinnigen Charakteristik der Jungfrau Maria, das anfängt: Περὶ τῆς ἱστορίας τῆς ὑπεραγίας δεσποίνης ἡμῶν θεοτόκου· ἰστέον ὅτι κατὰ τὸν ἱστορικὸν Ἀφροδιτιανὸν τῆς ὑπεραγίας δεσποίνης ἡμῶν θεοτόκου τὸ ἦθος ἦν σεμνόν κτλ. und bei Epiphanios (p. 18) so gut wie wörtlich wiederkehrt. Im Geogr. Rav. II 12 wird Adfroditianus als Gewährsmann für den Orient genannt.

In Wahrheit ist aber A. kein ,Historiker‘, sondern eine fingierte Person in einem griechisch geschriebenen Religionsgespräch am Hof der Sassaniden, das in vielen Hss. (Wirth a. a. O. 147ff., noch mehr führt Pitra Anal. sacra V 302 auf) erhalten ist. Nach Gretser (in der Ausgabe von Anastasios Sinaita Ὁδηγός, Ingolstadt 1604) und Leo Allazzi (Diatr. de Symeonibus 83) beschrieb Fabricius (Bibl. Gr. IX¹ 335) das Buch; über eine Wiener Hs. (cod. theol. 307) handelte Lambecius a. a. O. V 137. Ein Stück des Ganzen wurde von Fr. Xav. Berger in Joh. Chr. von Aretin Beyträge z. Gesch. und Litter. 1804 52–68 nach zwei jungen Münchener Hss. notdürftig herausgegeben unter dem Titel: Ἀφρικανοῦ διήγησις περὶ τῶν ἐν Περσίδι γενομένων διὰ τῆς ἐνανθρωπήσεως τοῦ Κυρίου καὶ Θεοῦ καὶ Σωτῆρος ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ. Usener, der das Original jener Hss. im cod. Monac. 467 s. XI (vgl. Hardt Catal. cod. gr. bibl. Monac. IV 449) entdeckt und die ganze Schrift daraus abgeschrieben hatte, stellte fest, dass Ἀφρικανοῦ nur eine falsche Auflösung der Abkürzung Ἀφρ/ für Ἀφροδιτιανοῦ ist (Jahrb. f. protest. Theol. VII 377; Religionsgesch. Unters. a. a. O.), und teilte einiges über den Inhalt mit. Dreizehn in der Schrift vorkommende Χρησμοί veröffentlichte 1888 Pitra a. a. O. Vor kurzem (1894) ist das Ganze ediert von Wirth a. a. O. 151–193, allerdings in traurig [2789] ungenügender Weise. Der Herausgeber hat sich begnügt, einen vermutlich nicht einmal correcten Abdruck (vgl. 192, 14 mit 210, 3) des Monac. 467 zu geben, mit einem Haufen untergeordneter, schwerlich vollständiger Varianten, der die Stelle eines kritischen Apparats vertreten soll: von recensio oder gar von emendatio ist keine Rede, und der Leser muss sich aus dem wüsten Chaos selbst einen Text zurechtmachen, so gut es geht.

