Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Spargelartige Pflanzensprosse
Band II,2 (1896) S. 17121716
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Ἀσπάραγος, neben attisch ἀσφάραγος (z. B. Nic. Ther. 245), asparagus, auch aspharagus (z. B. Apul. de herb. 84), Collectivbezeichnung für alle möglichen teneri caules, d. h. spargelartigen Sprossen irgendwelcher Pflanzen (Pflanzenkeime), ehe die Blätter sich entwickeln, insbesondere aber Bezeichnung für ,Spargel‘, die bekannte Gemüsepflanze, deren junge Sprossen (Pfeifen, Stangen, Stocktriebe) eine leicht verdauliche Speise abgeben. Die Etymologie des Wortes ist zweifelhaft (euphonisches α und σπαργάω sprosse?); alte Erklärungsversuche im Etym. M.: ὁ μὴ σπειρόμενος (vom wildwachsenden Spargel) und bei Varro de l.l. V 104: quod ex asperis virgultis leguntur et ipsi scapi asperi sunt, non laeves (doch fügt er wohlweislich hinzu nisi graecum). Betreffs der Schreibung mit π oder φ vgl. Lobeck Phryn. p. 110. Athen. II 62 e–63 a. Suid. Galen. XI 841. Wie angedeutet, nennen manche Schriftsteller (z. B. Galen) . überhaupt alle spargelartigen Triebe (turiones) verschiedener Pflanzen, seien sie geniessbar oder nicht. Der Kohlspross heisst bei manchen ἀ. κράμβης, und Plinius (n. h. XXIII 27) spricht von asparagi bryoniae (Stickwurz, Gichtrübe, Zaunrübe), die Diokles den asparagis veris in bestimmter medicinischer Beziehung vorgezogen haben soll. Nach dieser Richtung vgl. Automedon Anth. Pal. XI 325, 2. Nic. Ther. 883. Hesych. Suid. v. Heldreich (Nutzpflanzen Griechenl. 82) führt eine ganze Reihe von Pflanzen auf, deren spargelartige Triebe noch jetzt ,zuweilen‘ vom griechischen Volke gegessen werden, so Smilax aspera L., Ruscus aculeatus L., Tamus communis L., Tamus cretica L. u. s. w. Was nun den eigentlichen Spargel anlangt, der doch immerhin vorzugsweise unter . zu verstehen ist, so ist zunächst zu bemerken, dass die Spargelkultur gegenwärtig in Griechenland im grossen und ganzen nahezu unbekannt ist, kaum dass man die Pflanzen in einigen Gärten findet. Unser gewöhnlicher Gartenspargel (Asparagus officinalis L.), der übrigens in Deutschland, besonders an sandigen Stellen, auch wild vorkommt (wahrscheinlich nur durch Anbau verwildert), stammt jedenfalls aus dem Orient (den alten Ägyptern z.B. war er wohl bekannt), ist aber jetzt in Griechenland [1713] weder wild noch in Gärten sonderlich anzutreffen, am ehesten allenfalls noch auf Morea und den griechischen Inseln (er hat bekanntlich nicht grüne, sondern nur farblose kleine Blätter, aus deren ,Achseln‘ – d. h. zwischen Stengel und Blatt – grüne, nadelförmige Ästchen oder Zweige hervorragen, die oft fälschlich für Blätter gehalten werden, während es in Wirklichkeit blütenlose Blütenstiele sind). Anders der Asparagus acutifolius L. Dieser wilde Spargel, jetzt Σπαράγγια oder Σφαράγγια genannt, pelasg. ’sporöng, -te (plur.) wächst häufig in Griechenland auf steinigen Hügeln und Vorbergen, auch in dürren Ebenen, selbst an feuchten Ufern, vorzugsweise im Gebüsch oder Gestrüpp, vgl. Fraas Synops. pl. fl. cl. 283. Nach v. Heldreich (Nutzpflanzen 8) werden die jungen Triebe dieses wilden Spargels, obgleich sie ziemlich dünn sind, dennoch gegenwärtig fleissig gesammelt und auf dem Markte von Athen oft teuer bezahlt. Sie sollen sehr zart und von intensiverem Spargelgeschmacke sein, als die Stocktriebe des zahmen Spargels. Übrigens