Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Athener, Sohn des Theseus und der Phaidra, Bruder des Demophon
Band I,1 (1893) S. 1143 (IA)–1145 (IA)
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4) Athener, Sohn des Theseus und der Phaidra, Bruder des Demophon, Heros eponymos der akamantischen Phyle. Diod. IV 62. Nach dem Schol. zu Hom. Od. XI 321 waren A. und Demophon Söhne des Theseus und der Ariadne. Der Ilias und Odyssee sind die Theseiden A. und Demophon unbekannt. Preller-Plew Gr. Myth. II 465. Schon den Alten ist ihre Nichterwähnung bei Homer aufgefallen (Schol. Soph. Philoct. 562: Θησέως κόροι· Ἀκάμας καὶ Δημοφῶν, ὧν οὐ μέμνηται Ὅμηρος ἐν τῷ καταλόγῳ). Erst die sogenannten kyklischen Epen kennen sie und erwähnen ihre Beteiligung am troischen Kriege. Die Fragmente, in denen sie genannt werden, stammen sämtlich aus der Iliupersis. Vgl. Schol. Eurip. Troad. 31; Hec. 125. Paus. X 25, 8. Proklos Cod. Marc. 454 fol. 6. Welcker Ep. Cycl. II 222. 528. Jahn-Michaelis Griech. Bilderchron. 112. Robert Bild und Lied 216. 222. 341. v. Wilamowitz Hom. Unters. 345. Toepffer Quaest. Pisistr. 68ff. F. Dümmler Rh. Mus. XLV (1890) 178ff. F. Noack Iliupersis (Giessen 1890) 52ff. Die Tragiker schliessen sich an die Iliupersis an. Vgl. Soph. Phil. 562. Eurip. Hec. 125; Troad. 31; Herakleid. 35. Die spätere Sage lässt den A. noch vor dem Auszuge der Griechen mit Diomedes nach Troia geschickt werden, um Helena zurückzufordern (Tzetzes Antehomer. 156. Parthen. 16). Hier erglüht des Priamos Tochter Laodike in leidenschaftlicher Liebe zu A. und vertraut ihre Liebe der Gattin des Königs von Dardanos an. Diese veranstaltet in Dardanos eine Zusammenkunft der troianischen Prinzessin mit dem athenischen Königssohn. Aus der Verbindung beider entspringt Munichos, den Aithra in Troia grosszieht. Parthen. 16. Lykophr. 495ff. und Euphorion im Schol. z. d. St. Munichos spielt in Kleinasien keine Rolle. Er stirbt auf der Heimkehr nach Athen in Thrakien am Biss einer Schlange. Über seine Beziehungen zu Attika Toepffer Quaest. Pisistr. 71ff. Nach Plut. Thes. 35 und Paus. I 17, 6 ziehen A. und sein Bruder [1144] Demophon mit Elephenor, dem Sohne des Chalkodon, von Euboia aus nach Ilion, von wo sie nach dem Tode des Menestheus nach Athen zurückkehren und die väterliche Herrschaft antreten. Vgl. Eur. Herakleid. 35. v. Wilamowitz Index lect. Gryphiswald. 1882, 14. Bei der Eroberung Troias befand sich auch A. unter den Helden, die sich im hölzernen Pferde verbargen (Paus. I 23, 10. Quint. Smyrn. XII 326. Tzetzes Posthom. 647. Verg. Aen. 262. Hyg. fab. 98). Bei der Verteilung der troischen Beute fielen Aithra und Klymene dem A. und Demophon zu (Dictys V 13). Man wird in der letzteren die von den Dioskuren zusammen mit Helena entführte Schwester des Peirithoos zu sehen haben. Vgl. v. Wilamowitz Homer. Unters. 222. Toepffer Archaeol. Beiträge für C. Robert (Berlin 1890) 41. F. Noack Iliupersis (Giessen 1890) 56. C. Robert Homerische Becher (Berliner Winckelmannsprogramm 1890) 47. Nach Schol. Eurip. Troad. 31 waren die Theseiden A. und Demophon zur Befreiung ihrer Grossmutter Aithra nach Ilion gezogen. Die Zurückführung der Aithra durch ihre Enkel bildet einen beliebten Gegenstand der attischen Vasenmalerei (Overbeck Bildwerke zum theban. und troischen Heldenkreis S. 632ff. Gerhard Etrusk. und Campan. Vasen Taf. 12. Robert Bild und Lied 58. 60. 72. 75. Luckenbach Jahrb. f. Philol. Suppl. Bd. XI 574). Die Befreiung der Aithra durch A. und Demophon war auch von Polygnot in der Lesche zu Delphi dargestellt (Paus. X 25ff. Noack Iliupersis 52ff.). Die Heimkehr der Theseiden nach Attika erfolgt über Thrakien, wo das Sagenschicksal des A. eine Wiederholung findet: wie in Troia, so verliebt sich auch hier eine Fürstentochter in ihn (bezw. in seinen Bruder Demophon, mit dem ihn auch die in Troia spielende Sage zusammenwirft, Plut. Thes. 34). Phyilis, die Tochter des Bisaltenkönigs, schenkt ihm ihre Liebe und nach dem Tode des Vaters die Herrschaft über das Land. Aischines II 31. Tzetzes Lykophr. 