Der Verfasser des Buches führt sich selbst in erster Person ein als einen christlichen Bischof des oströmischen Reichs, der als einziger Rhomaeer einer Versammlung christlicher Bischöfe und Äbte in Persien beiwohnt, nennt sich aber nicht, wahrscheinlich aus guten Gründen. In den Hss. ist entweder kein Verfasser angegeben oder ein Name, der auf Hypothesen und Missverständnissen der Abschreiber beruht. Am häufigsten tritt als Verfasser auf Anastasios, der Patriarch von Antiochia (nicht mit dem Sinaiten zu verwechseln): aus welchem Grunde, verrät die Notiz im Palat. 364 fol. 80 (Pitra a. a. O. 302): τὰ λεγόμενα Περσικὰ ἦν ἀναγιγνωσκόμενα εἰς τὴν τράπεζαν τὴν τοῦ Ἀναστασίου Θεουπόλεως. Weil der Kirchenhistoriker Philippos von Side in der Schrift selbst oft erwähnt wird und ein am Schluss angehängtes Scholion seiner gedenkt, kam der Schreiber einer alten Hs. auf den Gedanken, hinter dem ἐγώ Philippos selbst zu vermuten; so wenigstens verstehe ich die Subscription im cod. Ottobon. 267 (Wirth 148): αὐτὰ οὖν ἐγὼ Φίλιππος πολλοῖς τῶν ἀναγκαίων φίλοις ἐξηγησάμενος (lies ἐξηγησάμην) ἐπισκόποις καὶ ἀνθρώποις. οὕτως εὗρον εἰς τὴν βεριάδα (Wirth ⟨Τι⟩βεριάδα, ob mit Recht?) ὅτι εἰς ἱερέας καταγεῖς οἷς ἀπεγράφει (= ἀπεγράφη) ἐν τῶ κώδικι. Vgl. auch den Anfang des cod. Vindobon. 307 (Lambecius V 137 = Wirth 148) mit p. 192, 10. Nach Pitra schreiben einige Hss. das Buch auch dem Johannes von Damaskus zu.

Die Schrift gliedert sich in drei Teile. Unter dem König Arrhenatos von Persien bricht ein Streit aus zwischen Griechen (d. h. Heiden) und Christen über die Geschichtschreiber Dionysores und Philippos, bei dem es sich offenbar wesentlich um griechische Weissagungen von Christus, die Philippos in seiner Περιαγωγικὴ βίβλος mitgeteilt haben sollte, handelte (vgl. p. 158, 14); in der Schrift selbst werden nicht diese χρησμοί, sondern nur drei über die Makedonen Philipp und Alexander und Christus aus einem toll phantastischen λόγος περὶ Κασάνδρου mitgeteilt (p. 157, 8ff.; der Anfang ist zu lesen καὶ ἠνέχθη ἡ Περιαγωγικὴ αὐτοῦ βίβλος, ἐν ᾗ χρησμῳδίαι Ἑλληνικαὶ ἔκειντο. καὶ προστάττει τῷ παρεστηκότι αὐτῷ παιδὶ ἀναγνῶναι; dann folgen ps.-persische Worte, völliger Galimathias, mit dem öfter in der Schrift die aramaeischen Citate des Evangeliums nachgemacht werden, τουτέστιν ἀναγινωσκέτω ὁ παῖς. ὁ δὲ μὴ προσχὼν τῷ βιβλίῳ ταχέως αὐτὸ ἐξεῖπε. καὶ λέγει αὐτῷ· ἐκ τοῦ λόγου τοῦ περὶ Κασάνδρου ἀνάγνωσθι. καὶ ἀνέγνω οὕτως; in der Geschichte selbst ist 155, 14 Λακεδαιμονίων zu emendieren in Μακεδόνων, 156, 1 zu schreiben ἦν γὰρ πολλοῖς προβαλοῦσα, sie legte vielen Vexierfragen vor); der λόγος soll nach den klaren Worten des Verfassers (vgl. p. 158, 13ff.) nicht aus Philippos stammen. Der König beruft eine Synode von [2790] Bischöfen und Äbten in seinem Reich, zu der von Rhomaeern nur der Verfasser zugezogen wird, und verlangt zunächst von den jüdischen Rabbinern die Entscheidung des Streits; diese weigern sich und ersuchen den König, das Schiedsrichteramt seinem Hofmundkoch (ἀρχιμάγιρος) A. zu übertragen, der in der Dialektik so geschult war, dass die Bischöfe und Äbte, auch wenn alle ihre Haare zu Gedanken geworden wären, doch nicht einen Schluss von ihm hätten auflösen können. In der darauf sich entwickelnden Disputation, in der auch jener λόγος περὶ Κασάνδρου verlesen wird, erzählt schliesslich A. aus dem Hofarchiv die Geschichte von den redenden und singenden Statuen im Tempel der Hera, den Kyros beim persischen Königspalast erbaut hat, von dem Stern, der zu Häupten der Statue der Πηγή erscheint, und der Reise der drei persischen Magier zu dem zweijährigen Jesuskind, alles zum Beweis, dass die erste Verkündigung Christi in Persien geschehen sei.