kennt man im heutigen Griechenland noch andere Spargelsorten, die vom Volke meistens roh gegessen werden: Asparagus aphyllus L. und Asparagus horridus L. In Italien, wo gegenwärtig sowohl Asparagus officinalis als auch Asparagus acutifolius häufig wild wächst und gegessen wird, heisst jener, der daselbst auch häufig als Essware gezogen wird, asparago oder sparaggio, dieser sparaghella oder asparago selvatico. Im Altertum, wo der Spargelkultur, speciell in Griechenland, grössere Beachtung zu teil geworden zu sein scheint, als jetzt (vgl. Wiskeman Die antike Landwirtschaft u. d. von Thünensche Gesetz 8), unterschied man gleichfalls schon verschiedene Sorten. Dioskorides (II 151) handelt vom Felsenspargel (ἀ. πετραῖος), auch Mäusedorn (μυάκανθα) genannt, handelt aber anscheinend in der zweiten Hälfte des Kapitals von den Worten ὁ μέντοι ἀ. οὗτος an (falls diese nicht mit Fraas 283 zu streichen sind) von einer andern nicht näher bestimmbaren Sorte, die er als einen ästigen Strauch mit vielen Zweigen und Blättern beschreibt, welche denen des Fenchels ähnlich sind; die Wurzel bezeichnet er als gross, walzig und knollig. Im übrigen beziehen sich seine Angaben hauptsächlich auf die Verwendung des Spargels in der Medicin. Nach Plinius u. a. war corruda (z. B. Plin. XVI 173. XIX 145. Apul. medic. herb. 84) ein besonderer Name für den wilden (vgl. Lenz Bot. d. a. Gr. u. R. 94. 103) oder libyschen Spargel (a. silvestris), vgl. n. h. XX 110, griechisch ὄρμινον (Lobeck Phryn. 110) oder (μυάκανθον (n. h. XIX 151). Der πετραῖος des Dioskorides ebenso wie der silvestris des Plinius dürften wohl am ehesten auf den spitzblättrigen Spargel (Asparagus acutifolius L.) zu beziehen sein, während die Beschreibung bei Theophrast (h. pl. VI 4, 1ff.; de c. VI 12, 9; ferner h. pl. I 10, 6. VI 1, 3) dem Asparagus aphyllus L. angepasst erscheint: Blütezeit von September bis November, vgl. v. Heldreich Pflanzen d. att. Ebene in A. Mommsens Griech. Jahresz. Heft V 512. 536. Schuch Gemüse und Salate d. Alten II 64ff. Leunis Synops. II. Teil³ II § 720, 3. Ἀ ἕλειοι und ὄρειοι werden erwähnt bei Athenaios (II 62 d), je nachdem sie in sumpfiger oder gebirgiger [1714] Gegend besser gediehen; vgl. Geopon. III 13, 8. Gal. VI 643. XI 841. Etym. M. Bei Pollux (VI 54) führt eine Spargelsorte den Namen ἀκανθίας, vgl. I 247, während ,gallischer Spargel‘ ein blosser Name war für den Meerfenchel (Crithmum maritinium L.), der sonst auch batis hiess, vgl. Plin. n. h. XXI 86. Ausführliches über die Spargelsorten bei Franz De asparago, Diss. Lips. 1778, 11ff. Billerbeck Flora class. 93. Anbau, Aufzucht und Pflege des Spargels im Altertum weichen in manchen Punkten von unseren jetzigen viel vollkommeneren Methoden nicht unwesentlich ab. Wir haben über die alte Spargelkultur ausführliche Anweisungen, die sachlich mit einander in der Hauptsache übereinstimmen; Hauptstellen: Cato de agric. 6, 3 (vgl. Plin. n. h. XVI 173). 