495. Rohde Griech. Roman 474. Knaack Anal. Alexandrino-Romana 29. Toepffer Quaest. Pisistr. 73. Wir haben hier eine ähnliche Vindicationssage der Athener wie in Troia. Vgl. Schol. zu Aischines II 31 (p. 48 Dindorf). Polyaen. VI 53. Herod. VII 113. Hyg. fab. 60. 136. Ov. Her. 2; ars am. III 37. Coluthus 208. Ausser der Strymongegend ist auch der thrakische Chersonesos mit der Akamassage verflochten. Nach Thukydides (I 11) wandte sich ein Teil des griechischen Heeres während der Belagerung Troias aus Mangel an Lebensmitteln nach dem thrakischen Chersonesos, um hier Landbau und Räuberei zu treiben. Die Scholien zu der Stelle bemerken, dass an der Spitze dieser Expedition A. und Antimachos gestanden hätten. Der letztere ist wohl mit dem Antimachos identisch, den Quintus Smyrnaeus (XII 323) unter den Insassen des hölzernen Rosses erwähnt. Vgl. Toepffer Quaest. Pisistr. 77. Die Substituierung des Namens Antilochos für Antimachos ist willkürlich (Schoene in seiner Ausg. d. Thukydides, Berlin 1873. F. Noack Iliupersis 10). Die Entstehung dieser Sage hängt offenbar mit den colonialen Bestrebungen der Athener im thrakischen Chersonesos zusammen, deren Anfange bis in die Zeit Solons [1145] hinaufreichen. Diog. Laert. I 47. Τοepffer Att. Geneal. 40, 3. v. Wilamowitz Herakles I 37. Noack Iliupersis 10. Eine ähnliche Sage knüpft sich an die Gestalt des Diomedes (Eustath. zu Hom. Il. V 4). Vielleicht hängt der Athener A. mit dem gleichnamigen Thrakerkönig Homers (Nr. 3) enger zusammen, als gewöhnlich angenommen wird. Auch Demophons Name haftet am Boden Thrakiens (Phylarchos FHG I 358). Der Name des A. ist mit verschiedenen Coloniegründungen verwoben. Der Berg Akamas auf Kypros soll nach ihm benannt worden sein. A. hatte eine Colonie hierhergeführt und war bei einem Sturz vom Pferde in sein Schwert fallend verunglückt (Schol. Lykophr. 495. Strab. XIV 683. Hesych. s. Ἀκάμαντα. Engel Kypros I 217ff. Busolt Griech. Gesch. I 297, 3. A. Enmann Kypros, St. Petersburg 1887, 38). Auch in der kyprischen Gründungssage wird A. mit seinem Bruder Demophon zusammengeworfen (Plut. Solon 26). Ferner wird die Gründung der Stadt Akamantion in Phrygien dem A. zugeschrieben (Steph. Byz. s. Ἀκαμάντιον und Σύνναδα). Bemerkenswert in sagengeschichtlicher Hinsicht ist ein von E. Schwartz (Scholia in Eur. Andr. 10, vgl. Mél. Graux 652) veröffentlichtes Euripidesscholion, in welchem das Zeugnis des Διονύσιος Χαλκιδεύς über eine ausgebreitete Colonialthätigkeit des A. angeführt wird. A. soll diesem Zeugnisse zufolge im Verein mit Skamandrios, dem Sohne des Hektor, und Askanios, dem Sohne des Aineias, die Orte Gergis, Perkote, Kolonai, Chryse, Ophrynion, Sidene, Astyra, Skepsis, Polichna, Daskylion, Iliukolone und Arisba gegründet haben. Vgl. Steph. Byz. s. Ἀρίσβα. Röhl IGA 2. Toepffer Quaest. Pisistr. 75, 1. In Attika lebte das Andenken des Theseussohnes in der nach ihm benannten Phyle Ἀκαμαντίς fort. Busolt Griech. Gesch. I 614. Seine Statue unter den attischen Eponymoi erwähnt Paus. I 5, 2. Das auf der athenischen Burg befindliche eherne Ross barg ausser anderen Landesheroen auch die beiden Theseussöhne A. und Demophon (Paus. I 23, 8. Lolling Hellen. Landeskunde in Müllers Handb. III 345). In Delphi war A. auf Polygnots berühmtem Gemälde der Eroberung Ilions dargestellt (Paus. X 26, 2. Kalkmann Pausanias 115. Noack Iliupersis 52). Unter den vom Zehnten der marathonischen Beute nach Delphi geweihten Heroenstatuen befand sich auch die des A. (Paus. X 10, 1). Er ist beim Streit des Odysseus und Diomedes um das Palladion zugegen (Mon. d. Inst. VI 22). Es ist beachtenswert, dass sonst des A. Bruder Demophon mit der Palladionsage sowie mit der Stiftungslegende des attischen Gerichtshofes im ἐπὶ Παλλαδίῳ verwoben wird.