In dieser Geschichte kommt eine kurze Personalbeschreibung der Jungfrau Maria vor (166, 16ff.), aus der offenbar jene oben angeführte, unter dem Namen des A. in den Hss. gehende, herausgesponnen ist; diese letztere, nicht die Schrift selbst hat dann Epiphanios benützt. Das Citat des Geogr. Rav. ist aus der Kunde von dem ,persischen Historiker‘ A. hervorgegangen.

Am zweiten Tag der Disputation versucht der Magier Horikatos durch fünf (so 172, 6 und damit stimmt die Erzählung; 174, 4 ist ἔχων τινὰ διαπράξασθαι ἀνδρεῖα zu lesen, das τρία im Monacensis ist aus der missverstandenen Stelle 173, 28 interpoliert) Wunderthaten die Christen zu widerlegen, aber ihm misslingt alles, und die christlichen Bischöfe gehen als glänzende Sieger aus dem Streit hervor.

Neidisch auf den Erfolg der Christen kommen die jüdischen Rabbiner zum König und bitten, dass ihre Streitpunkte mit den Christen vor A. durch eine Disputation erledigt werden möchten. Diese findet auf Befehl des Königs statt, und der Erfolg ist, dass die jüdischen Rabbiner Jakob und Pharas von den christlichen Bischöfen überwunden werden. Sie gewinnen zahlreiche Anhänger und sollen aus der Synagoge gestossen werden, setzen es aber bei A. durch, dass eine nochmalige Disputation zwischen ihnen und den Altgläubigen vor dem Schiedsgericht des A. und der christlichen Bischöfe veranstaltet wird. Am Schluss dieser Unterredung fordert A. die streitenden Parteien der Juden auf, sich zu vertragen: die Partei der Christenfreunde lässt sich zum Teil taufen, die anderen bleiben unter dem Namen Χριστιανομερισταί in der Synagoge. Das Werk schliesst mit den königlichen Befehlen, alles urkundlich aufzuzeichnen und zu publicieren.

An die Schrift selbst sind, von 192, 7 an, einige Bemerkungen angehängt, die nicht von dem Verfasser, sondern von sei es gelehrten, sei es phantasievollen Lesern herrühren: zuerst ein kurzes Scholion über Philippos von Side, von dem es heisst ὃς τὴν σύμπασαν γραφὴν (das Wort fehlt 192, 9, steht aber 210, 3) ἐσταθμογράφησεν. Ich übersetze ,der die ganze heilige Schrift in Stationen, Perioden, eingeteilt hat‘; der Schreiber der Worte dachte an die biblische Chronologie in Philippos Χριστιανικὴ ἱστορία, von welcher bei [2791] Wirth 208 ein Fragment mitgeteilt wird. Dann folgt ein Citat (192, 10–16) aus demselben Philippos, das eine Erweiterung der von A. mitgeteilten Legende der Πηγή giebt und, wenn es echt ist, verbürgt, dass Philippos diese Legende kannte und mitgeteilt hat. Usener (Religionsgesch. Unters. I 33ff.) hat allerdings bewiesen, dass die Legende alt ist und aus gnostischen Kreisen stammt, und diesem Beweis thut es keinen Eintrag, dass sie, um sich in die Schrift einzufügen, übergangen ist (vgl. z. B. 163, 23 εἶπον [= sprich] Μιθροβάδει· οὐκέτι Πέρσαι Γῆς καὶ Ἀέρος φόνους ἀπαιτοῦσιν mit 186, 8. 192, 2; Mithrobades ist der Kronprinz); ob es aber geraten ist, das Citat sehr zu betonen, möchte ich bezweifeln. In einer weiteren Bemerkung (192, 17–19) spricht dann jemand seine Verwunderung darüber aus, dass der Heide A. es so viel besser verstanden hätte, von Christus grosses zu sagen, als der Presbyter Philippos, was jedenfalls auf eben jene Legende von der Πηγή geht, die also hier Philippos abgesprochen wird. Zum Schluss (192, 19; die Stelle ist so zu interpungieren und zu lesen: τὸν πρεσβύτερον Φίλιππον ὑπερέβαλε περὶ Χριστοῦ εἰπὼν μεγάλα· Δῶρος δὲ ὁ Ἰουδαῖος, ὁ τοῦ συκοφάντου αὑτοῦ ἔθνους συνήγορος εἶπε) wird aus dem Juden Doros eine schnurrige, natürliche Erklärung des Wunders der singenden und tanzenden Statuen angeführt, mit der naiven Bemerkung am Ende: ἅπερ τοῖς ἀναγινώσκουσι ταῦτα νοηθῆναι ὤφειλαν εἰ ἀληθῆ δοκεῖ. Auch dies Citat ist mir sehr verdächtig; zu beachten ist, dass auch jenes Citat aus Philippos sich auf dasselbe Wunder bezieht.