161. Colum. XI 3, 43ff. Pallad. III 24, 8. IV 9, 10ff. Geopon. XII 18 (VII 20, 7). Plin. n. h. XIX 146ff. Paul. p. 19 M. Isidor. orig. XVII 10. Diocl. edict. VI 34f., bei Mommsen Berichte der Leipz. Ges. 1851, 15. Die alten Vorschriften ergänzen sich etwa zu folgender gärtnerischer Behandlung: ,Die Spargelsamen werden fast zwei Jahre lang vorbereitet. Man steckt sie Mitte Februar in fetten, gedüngten Boden, und zwar so viel Samen in eine kleine Grube; als man mit drei Fingern fassen kann. Etwa nach vierzig Tagen keimen sie und verflechten sich so mit einander, dass sie scheinbar nur eine Masse bilden. Diese verwickelten Massen heissen Spargelschwämme (spongia). Nach zwei Jahren verpflanzt man sie in ein sonniges, feuchtes, gut gedüngtes Beet. Zu diesem Zwecke zieht man Furchen, die einen Fuss weit von einander entfernt, aber nur eine Spanne tief sind. In diese setzt man die sog. Schwämme, bedeckt sie mit Erde, worauf sie leicht hervorsprossen. Im nächsten Jahre muss man die Spargelstämme, welche emporwachsen, einknicken; in den übrigen Jahren darf man die Stämme nicht abbrechen, sondern muss sie von den Wurzeln abreissen, um den neuen Trieben Platz zu machen (sonach scheint der Gebrauch des Spargelmessers nicht bekannt gewesen zu sein). Derjenige Stamm, welcher zuletzt im Herbst wächst, wird nicht weggenommen, sondern bleibt zum Samentragen übrig. Hat man die Samen abgenommen, so verbrennt man die Stämme (scopio), wie sie sind, an Ort und Stelle, hackt, jätet und wirft Asche oder Mist auf das Beet, so dass der Regen im Winter die düngenden Bestandteile hinab zu den Wurzeln spült. Im Frühjahre werden die Beete, bevor der Spargel zu wachsen beginnt, mit einer Hacke aufgelockert, damit die Stämme leicht in die Höhe kommen und in dem lockeren Boden recht dick werden. Übrigens hat man den Spargel vor übergrosser Nässe zu schützen; im Herbst aber thut das Begiessen ihm doppelt wohl, und er treibt darnach zartere und kräftigere Sprossen. Nach acht oder neun Jahren, wenn die Spargelpflanzen alt sind, verpflanzt man sie und gräbt und düngt vorher den Boden, in welchen sie kommen, gut. Man setzt hier die Wurzeln so ein, dass sie wenigstens einen Fuss von einander entfernt sind. Die beste Düngung für Spargel ist Schafmist. Im Winter muss der Spargel mit Stroh zugedeckt werden, damit er nicht erfriert.‘ Dass der Spargel ein sehr nahrhaftes Gemüse ist (durch den Reichtum an Eiweissstoffen und besonders an [1715] Asparagin), war schon den Alten sattsam bekannt. Der Spargel, den Plinius (n. h. XX 108) mit Recht als utilissimus stomacho cibus bezeichnet, wurde als Tafelgemüse (vgl. Ammian. Anth. Pal. XI 413, 4) oder ὀψάριον (Zukost, vgl. Philem. bei Stob. floril. LVII 6, 6) schon von den Alten sehr geliebt (montani asparagi bei Beschreibung einer ländlichen Mahlzeit Iuven. XI 69) und sowohl als Gemüse warm gegessen als zu Salat zubebereitet (Apic. III 3, 66. IV 2, 125f.). Bei dem grossen Pontificalschmaus nennt Macrobius (sat. III 13, 12) auch Spargel. Seekrebse wurden ringsum mit Spargel belegt serviert, Iuven. V 82. Gewöhnlich wurde er mit feinstem Speiseöl aufgetragen, und es war eine Geschmacksverirrung, als einst Valerius Leo in Mailand dem Caesar μύρον ἀντ’ ἐλαίου zum Spargel auf den Tisch bringen liess, worüber die meisten Tischgenossen ihre Glossen machten, während Caesar, der sich von jeher durch εὐκολία περὶ τὴν δίαιταν auszeichnete, den Gästen ihr Betragen verwies und seine Portion anstandslos verzehrte, Plut. Caes. 17. Die besten und grössten Spargel kamen aus Ravenna, Martial. XIII 21. Plin. n. h. XIX 150. Künstlich gezogene Spargel wurden daselbst angeblich das Stück bis zu drei Pfund schwer (Ravenna ternis libris rependit, Plin. n. h. XIX 54). Auch auf der kleinen Insel Nesis an der Ostküste des Sinus Puteolanus wuchs (nach Plin. n. h. XIX 146) eine gute Sorte. Libysch-gaetulische