Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Epikrisis
Band VI,1 (1907) S. 121123
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Ἐπίκρισις, ein in den Papyrusurkunden häufig vorkommender Ausdruck, über dessen Bedeutung vielfach gestritten wird. Ich gebe zunächst eine Übersicht der Stellen, zeitlich geordnet: Oxyrh. Pap. ΙΙ 288 (22–25 n. Chr.). I 39 (52 n. Chr.). ΙΙ 257. 258 (94/5 und 86/7 n. Chr.). BGU II 562 (103–105 n. Chr.). I 109 (121/2 n. Chr.). Oxyrh. Pap. III 478 (132 n. Chr.). BGU I 113 (143 n. Chr.). 265 (148 n. Chr.). Fayum Pap. 27 [122] (151/2 n. Chr.). BGU I 324 (159–167 n. Chr.). Amherst Pap. II 99 (179 n. Chr.). BGU II 780 und III 915 (2. Jhdt. n. Chr.). II 484 (201/2 n. Chr.). 388 (2. oder 3. Jhdt. n. Chr.). P. Meyer Heerwesen der Ptolemaeer und Römer in Ägypten 109-126 und 229ff. will in der ἐ. eine Liste rein militärischen Charakters nachweisen; er meint (S. 230), die -Institution sei im Anschluß an die Einführung der 14 jährigen Censusperiode, 10/9 v. Chr., ins Leben gerufen, doch seien nicht in bestimmten Intervallen, sondern im Bedarfsfalle neue ἐ.-Listen aufgestellt worden. Wilcken Herm. XXVIII 249 sagt: ,Die ἐ. war eine Prüfung oder vielmehr eine Nachprüfung, der sich die Militärpflichtigen vor dem praef. Aeg. zu unterziehen hatten’ und Griech. Ostr. I 448: Ἐπικεκριμένος besagt, daß der Betreffende die militärische ἐ. bereits durchgemacht hat und in den ἐ.-Listen verzeichnet ist’. K. Wessely S.-Ber. Akad. Wien CXLII (1900) IX will ἐ. mit ,Revision’ übersetzen; er faßt die ἐ. durchwegs als Nachprüfung der Verhältnisse und Berechtigungen der Personen, so daß ἐπικεκριμένοι das günstige Ergebnis dieser von der Behörde veranstalteten Revision bezeichne. Dagegen führen Grenfell-Hunt Oxyrh. Pap. II p. 217–222 aus, daß zwei Arten von ἐ. zu unterscheiden sind: eine rein bürgerliche, an die κατ’ οἰκίαν ἀπογραφαί anschließende, und eine zweite, rein militärische vor dem praef. Aeg. Diese Ansicht vertritt auch W. Schubart Archiv f. Papyrusforschung II (1903) 156f. Diese Scheidung in zwei Klassen entspricht auch den Quellen: die ἐπικεκριμένοι sind die Privilegierten, von der Kopfsteuer ganz oder teilweise Befreiten; so erklärt sich, daß auch Frauen (Amherst Pap. II 99) und Sklaven (BGU I 113. 324. II 388. 780) bei der ἐ. genannt werden. Die Privilegierten sind 1. Kinder von Gymnasiarchen, 2. von κάτοικοι, 3. von μητροπολῖται δωδεκάδρχμοι. Die zuletzt Genannten können, da sie einen Teil der Kopfsteuer zahlten, unter den λαογραφούμενοι ἐπικεκριμένοι verstanden werden. Eine Reihe von Urkunden enthält das Ansuchen, daß das 13-bis 14jährige Kind in die Liste der Privilegierten aufgenommen werde, unter Hinweis auf seine Herkunft: Oxyrh. Pap. II 257. 258 u. ö. Die Entscheidung trafen die ἐπικριταί: Fayum Pap. 27 und P. Gen. 19, während BGU 562 dafür der Ausdruck steht: οἱ πρὸς τῇ ἐπικρίσει; mit Unrecht sagt daher P. Meyer 231: Es existiert keine besondere ἐ.-Kommission. Die Sklaven, die in die ἐ.-Liste aufgenommen, also von der Kopfsteuer befreit erscheinen, müssen wir als Sklaven von Privilegierten erkennen. Schubart 158. Die militärische ἐ. fand jährlich vor dem praef. Aeg. in Alexandrien statt; vgl. den Abschied Oxyrh. Pap. I 39 (52 n. Chr.), wo es heißt: ἐπεκρίθη ἐν Ἀλεξανδρείᾳ; darüber gibt Aufschluß der τόμος ἐπικρίσεων des praef. Aeg., die Musterrolle; derjenige, der sich gemeldet hat, erhält ein ἀντίγραφον ἐπικρίσεως (BGU 324), einen Paß oder eine Widmungskarte.

Schließlich möchte ich noch hinweisen auf die Erklärung des Verbums ἐπικρίνειν im Sinne von ,wählen, zählen’; Hesychios s. ἐπικρίνεσθαι sagt: ἀριθμῆσαι καθ’ ἕνα ἕκαστον und in der Inschrift Dittenberger Syll.² 523 aus Teos heißt es: [123] ἐπικρινέτων ὁ παιδονόμος, ebd. 616 aus Kos (4. Jhdt. v. Chr.) ἐπικρίνονται βοῦν ἐκ χιλιαστύος ἑκάστας .