Eine alles verwertende, theologische und historische Analyse des Werkes kann nur von einem in den orientalischen Quellen gründlich bewanderten Historiker gegeben werden. Zur chronologischen Bestimmung sind folgende Anhaltspunkte benutzbar. Philippos von Side war der Synkellos des Johannes Chrysostomos und lebte um die Wende des 5. und 6. Jhdts. (vgl. Sokrat. hist. eccles. VII 27. Phot. cod. 35). 190, 4ff. wird eine Geschichte von Κόατος ὁ Κουάτου παῖς erzählt: darin steckt der König Kawâdh, der Sohn des Perôz und der Vater Chosraus I. Anôsharwân, der von 488–531 regierte (Nöldeke Tabari 427). Als terminus ante quem muss nicht nur der Sturz der Sassaniden (633), sondern schon die Regierung des Kaisers Heraklios und seine grossen Persersiege (von 622 an) gelten. Genaueres lehrt die merkwürdige Stellung, die dem persischen Hof, dem König und namentlich A. angewiesen wird. Jener ist nicht nur unparteiisch (152, 2. 153, 1. 171, 14ff.), weist die Verleumdungen nestorianischer (170, 8 mit der Variante von p; die Interpolation wird sachlich richtig sein) Mönche in einer für diese sehr demütigenden Weise zurück (170, 15 Χριστιανοὶ λεγόμενοι καὶ ἐπιστάται μοναστηρίων, τί θέλετε ὑμεῖς τὰ Ἑλλήνων ἀναστατοῦντες καὶ οὐχ ὡς μοναχοὶ ἡσύχιοι ἐστέ) und vereitelt die Intriguen der fanatischen Rabbiner (186, 12ff.), sondern spricht geradezu den Wunsch aus, dass Juden und Christen sich einigen möchten (177, 11ff.). A., philosophisch und dialektisch geschult (153, 9ff. 188, 1ff. sagen die Juden zu ihm παρακαλοῦμέν σου τὴν ἥμερον καὶ εὐσταθῆ φιλανθρωπίαν μὴ οὕτως ἀποτείνεσθαι εἰς ἡμᾶς. πολλῇ γὰρ φιλοπονίᾳ ἐξήσκησαι [2792] λόγων καὶ οὐκ εὐποροῦμεν λέγειν πρὸς σέ), erkennt die Wahrheit und Erfüllung der auf Christus lautenden Weissagungen rückhaltlos an (158, 6ff. 167, 21f. 190, 24), wie auch der König selbst (177, 7), liefert sogar aus den ,persischen Archiven‘ die gewichtigsten Beweise dafür (159, 16ff. 179, 18ff.), aber die Streitigkeiten der Christen mit den Juden und unter sich machen ihn irre (158, 18ff. ist zu lesen: νομίθετε ⟨μὴ⟩ ἀγνοεῖν με τὰς εἰρημένας περὶ Χριστοῦ δόξας. ἀλλὰ τῷ μὴ εἶναι φωνὴν μίαν καὶ χεῖλος ἓν ἢ πλεονάζειν τὸ περὶ αὐτὸν μέρος ἢ καὶ αὐτὸ τὸ μέρος πρὸς ἑαυτὸ [μὴ] διαιρεῖσθαι ἢ διαστασιάζειν μεμερισμένας καὶ αὐτὸ δόξας εἰσφέρον Ἰουδαίων ἄλλως λεγόντων περὶ αὐτοῦ … διὰ τοῦτο ἄπιστα μένει τὰ τῶν Χριστιανῶν), und er wirft den Bekennern Christi vor, nicht in jenes Sinne zu reden und zu handeln (167, 22ff.). Sein eigenes Glaubensbekenntnis (168, 1ff.) enthält persische Elemente, ist aber im Grunde das eines platonisierenden Philosophen; denn nur einem solchen steht der Gedanke der reinen Elemente an, die allein würdig sind, den Schöpfer zu verehren; er stellt die wahren Philosophen den wahren Christen gleich (168, 19ff.), er will Frieden haben in allem (176, 21 βοηθεῖν ἐμάθομεν παρὰ τοῦ πᾶσι βοηθοῦντος· τοὺς γὰρ ἐχθροὺς εὐεργετῶν, τῆς ἔχθρας οὐκ ἂν ἔτι χρησιμεύσαι ἡ βία, ἀλλ’ ἔσται φίλη ἡ εἰρήνη ἐπὶ πᾶσι χορεύουσα), und fordert alle auf, sich zu einigen in Nachahmung der himmlischen Einheit, im Gegensatz zur Zwietracht der feindlichen Mächte (190, 26ff. am Schluss ist zu lesen περιπτύξασθε ἑαθτοὺς πάντες ἑνούσης ὑμας τῆς ἄνω χάριτος).