Riesenspargel erwähnt Athenaios (II 62 e). Ein besonders üppiger Spargelconsum scheint in Lusitania geblüht zu haben, wo Klima und Bodenbeschaffenheit den Spargelwuchs ausnehmend begünstigten. Dort war frischer Spargel nur drei Monate im Jahre nicht zu haben, gleichwie Rosen und Levkoien, vgl. Polyb. XXXIV 8, 4 (Athen. VIII 331 a). Auch das Gebiet von Dyrrhachion in Illyrien war besonders fruchtbar an (wildem) Spargel; ein dortiger Ort, den Caesar mehrfach erwähnt, hatte davon den Namen Asparagium (jetzt Kerno); vgl. Murr Die geogr. u. myth. Namen d. altgriech. Welt in ihrer Verwertung f. ant. Pflanzengeogr. I 38 nr. 43. Dass durch zu lange fortgesetztes Kochen dem Spargel viel von seiner Güte verloren geht, wussten schon die Alten. Kaiser Augustus pflegte, um anzudeuten, es müsse etwas schnell fertig werden, die sprichwörtliche Redensart im Munde zu führen: velocius, quam asparagi coquuntur (schneller, als Spargel kochgar wird); vgl. Suet. Octav. 87. Franz a. a. O. 22. Der Genuss des Spargels vermehrt die Urinabsonderung und giebt dem Urin bekanntlich einen eigentümlichen Geruch. Schon in den ältesten Zeiten wurden deshalb Wurzel und Wurzelsprossen (radix et turiones asparagi) als urintreibendes Mittel benutzt, Cels. II 31. Gal. VI 643. XI 748. Sonstige Verwendung: gegen Zahnschmerz Diosk. a. a. O.; gegen Nierenleiden Diosk. a. a. O. Seren. Sammon. lib. med. 454, gegen Verstopfung Cels. II 29 (doch vgl. Hippokr. I 687). Der Samen in Wein genommen befördert bei den Frauen das Empfangen, Hippokr. II (XXII) 715. In medicinischer Beziehung vgl. noch Scrib. Larg. 79. Cels. II 21. 22. Plin. n. h. XX 108ff. XXVI 84. Von abergläubischen Meinungen seien folgende hervorgehoben: Hunde vertragen den Spargel nicht; geniessen sie ein Decoct davon, so müssen sie sterben, Diosk. a. a. O. Wenn jemand Widderhörner [1716] zerkleinert und sodann vergräbt, so entsteht daraus Spargel. Dem Dioskorides scheint dies aber, wie er ausdrücklich versichert, wenig glaubhaft. Übrigens begegnen wir dieser Meinung bei den alten Autoren auffallend häufig, z. B. Clem. Al. str. VIII 25. Geopon. XII 18, 3. Plin. n. h. XIX 151. Leicht möglich, dass insofern eine Verwechslung vorliegt, als Hornspäne ein gutes Dungmittel abgeben. Amuletartig getragen, erzeugt der Spargel geschlechtliche Unfruchtbarkeit, Diosk. a. a. O. Die mythologischen Beziehungen des Spargels: nach Plutarch (praecept. coniug. 2) bekränzte man in Boiotien die Bräute mit ἀσφαραγωνία, d. h. den Zweigen des spitzblätterigen Spargels. Dieser symbolischen Handlung lag das Motiv zu Grunde, dass die Spargelpflanze ἥδιστον ἐκ τραχυτάτης ἀκάνθης καρπὸν ἀναδίδωσιν; so zeigt sich die Braut auch anfänglich unzugänglich mit der Zeit aber γλυκεῖαν παρέξει συμβίωσιν; vgl. Dierbach Flora myth. 119. Franz a. a. O. 41. Die besonders bei den Nachkommen der Perigune aufrecht erhaltene Verehrung des Spargels (πάτριον κατέστη μήτε ἄκανθαν ἀσφαράγου μήτε στοιβὴν καίειν, ἀλλὰ σέβεσθαι καὶ τιμᾶν) wurde darauf zurückgeführt, dass einst die schöne, von Theseus verfolgte Perigune in einem Dickicht ein Versteck fand, welches zwar auch aus anderen Pflanzen, z. B. στοιβή, vornehmlich aber aus . bestand. Plut. Thes. 8. Murr Die Pflanzenwelt i. d. gr. Mythol. 197. Bötticher Baumkultus 481. Bei Lucian (ver. hist. I 16) haben die καυλομύκητες anstatt der Speere Spargelstangen und anstatt der Schilde Pilze.

[Wagler. ]