Dem aufmerksamen Leser steigt die Erinnerung auf an die griechischen Philosophen, welche unter Chosrau I. Anôsharwân nach Persien übersiedelten (vgl. Nöldeke Aufs. z. pers. Gesch. 114; Tabari 160, 3), auch die Überlieferung, dass dieser Sassanide die Religionsparteien mit einander disputieren liess, mag erwähnt werden. Schon an seinem Hof mag sich eine gleichschwebende Stimmung gegenüber den drei im persischen Reich verbreiteten Religionen ausgebildet haben, wie sie bedeutenden, freilich mehr durch politische Umsicht als abstracte Bildung aufgeklärten orientalischen Despoten ansteht; ihren Höhepunkt hat sie erreicht unter seinem Nachfolger Hormizd IV. (578–590), und den Aussprüchen des Königs Arrhenatos und seines Obermundkochs steht sehr nahe die Antwort, welche jener den christenfeindlichen persischen Priestern erteilte (Nöldeke Tabari 268), die zugleich die absolutistische Politik und die vornehme Toleranz dieser Herrscher erkennen lässt: ,so wie unser Königsthron nicht auf seinen beiden Vorderpfeilern stehen kann ohne die beiden hinteren, so kann auch unsere Regierung nicht stehn und sicher sein, wenn wir die Christen und die Bekenner der anderen Religionen, die nicht unseres Glaubens sind, gegen uns aufbringen. Darum lasst ab von den Angriffen auf die Christen, bestrebt euch aber eifrig, gute Werke zu thun, auf dass die Christen und die Bekenner der anderen Religionen das sehen, euch darum loben und sich zu eurer Religion hingezogen fühlen‘. Diese Stimmung hielt auch in der ersten Zeit Chosraus II. Parwêz (590–628) noch an (vgl. Nöldeke Tabari 287f.). Derjenige Christ, der das seltsame Buch, redigierend und [2793] erfindend, verfasste, hat zugleich diese Richtung des Hofes im christlichen Sinne ausgebeutet und sie doch in ihrem Wesen so gut verstanden, dass er verrät, wie nah sie seinem eigenen Denken lag. War er ein Rhomaeer, so war es einer, der in Persien gewesen war und persische Verhältnisse sehr gut kannte: in der geistigen Atmosphäre Constantinopels kann ein so merkwürdiges Document eines Ausgleichs zwischen hellenischer Philosophie, der Lehre Zoroasters, den jüdischen und christlichen Offenbarungen unmöglich entstanden sein.